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April 3, 2013
Schreiben + Theater = Zuhausegefühl + Energieentzug zugleich. Joachim Goller, Autor von foreignstr. 19, im Interview
Kunigunde Weissenegger
Am 4. April 2013 um 20 Uhr wird auf der VBB-Bühne im Studio des Stadttheaters Bozen das Siegerstück der Bozner Autorentage 2011 uraufgeführt. foreignstr. 19 stammt aus der Feder des 21jährigen Kastelruthers Joachim Goller: Fünf junge Erwachsene ziehen zusammen in eine WG, sie kennen sich schon lange und haben nun in der selben Stadt zu studieren begonnen. Plötzlich verschwindet eine spurlos und niemand weiß, wohin oder wieso. – Was ist da los?!? – Das Buch des Theaterstücks hat Joachim Goller geschrieben, Regie führt Philipp Jescheck und auf der Bühne spielen Melanie Arnezeder, Christoph Griesser, Jasmin Barbara Mairhofer, Lisa Mersi und Hanno Waldner. Weitere Vorstellungen nach der Premiere am 4.4.2013, jeweils um 20 Uhr: So 7.4.2013, (mit Stückeinführung um 19.15 Uhr) im Stadttheater Bozen Studio; Di 9.4.2013 im J. Ph. Fallmerayer Oberschulzentrum Brixen; Do 11.4.2013 im Jugend- und Kulturzentrum UFO Bruneck; Sa 13.4.2013 im Jugend- und Kulturzentrum Alte Volksschule Steinhaus; Di 16.4.2013 im Jugend-Kultur-Zentrum point Neumarkt; Mi 17.4.2013 im JuMa Mals; Fr 19.4.2013 im Wirtschaftsfachoberschule Franz Kafka Meran.
Mit dem Autor Joachim Goller haben wir im Interview über das Schreiben, das Jungsein und seine Liebe zum Theater gesprochen.
Joachim, erinnere dich bitte kurz einmal zurück: Wie war das, vor 2 Jahren, die Bozner Autorentage des VBB zu gewinnen?
Naja, also ziemlich überraschend. Zu meiner Konkurrenz gehörten damals ja unter anderem Lissy Penthaler, Astrid Kofler und Petra Maria Kraxner- alles Frauen, die schon mehr Erfahrung mit dem Schreiben hatten. Irgendwie fühlte ich mich als “underdog” und ich dachte auch nicht, dass mein Stück die Voraussetzungen für ein Siegerstück liefern kann. Da es ja auch in der Form – ohne jegliche Vorlage – mein erstes war. Ich war jedenfalls wie vor den Kopf gestoßen, als ich hörte ” Siegerstück ist das Stück des jüngsten Teilnehmers Joachim Goller – foreignstr. 19″. Ich kann mich noch gut an den Moment erinnern. Gehofft hatte ich darauf, aber ich hätte es nicht für möglich gehalten.
“foreignstr. 19″ hieß also das Siegerstück, dein Stück. Ein etwas eigenwilliger Name. Was hat es damit auf sich? Der rote Faden?
Eigentlich ganz unspektakulär. Am Tag vor der Abgabe – brauchte ich einen Titel. Und unter zehn Möglichkeiten stand dieses “foreignstr. 19″ und dafür hab ich mich entschieden. Eine Adresse die nicht viel verrät, und doch irgendwie. Der Titel klingt jung, finde ich, und das ist ja auch mal ein wichtiges Stichwort.
Es geht um Jugendliche und ihre Freundschaften, Hoffnungen und Enttäuschungen, um ihr Leben in ihrer Sprache. Mit welchen Mitteln hast du im Buch gearbeitet und mit welchen arbeitet der Regisseur auf der Bühne, um Empfindungen auf das Publikum überspringen zu lassen und die Nachempfindung der Begebenheiten zuzulassen?
Jugendliche ist immer so ein schwieriges Wort – ich würde die fünf schon als junge Erwachsene sehen. Ich habe beim Schreiben einfach mit dem gearbeitet, was ich gesehen habe, wenn ich mich in diese “foreignstr. 19″ fallen gelassen habe. Ich habe Figuren kennen gelernt, lieben gelernt, auch gehasst und hab sie aufeinander prallen lassen. Alles andere kommt von selbst, die knappe Sprache, die Gefühle, die Beziehungen etc. Ich glaube, Philipp Jescheck, der Regisseur, hat versucht möglichst mein Stück als das anzunehmen, was es ist: er hat die Sprache in ihrer Knappheit hergenommen und damit gespielt, hat die Charakter nachgezeichnet und sie in einem neu definierten Raum miteinander in Kontakt treten lassen. Eigentlich hat er vieles so umgesetzt, wie’s im Buch steht. Nur anders. Welche Gefühle er damit weckt und was er damit erreichen kann, darüber weiß das Publikum bestimmt besser Bescheid.
Foto: Sabine Weissenegger
Du arbeitest ja selbst auch als Regisseur. Wie ist es nun zu sehen, wie ein eigenes Stück von einem anderen – nämlich Philipp Jescheck – auf der Bühne umgesetzt wird? Bist du dabei? Bist du immer “bei ihm”, also seiner Meinung” bei der Umsetzung auf der Bühne? Und: Er ist selbst auch noch relativ jung (Jahrgang 1982), obwohl 10 Jahre älter als du (Jahrgang 1992) – Versteht er deine Intentionen deshalb besser?
Nun, ob ich als Regisseur arbeite oder nur als pubertierender Grenzentester, der mal eine ordentliche Tracht Ausbildung nötig hätte, liegt immer noch im Auge des Betrachters. Den Prozess zu beobachten, auch wenn ich nur in einzelnen Momenten dabei war, ist sehr interessant. Wann wird schon ein Stück in einem Stadttheater aufgeführt? – Und nein, ich bin nicht immer bei ihm. Eigentlich nie. Ich habe mir vor einigen Tagen eine Probe angesehen und mich vor einem Jahr mit ihm getroffen, um über das Stück zu sprechen und über Änderungen zu reden, und ich war bei einigen Vorsprechen für die Besetzung dabei, entschied aber nicht mit, und das war’s auch. – Also, ob ich immer seiner Meinung bin, naja, das wird ein Autor wohl nie sein. Aber ich schätze seine Bemühung, die ganze Sache so authentisch wie möglich zu halten, auf seine eigene Art. – Ich denke schon, dass er mein Stück besser versteht, als vielleicht ein alter, eingesessener Regisseur – muss aber auch nicht sein. Viele Stücke verlangen den Blick einer anderen Generation, um sie besonders attraktiv zu machen – andere Sichtweisen etc. Ich denke aber auch, dass wir heute in einem so schnellen Generationswechsel leben, dass es schwierig ist, die Intentionen der “aktuellen Jugend” zu verstehen.
Womit musst du dich, deiner Meinung nach, heute als junger Erwachsener im Gegensatz zu früher auseinander setzen und womit “kämpft” ihr heute? Für 30+ sind es vielleicht oft schwer nachvollziehbare Themen und Dinge, kann ich mir vorstellen…
Ich denke viele Themen beschäftigen die Jungen heute wie die Jungen gestern. Aber diese Auseinandersetzung und diese Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt und von diesem System der Wirtschaft ist vielleicht heute aktueller denn je. Viele, die vielleicht schon eingesessen sind und ein paar Burn Outs hinter sich haben, sehen diese Schwierigkeit mit dem Sich-eingliedern-Müssen als Kinderk***e an.
Denkst du, dass – wie beispielsweise du mit deinem Stück – ihr wirklich jungen Kreativen (jung wollen heute ja alle sein, aber ich denke da an under 25 und auf keinen Fall älter!), also ihr “echten” Jungen eure Emotionen und Erlebnisse besser “rüber” bringen könnt? – (Unabhängig davon, dass die Frage eigentlich überflüssig sein müsste.) Aber besonders: wo, denkst du, können wir Alten sozusagen unterstützend eingreifen? Oder wo siehst du Hindernisse, die überwunden werden sollten?
Jung wollen ja alle sein. =) Wie wahr! Ich glaube unsere Emotionen können wir auf alle Fälle am Besten und am Authentischsten aufmalen. Da muss, meiner Meinung nach, kein Unterstützender eingreifen. Ich habe jetzt schon einige Jugenstücke inszeniert und bin immer ohne “alte” Hilfe ausgekommen. Die Hindernisse sind, dass man vor allem in diesem Jung- und Alt-Verhältnis denkt. Es sind einfach nur verschiedene Generationen, die ihr Gewicht auf verschiedene Dinge legen; es gibt kein „erfahrener“ und „jünger“ es gibt nur ein „anders“. Jede Interpretation ist möglich, ob die eines 20jährigen oder die eines 90jährigen. Was dann effektiv als “gut” angesehen wird, liegt wieder im Auge des Betrachters.
Du hast das Stück, wie alle anderen entweder von dir inszenierten oder geschriebenen (haut, telmaH, s.p.r.i.n.g., Bluthochzeit von F. G. Lorca, cool finals, Liebesg’schichten und Heiratssachen von E. T. Spira) sicher (auch, aber) nicht nur für Ruhm und Ehre geschrieben. – Was ist letztendlich dein Antrieb?
ANtrieb ist die Liebe zum Theater. Gleichzeitig dieses Nehmen von Energie und gleichzeitig dieses Zuhausegefühl, wenn ich auf einer Probebühne stehe. Beim Schreiben ist es aber mehr der Drang zur Veränderung. Schreiben ist für mich sehr anstrengend – gerade das Stück “foreignstr. 19″ hat mir sehr viel Energie genommen und ausgesaugt. Aber ich will es trotzdem machen, weil ich den Leuten etwas zu sagen habe.
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