UNFUN – heHÄ, war das jetzt lustig!?

UNFUN – heHÄ, war das jetzt lustig!?

Verwirrt ging ich, und damit war ich sicher nicht allein, am Abend des 19. Septembers 2012 in Bozen aus dem Museion hinaus. Verwirrt und den Kopf voller Gedankenansätze, denen ich vielleicht einmal meine Zeit widmen sollte, um sie durchzudenken. Aber spulen wir an den Anfang der Theateraufführung, die ich soeben erlebt hatte, zurück.
UNFUN – Roman des norwegischen Schriftstellers und bildenden Künstlers Matias Faldbakken, für die Bühne adaptiert von Nils-Arne Kässens. Dem Roman eilt der Ruf der Gesellschaftskritik und Provokation voraus. Gehört zur Trilogie der „Skandinavischen Misanthropie“ von Faldbakken.

Italienische Erstaufführung: Wie wir Menschen uns gegenseitig auf herablassende Weise betrachten, verletzen und selbst verletzt werden, stellt sich schnell und klar inmitten der Bühneninstallation von Joel Baumann heraus. Eine der Hauptfiguren Lucy – Frau, Ehefrau, Afrikanerin, „Negerin“, Mutter, halbfreiwillige Vergewaltigte, Mörderin, Anarchistin, letzten Endes Neinsagerin und Nihilistin – springt und turnt im Gorillakostüm barfuß auf und in den Stahlskulpturen herum, welche große Pariser Bauwerke, Monumente der europäischen Kultur, darstellen sollen. Grade so wie Kinder auf dem Spielplatz oder Affen in ihren Klettergehegen. Ihr Ex-Mann Slaktus – Gewaltintellektueller, Bodybuilder, Frauenficker, Kindererzeuger, Online-Spielentwickler, aggressives Bündel – liebt es, seinen Aggressionen Raum zu verschaffen. Sie in befreiendem und Ego exaltierendem Fitnesstraining oder im psychischen respektive physischen Misshandeln seiner Ex-Frau zu sublimieren, so irgendwie nach Freuds Theorie der Sublimierung. Nur so irgendwie. Weil das Wasser in seinem Kopf so kocht wie in einem Kochtopf, will er das ultimative Slasher-Game „Deathbox“ entwickeln, um auch virtuell seine Beherrschung verlieren zu können, wenn er nicht gerade seinen Psychiater auf dem Kieker hat. Und vielleicht, um der Menschheit ein Vorbild zur Nachahmung zu geben. Eine Nachahmerin findet sich in seiner Ex, die mit dem Kapitalismus, den Städten, der unfreien Hurerei der westlich-europäischen Kultur und ihrer Bevölkerung noch nie was anfangen hat können. Nachdem Lucy das letzte ihrer drei Kinder, umgebracht hat, folgt die über Videokamera und mit Filzer kreativ inszenierte Ermordung von Slaktus. Mit ihrem Amoklauf sagt sie „Nein“ zu dieser Welt, ihren Menschen und auch zu sich selbst.

Ein Stück geprägt von Hass und Rassismus. Es zeichnet ein Bild voller unzufriedener, verletzter Menschen, die nur darauf warten ihre Verletztheit mit der Verletzung anderer zu vergelten. Ein Bild ohne Rahmen. Die totale Entfremdung. Ein Bild aus Unmengen an Gedankenschnipseln, die für das Publikum nur schwer zusammen fügbar sind. Ein Bild ohne Ausweg, ohne Lösung, ohne eine Moral von der Geschicht’.
Toll realisiert: mehrsprachig, multimedial und interdisziplinär. Beeindruckend die schauspielerische Verwirklichung durch Peter Grünenfelder, Julia Hansen und Daniel Schröder.

Und obwohl ich am Ende verwirrt herauskam, fand ich es doch interessant. Nicht mal so provokativ, wie vorher gedacht. Die Brutalität war dann doch sehr unterschwellig gehalten. Teilweise doch mit recht realitätsbezogenem Blick auf das Zwischenmenschliche und Weltgeschehen. Voller Paradigmenwechsel. Etwas, woran man sich den Kopf zerbrechen könnte. Ist vielleicht besser, sich doch nicht die Zeit zu nehmen, um drüber nachzudenken.
Und… war’s jetzt lustig oder nicht? Frage ich mich. Tut mir leid, mir eingestehen zu müssen, dass der Titel des Stückes passt. Wie die Faust aufs Auge.

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