Culture + Arts > Visual Arts
August 28, 2017
Gegen die Zelebration des eigenen Ichs: Fotograf Theo Zierock
Text Greta Stampfer
Ich gehe durch den Garten des Hotel Laurin. Es ist Freitag, 17.30 Uhr. “After-Work-Drink!”, ruft es von jedem Tisch. Die weißen Hemden blenden mich, während ich mir meinen Weg, vorbei an der Bar, hin zum Gewächshaus bahne. Ein altes Gewächshaus, fast deplatziert, zwischen all den Designertaschen und schicken Aperitivi. Im Inneren begrüßt mich Theo Zierock, jener Jungfotograf, der 2017 die künstlerische oder – nach eigenen Worten – “wohl eher dekorative Leitung” für Hel Yel! Paradeis übernommen hat. Hel Yes! Paradeis ist die Pop-Up Bottiglieria vom Weingut Alois Lageder, welche am 1. September eröffnet, und für zwei Monate eine Fusion aus Weinbar, Dschungel und Fotografie bieten will.
Theo Zierock steht inmitten des Gewächshauses und erzählt. Denn der 27-Jährige hat viel erlebt: Irgendwo zwischen New York, Dänemark und inzwischen Neapel ist Theo Zierock auf der Suche. Auf der Suche nach Fotografien, auf der Suche nach dem Lebenssinn. Dabei macht er auch in Bozen Halt. Theo Zierock in Stichworten:
Fokus: Die Ausstellung von Hel Yes! Paradeis
“Eigentlich bezieht sich die Ausstellung auf Archivfotografien, die ich in Neapel gefunden habe. Besonders die Sommeraufnahmen haben es mir angetan. Prinzipiell soll Hel Yes! Paradeis ja eine Weiterführung des Sommers sein – ein Gewächshaus hat ja sowieso keine Jahreszeiten, hier sind die Temperaturen generell immer stabil. Gleichzeitig wollte ich meine derzeitige Heimatstadt Neapel einbauen. Besonders, weil der Süden immer etwas anders wirkt, was auch auf den Fotos deutlich wird: Irgendwie fühlt man sich mit den Erinnerungen, die die Fotos wiedergeben, vernetzt, aber gleichzeitig erkennt man auch Unterschiede, zwischen “uns” und “denen”. Ich will die Welt zeigen, in die ich gerade eintauche. Es geht um die Tatsache, dass man solche Fotos heute nicht mehr ausdruckt und gleichzeitig auch, wie anders man den Sommer früher fotografierte. Es gibt bei dieser Ausstellung allerdings keinen pro-aktiven Ansatz, der in irgendeiner Weise moralisierend sein soll. Da es sich um eine delikate Thematik handelt, will ich auch kein großes Statement dahinter stellen. Es geht eher darum, dass das Interesse an dem materiellen Foto wiederhergestellt wird, ohne der große Nostalgiker zu sein. Mir ist es nicht wichtig, dass ich hier als Künstler stehe, denn es geht nicht darum ein Bild zu verkaufen oder zu sagen: ‘Das ist die neue Ästhetik!’”
Objektiv: Die Arbeit als Fotojournalist
“Ich habe in Zürich Politik und im Nebenfach Geschichte der Fotografietechnik studiert. De facto imponierte mir die Fotografie jedoch immer mehr als die Politik. Schließlich habe ich am International Center of Photography ein Jahr lang studiert, sowie ein Jahr für Wall Street Journal und NY Times gearbeitet, immer im Bereich des klassischen Fotojournalismus. Außerdem bin ich oft verreist: Bangladesh, Kuba, immer mit Journalismus verbunden. Doch die Bezahlung für Fotojournalisten ist nicht unbedingt gut, erst recht nicht, wenn man plant, davon irgendwann eine Familie zu ernähren. Fotojournalisten sind nach 20 Jahren entweder extrem gut dabei, aber total kaputt, sei es psychisch sowie physisch, und total eingesogen von dem, was sie gesehen haben, dem schlechten Essen und dem Reisen. Oder aber sie lehren in irgendwelchen Schulen und bringen Leuten etwas bei, obwohl es eigentlich keinen Bedarf an Fotojournalisten gibt.”
Auslöser: Die Wahlheimat Neapel
“Irgendwann habe ich mich entschieden nach Neapel zu ziehen, ohne Grund eigentlich, außer dem, dass ich am Meer leben wollte. Ich habe die Stadt anfangs nicht wirklich verstanden, es war undurchsichtig und eine durch und durch eigene Welt. Wenn du als Südtiroler dort bist, bist du mehr Ausländer, als wenn du aus Argentinien kommen würdest. Das war gewissermaßen die Herausforderung, die ich mir stellte: Mich von den Neapolitanern akzeptieren zu lassen. Alles ist unglaublich theatralisch, alles ist Spiel – worin ja auch irgendwie die Schönheit von Neapel liegt. Gleichzeitig fängt man mit der Zeit an zu relativieren: In Neapel hat man eine Entschuldigung für alles und die Entschuldigungen machen auch noch Sinn. Dort lebt man das Gegenteil von Ehrgeiz. Ehrgeiz ist negativ. Wenn du viel erreichen willst und große Projekte hast, dann sagen sie: ‘Warum? Ist es nicht schön, so wie es gerade ist?’ Sie erklären dir, warum die Dinge in ihrer Hässlichkeit schön sind.”
Blende: Der Kunstbetrieb
“Im Bereich Kunstfotografie ist man immer auf sich alleine gestellt. Man zerbricht sich den Kopf für irgendwas und schlussendlich sieht es dann eh niemand oder, wenn es jemand sieht, dann sieht er es sich nur für höchstens zwei Minuten an. Das ist für mich irgendwo frustrierend. Aber: Ich schätze die Freiheit der Kunst. Gleichzeitig geht es oft um diese tiefere Botschaft, obwohl die meisten Künstler den Leuten eigentlich nichts beizubringen haben. Erst recht nicht ich mit meinen 27 Jahren. Das meiste ist dann eher Zelebration des eigenen Ichs. Ich kann so etwas nicht. Ich kann mein eigenes Ich nicht so sehr in den Mittelpunkt stellen. Es ist eine Arroganz, die mitunter auch positiv ist, die ich aber schlichtweg nicht habe.”
Fotos: Theo Zierock
Comments