Grundstein besucht Rosengarten: Kreative Viertel im Gespräch

Ein umfangreiches Interview mit Martina Gasser, Malerin, Fotografin, Musikerin und Vereinsobfrau von Grundstein aus Wien über das Ausstellungsprojekt des Kollektivs und dessen Tätigkeiten. Das nächste Grundsteinfestival mit dem Titel “Oberwelt & Unterwelt (Orpheus und Eurydike)” findet übrigens vom 14.–28. Juni 2014 in Wien statt.

Gerhard Roza – Grundstein 2011: Eröffnungsparade „Road to nowhere“ (Mona Hollerweger und Chor)

Grundstein und Martina Gasser sind die 2. Gäste beim Rosengarten Brunch am kommenden Sonntag 30. März 2014 ab 11 Uhr im Kochatelier Condito in Bozen, der im Rahmen des franz-Projektes “Rosengarten” und der Percorsi della Piattaforma delle Resistenze 2014 (Wege Widerstand 2014) stattfindet . Die Malerin, Fotografin und Musikerin ist auch die Vereinsobfrau von Grundstein, einem seit 2004 bestehendes Ausstellungsprojekt in der Grundsteingasse in Wien. (Hier geht’s zum Facebook-Event)

Selbständig, eigenständig und selbstverantwortlich organisieren sich KünstlerInnen aller Sparten und GaleristInnen Ausstellungsräume und nützen die Grundsteingasse in Ottakring als Plattform für eine direkte künstlerische Kommunikation. Auch internationale KünstlerInnen sind willkommen, dieses Netzwerk zu nutzen und kennenzulernen. Aktuell gibt es 12 Ausstellungs- und Projekträume, die von KünstlerInnen organisiert und für Projektionen, Installationen, Malereien, Sounds, Skulpturen, Performances, Fotografien, Filmen und Videos genutzt werden. Neben der Vernetzung inländischer und ausländischer KünstlerInnen ist ein wichtiger Teil der Arbeit des Kollektivs die Kunstvermittlung und Präsentation für unterschiedliche soziale und gesellschaftliche Gruppen. Jährlich während des Grundsteingassenfestes im Juni und September wird der öffentliche Raum intensiv für Projektionen, Performances und Interventionen genutzt. 

Vorab beantwortet uns Martina Gasser ein paar Fragen, bevor sie am Sonntag im lockeren Gespräch von ihren Erfahrungen erzählt und mit uns Gedanken austauscht. Wenn ihr dabei sein wollt, meldet euch via Mail an info@franzmagazine.com oder Telefon unter +39 340 2787854. Eine Reservierung ist notwendig, eventuelle Absagen werden bis 48 Stunden vor Veranstaltungsbeginn entgegengenommen. Die Teilnahme an den Dialogen ist kostenlos, für den Brunch ist ein Unkostenbeitrag von 15 € vorgesehen. 

Kurz und bündig: Grundstein in 5 Worten bitte!

Installation, Malerei, Performance, Fotografie, Film…

Seit wann gibt es Grundstein und was war eure Motivation für den Start?

Der Verein Grundstein wurde 2004 gegründet. Seither gibt es zweimal jährlich für je zwei Wochen (Juni und September) das Kunstfestival Grundstein in den Ausstellungs- und Projekträumen, Galerien und Ateliers entlang und im öffentlichen Raum in der Grundsteingasse. Es nehmen durchschnittlich 70 bis 80 KünstlerInnen pro Grundsteintermin teil. Am Tag der Eröffnung wird die Grundsteingasse für den Verkehr gesperrt und wird Fußgängerzone. 

Seit den 1990er Jahren haben sich immer mehr KünstlerInnen aus allen Bereichen in der Grundsteingasse und in der näheren Umgebung angesiedelt und auch Ateliers und Werkstätten angemietet. Da in dieser Gegend viele Geschäftslokale zu (damals) recht günstigen Mieten freistanden, entwickelten sich ganz von selbst, von KünstlerInnen geführte Ausstellungs- und Projekträume, da die Auslagen mit ihrer Präsenz nach außen wirken und zu Interaktion mit den PassantInnen anregen.Peter Bittermann – Masc FoundationPeter Bittermann – Masc Foundation

Vor Grundstein gab es in dieser Gegend das Kunstfestival Soho in Ottakring, an welchem alle Räume der Grundsteingasse teilnahmen und gewissermaßen auch das Herzstück des Festivals bildeten. Aufgrund inhaltlicher Differenzen distanzierte sich ein Großteil der Räume von diesem Festival und Grundstein wurde als eigenständiges Festival gegründet. 
Es werden Synergien, Talente und Ressourcen genützt, um damit dem Publikum eine unglaublich große Vielfalt an (internationalen) KünstlerInnen aus allen Bereichen der bildenden und darstellenden Kunst präsentieren zu können. 

Wie können wir uns die Grundsteingasse vorstellen? Wo liegt die Gasse in Wien? Wie sieht’s dort aus? Gibt es etwas Bestimmtes, Besonderes… dort?

Die Grundsteingasse liegt im Brunnenviertel in Ottakring (oder auch Neulerchenfeld genannt) und kreuzt sich mit Wiens längstem Straßenmarkt, dem Brunnenmarkt. Das Viertel ist multinational geprägt – im Volksmund manchmal “Klein Istanbul” genannt – und gehört zu den Vierteln mit dem höchsten Anteil an migrantischer Bevölkerung in Wien. 
Das Viertel steht in der Tradition eines Arbeiterviertels mit eher einkommensschwacher Bevölkerung (wobei sich das in letzter Zeit etwas geändert hat – das Viertel ist hipp geworden, Gentrifikation, steigende Mieten etc.) und ist berühmt und berüchtigt gewesen für seine Widerständigkeit und seine Amüsieretablissements. Von Chronisten der Zeit “Des  Heiligen römischen Reiches größtes Wirtshaus” genannt, hatten 1908 von 156 Häusern, 103 die Ausschanklizenz und 83 übten sie aus (Quelle: Wolfgang Maderthaner).
Das Viertel ist auch bedeutend für die Geschichte der österreichischen ArbeiterInnenbewegung. Grundstein Eröffnung 2013 mit der MusikarbeiterInnenkapelle, Foto von Angela Pointinger Grundstein Eröffnung 2013 mit der MusikarbeiterInnenkapelle, Foto von Angela Pointinger 

Die Grundsteingasse selbst ist eine schmale Gasse, die den Brunnenmarkt kreuzt und am Wiener Gürtel endet (eine 4spurige, kreisförmig angelegte “Stadtautobahn”, die den früheren Linienwall zur inneren Stadt abbildet). Blickt man vom Gürtel stadtauswärts sieht man auf die sogenannten “Wiener Hausberge”mit dem Wienerwald. Im Sommer geht die Sonne genau auf der Linie mit der Grundsteingasse unter.Grundsteingasse Sonnenuntergang, Foto von Martina GasserGrundsteingasse Sonnenuntergang, Foto von Martina Gasser

Die Häuser sind Gründerzeithäuser, mit Ausnahme eines Biedermeier-Hauses und einiger Neubauten, die anstelle niedergebombter Häuser errichtet wurden. Einige der Häuser waren früher Fabriken. Viele der Häuser verfügen über schöne Innenhöfe mit Pawlatschen (umlaufende Laubengänge).
Die Grundsteingasse verlief früher entlang des Ottakringerbaches, der vom Wienerwald kommend die Gasse immer wieder mal überschwemmte. Der Bach verläuft nun unterirdisch, man sieht in manchen Hinterhöfen aber noch die ehemalige Uferbefestigung.
In den ebenerdigen Lokalen, früher meist Gastwirtschaften, sind heute hauptsächlich Geschäftslokale untergebracht, die von vielen KünstlerInnen und Gewerbetreibenden angemietet wurden. In der Gegend gibt es auch unglaublich viele FrisörInnen.

Was macht ihr?

Während  des Grundsteinfestivals im Juni und September sperren alle Räume zeitgleich auf und präsentieren ihre Ausstellungen und Projekte. Verbindendes Element sind Performances, Lesungen und kleine Konzerte, sowie Interaktionen im öffentlichen Raum der Grundsteingasse.Peter Bittermann – „The Person I could be“ von Martina GasserThe Person I could be“ von Martina Gasser – Foto vonPeter Bittermann

Jeder Raum hat aber auch über das Jahr sein eigenes Programm. Diese Aktivitäten und Ausstellungen werden ebenfalls über die gemeinsame Homepage von Grundstein angekündigt (www.grundstein.at). Ein ganzjähriges Projekt von Grundstein sind die “Säulen der Erinnerung” am nahegelegenen Yppenplatz, ein Erinnerungsprojekt an alle Opfer des Nationalsozialismus (3 mit Kunst bespielte Litfaß-Säulen). Diese Säulen werden 4– 5 Mal jährlich von KünstlerInnen neu gestaltet.

Was ist das Besondere an eurem Projekt? Wie unterscheidet es sich von anderen?

80% der teilnehmenden Räume sind von KünstlerInnen betriebene Galerien. Weiter bemerkenswert die Vielfältigkeit der dargebotenen Kunst, der installative Charakter (die Räume sehen nie gleich aus), die Bespielung des öffentlichen Raumes mit teils sehr subtilen Interventionen (Plakate, Magnetfolien auf Verkehrsschildern), die Beschäftigung mit der Geschichte des Viertels (Arbeiter- und Vergnügungsviertel, Zeit des Nationalsozialismus), der niederschwellige und kostenlose Zugang zu Kunst (keine Kunst für Eliten), die Interaktion mit den AnrainerInnen und Geschäftstreibenden der Grundsteingasse und des kreuzenden Brunnenmarktes, mit sehr wenig Geld sehr viel anbieten zu können, der große KünstlerInnen-Pool.Performance von ÖDÖGIDÖGGI, Grundstein 2012 – Foto von Peter BittermannPerformance von ÖDÖGIDÖGGI, Grundstein 2012 – Foto von Peter Bittermann

Grundstein sind MalerInnen, FotografInnen, Video- und FilmkünstlerInnen, KeramikerInnen, DesignerInnen, ArchitektInnen, BildhauerInnen, MusikerInnen, SchauspielerInnen, PerformancekünstlerInnen, ModedesignerInnen… 

Wer sind die Menschen hinter Grundstein? Und wie arbeitet ihr?

Bei Grundstein gibt es keinen Chef und keine/n KuratorIn, wobei einzelne Räume immer wieder einmal mit KuratorInnen arbeiten. Der Verein dient als rechtliche Person zur Kommunikation mit Behörden und Fördergebern. Es gibt einen Kern von ca. 4–5 Personen, die sich um die grundlegenden Dinge der Organisation kümmern. Die einzelnen Räume sind eigenständig und selbstverantwortlich und haben ihre eigenen Schwerpunkte und Ausrichtungen.Mano Design by Hedwig Rotter – Grundstein 2011, Foto von Gerhard Roza Mano Design by Hedwig Rotter – Grundstein 2011, Foto von Gerhard Roza 

Es gibt regelmäßige Treffen, an denen die ProtagonistInnen der Räume, sowie der engere Kreis an KünstlerInnen teilnehmen, und Ideen und Projekte vorgeschlagen und besprochen werden. 
Das Juni-Grundstein-Festival arbeitet meistens mit einem Thema, das aber weit interpretierbar ist (z. B. 2011 “Road to Nowhere”; 2009 “The Beggar’s Opera”). Die eingeladenen KünstlerInnen arbeiten dann rund um dieses Thema.
Im September läuft Grundstein unter dem Titel “MUSAO – Museum auf Abwegen Ottakring” und lädt, soweit es die Finanzen zulassen, GastkünstlerInnen ein (z. B. KünstlerInnen aus Porto 2011). Diese erarbeiten dann meist in einer Woche vor Ort ihre Projekte.

Kunsttankstelle Ottakring – Grundstein 2013,  Foto von Peter BittermannKunsttankstelle Ottakring – Grundstein 2013, Foto von Peter Bittermann

Durch den dörflichen Charakter des Viertels, kennt jeder jeden und man trifft sich auch ständig. Daraus entstehen immer neue Projekte. Die vielen KünstlerInnen, die hier wohnen und ihre Ateliers haben, sind international vernetzt. Daraus ergeben sich immer wieder Kooperationen.  

An wen wendet ihr euch mit euren Initiativen, Aktionen? Wer kann mitmachen? 

Grundstein ist ein offenes Kunstprojekt und wendet sich an alle kunstinteressierten Menschen, gleich welchen Alters, Geschlecht und welcher Herkunft. Es ist uns auch wichtig, eher kunstferne Menschen durch einen niederschwelligen Umgang mit Kunst, zu erreichen. Der Austausch und die Kommunikation mit den AnrainerInnen, Markt- und Geschäftstreibenden ist uns ein großes Anliegen. Wir sind kein abgehobener Fremdkörper im Viertel.
Es ergeben sich immer wieder Kooperationen mit Geschäftstreibenden, wo wir zum Beispiel die Eingangsportale ihrer Lager mit Plakaten oder Folien bespielen können. Ein türkisches Lokal stellt zum Beispiel ganzjährig und kostenlos eine seiner Auslagen für Kunst zur Verfügung (Schaufenster Restaurant Denis).Auslage Restaurant Denis: Alfred Graselli und Maria, Fasching 2013, Foto von Martina GasserAuslage Restaurant Denis: Alfred Graselli und Maria, Fasching 2013, Foto von Martina Gasser

Mitmachen können prinzipiell alle BetreiberInnen von Kunsträumen, die in der Grundsteingasse ansässig sind, sofern sie sich in das Projekt einbringen. Für KünstlerInnen und Projekte sind wir jederzeit offen. Maßstab ist die künstlerische Qualität. Allerdings haben wir nicht die Ressourcen für Ausschreibungen und Einreichungen. Die meisten Projekte entstehen über die starke Vernetzung.

Hat sich das Projekt im Laufe der Jahre verändert? Inwiefern? Beginn? – Jetzt?

Grundstein befindet sich in ständiger Veränderung. Manche der Räume müssen absiedeln, andere kommen dazu. Da wir finanziell am untersten Limit arbeiten, können sich keine fixen Strukturen bilden, was bedeutet, dass wir oft improvisieren müssen, was einerseits der Kreativität dient, andererseits natürlich extrem anstrengend ist.
Verändert hat sich in den letzten Jahren das Publikum. Es kommen weniger Party-People, sondern wirklich sehr explizit Kunstinteressierte, was uns sehr freut.
Über die Jahre ist es uns auch gelungen einige der AnrainerInnen dazu zu bewegen, ihre Wohnungen am Tag der Eröffnung, für Aktionen in den Fenstern zur Verfügung zu stellen. Beispielsweise geben einige der MusikerInnen der Gasse von den Fenstern aus kleine Darbietungen. 

Was ist eure Formel für eine wirtschaftliche Nachhaltigkeit? Wie “überlebt” ihr bzw. Grundstein? Habt ihr Kosten und wie deckt ihr diese? Wie ist euer Projekt aufgestellt, damit es auch wirtschaftlich eine Zukunft hat?

Eine Formel haben wir nicht. Wir haben zum Glück die politische und auch finanzielle Unterstützung von Seiten der Bezirksvorstehung Ottakring. Wir bekommen auch eine öffentliche Förderung von der Stadt Wien. Insgesamt arbeiten wir aber seit Jahren am untersten Limit, das heißt Kostendeckung für Material, Druck, Prints, Postversand, Genehmigungen, minimalste KünstlerInnenhonorare für Performances oder Lesungen. Die organisatorische Arbeit ist zum Großteil kostenlos erbrachte Eigenleistung. Da wir keinen Eintritt verlangen wollen, verfügen wir auch über keine Einnahmen. 

Die größten Sponsoren sind die teilnehmenden KünstlerInnen, die mit viel Engagement für die Sache arbeiten. Die kleine Gruppe der OrganisatorInnen bringt die Arbeit für Grundstein neben ihren Broterwerbstätigkeiten und eigenen künstlerischen Aktivitäten unter. Diverse Versuche das Budget zu kürzen, konnten wir bisher abwenden. Falls dieser Fall jedoch tatsächlich eintreten sollte, ist dieses Projekt wahrscheinlich nicht mehr durchzuführen. Derzeit müssen wir auf den politischen Willen seitens der Bezirksvertretung bauen, die dieses Projekt als Bereicherung für das Grätzel ansieht und auch den Nutzen einer Aufwertung der Lebensqualität darin sieht. Das Viertel ist durch uns lebendig.
Das heißt, die Zukunft ist ungewiss, aber noch gibt es uns und wir geben nicht so leicht auf.

Was war das Beeindruckendste, das ihr initiiert habt? Warum?

Der “Dichter Herbst”, die “Sammlung Dichter” und die “Säulen der Erinnerung”: drei Projekte, die einen Ursprung haben (siehe www.sammlungdichter.com/pillars.html).
Zwischen 2005 und 2006 wurde der Masc Foundation ein ehemaliges Kaufhaus (Ecke Brunnenmarkt, Grundsteingasse) vor dem Abriss zur temporären Nutzung zur Verfügung gestellt. Das Haus wurde mit drei Ausstellungen bespielt: “Das beste billig I und II” (2005) und “Sammlung Dichter” (2006).

"Das beste billig II" im ehemaligen Kaufhaus Dichter; KünstlerInnen: Kurt Mayr, SC Masc/39 Dada, Martina Gasser (v. links); Foto: Martina GasserDas beste billig II” im ehemaligen Kaufhaus Dichter; KünstlerInnen: Kurt Mayr, SC Masc/39 Dada, Martina Gasser (v. links); Foto: Martina Gasser

Durch diese Möglichkeit wurde uns über eine Historikerin und die Künstlerin Eva Brunner-Szabo (leider 2012 verstorben), sowie eigener Recherchen die Geschichte dieses Warenhauses bekannt. Das Warenhaus Dichter wurde um 1890 von Leopold Dichter gegründet. Es war in den 1930er Jahren das größte Warenhaus in Wien außerhalb des Gürtels. 1935 wurde es von Philipp Diamandstein, der gemeinsam mit Clemens Holzmeister ein Büro betrieb, im modernen Stil umgebaut. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Warenhaus als Kommanditgesellschaft und Familienbetrieb geführt. Im November 1938 wurde es vom Bankhausbesitzer Edmund Topolansky arisiert. Er übernahm es um weniger als eines Drittels seines wahren Wertes und selbst der Kaufpreis wurde nicht aus dem Eigenkapital Topolanskys bezahlt, sondern aus den Erträgen des Kaufhauses. Es blieb in dessen Besitz bis 1949. Es gab ein Rückstellungsverfahren in den Jahren 1949–1951 und in Folge dessen wurde es an Oskar Seidenglanz, der aber selbst Ariseur eines Geschäfts im 20. Bezirk gewesen war, zu einem sehr geringen Preis verkauft. Unter dem Namen Osei, der Abkürzung des namens Oskar Seidenglanz bestand das Geschäft am Brunnenmarkt bis 2003/04. 

Als letzte Ausstellung in dem Haus war die “Sammlung Dichter” 2006, als Hommage und Geschenk an die Familie, zu sehen.  Der endgültige Abriss des Hauses erfolgte im März/April des Jahres 2007. Grundstein und die Masc Foundation hatten dann die Idee zur Ausstellung “Dichter Herbst” im Oktober 2007 und lud die ZeitzeugInnen Walter Arlen (Komponist und Musikkritiker) und Edith Arlen Wachtel (Sozialpsychologin) nach Wien ein. Sie sind die Enkelkinder des Kaufhausgründers Leopold Dichter und im Kaufhaus Dichter bis zu ihrer Vertreibung aufgewachsen. 
Sie kamen tatsächlich zur Ausstellungseröffnung aus den USA angereist und brachten sich in die Ausstellung ein, indem sie Eva Brunner-Szabo eine Unmenge an Dokumenten, Erinnerungsstücken und Fotos für die Ausstellung zur Verfügung stellten. Das anstelle des alten Kaufhauses, neu errichtete Wohnhaus, trägt nun den Namen “Dichterhof” und eine Gedenktafel der Stadt Wien verweist auf die Geschichte des Hauses und der Familie Dichter.

2008 wurde von Eva Brunner-Szabo, Richard Schütz & Roland Schütz (Masc Foundation), sowie Heinrich Schneider (damals Bezirksrat) die “Säulen der Erinnerung” am, temporär in Edith Arlen-Wachtel und Walter Arlen-Platz umbenannten, Yppenplatz ins Leben gerufen. Es gab eine große Eröffnung der drei Litfaßsäulen gemeinsam mit Edith Arlen-Wachtel (leider 2012 verstorben) und Walter Arlen. 

Edith Arlen-Wachtel und Walter Arlen bei der Eröffnung der Säulen der Erinnerung 2008, Foto von Martina GasserEdith Arlen-Wachtel und Walter Arlen bei der Eröffnung der Säulen der Erinnerung 2008, Foto von Martina Gasser

Grundstein ist es gelungen, diese Säulen langfristig zu sichern und trägt mit deren künstlerischer Bespielung auch zur Erinnerungsarbeit bei. Die drei Säulen stehen zentral auf einem Platz, an welchem sich im Sommer ein Schanigarten nach dem anderen reiht. Die Säulen sind allen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet und werden 4 bis 5 Mal pro Jahr neu gestaltet. 

Säulen der Erinnerung, Foto von Elvira FaltermeierSäulen der Erinnerung, Foto von Elvira Faltermeier

Die Plakatkosten werden vom Verein getragen. Leider ist es uns nicht möglich, den KünstlerInnen ein Honorar zu zahlen.

Und was habt ihr als nächstes vor? 

Wir bereiten gerade das nächste Grundsteinfestival mit dem Titel “Oberwelt & Unterwelt (Orpheus und Eurydike)” vor, welches von 14. bis 28. Juni 2014 stattfinden wird. 

Martina Gasser ist 1975 in Innsbruck geboren. Nach dem College für Fotografie an der Grafischen Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt Wien besuchte sie die Akademie der Bildenden Künste Wien. Neben Grundstein ist sie auch Gründerin von SyndikART www.syndikart.org. Martina Gasser lebt und arbeitet in Wien und ist als Malerin und Fotografin tätig. Zudem spielt sie die Singende Säge, welche sie auch für Performances und Kooperationen mit anderen KünstlerInnen aus dem Theater- und Literaturbereich einsetzt. Eine Übersicht ihrer Einzel- und Gruppenausstellungen, Theater- und Literaturprojekte, Performances und Filme sowie Publikationen und Preise findet ihr auf ihrer Website: www.martinagasser.eu 

Foto ganz oben: Gerhard Roza – Grundstein 2011: Eröffnungsparade „Road to nowhere“ (Mona Hollerweger und Chor)

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