Über Licht und Kunst, da wie diesseits des Brenners – und die simple Feststellung, dass wir uns hier wie dort nicht blenden lassen sollten. Vor allem nicht in den dunklen Monaten.

Auch so geht Lichtspektakel: Die Lichtstadt Feldkirch zählte heuer im Oktober 45.000 Besucher*innen. Sie kamen fürs Licht. Und die Kunst. © Jan Philip Scheibe, shouldered streetlight, Lichtstadt Feldkirch 2025, Foto Richard Günter Wett
Es ist noch gar nicht lange her, 2 kleine Texte vielleicht, als an dieser Stelle schon einmal gegen die Zitate der großen Schreiber gewettert wurde. Ich war’s! Die eine, die partout nicht zitieren wollte. Und jetzt zitieren muss. Weil’s halt so gut passt. Weil der gute alte Goethe gute alte Sachen gesagt hat. Zwischendurch zumindest. Am Sterbebett etwa. Darniederliegend soll er nach „Mehr Licht!“ gerufen haben. Und bis heute denken Leute darüber nach, ob’s ihm im Tunnel am Ende des Lebens zu finster war. Oder, ob er für die ganze Menschheit – kurz bevor ihm der Sensenmann endgültig das Mundwerk legt – doch nach mehr Erleuchtung, im Sinne von mehr Aufklärung und Erkenntnis, getrachtet hat. Antwort darauf gab er keine mehr. Das haben letzte Worte so an sich. Nur, dass nicht bei vielen daraus ein Meinungsstreit entbrennt. Ja, es wird heute noch gern nach „Mehr Licht!“ gerufen. Besonders in den dunklen Monaten des Jahres. Also jetzt. Und das in (und im Namen) der Kunst.
Richtig, ihr habt’s erraten. It’s that time of the year again – noch bevor Mariah Carey ihre Stimme ins Pfeifregister schickt und die Glöckchen klinge-linge-linge-n – werden in unseren Straßen und auf unseren Plätzen wieder die Lichter angeknipst. Gemeint ist nicht nur Weihnachtsdeko – sondern da und dort wird gern von „(Licht-)Kunst“ oder zumindest von „Lichtinstallation“, „Lichtshow“ und „Lichterpark“ gesprochen.

Bei diesen Reizworten gehen den Touristikern unter uns das (Weihnachts-)Herz auf – und so manches gewidmete Geldbörserl gleich mit. Auch heuer, Kinder, wird’s was geben, ein „Lumagica“ in Innsbruck (und Meran) zum Beispiel. Zum zweiten Mal macht der „Lichterpark“ Station in Südtirol. In Brixen ist „Soliman’s Dream“ derweil zwar ausgeträumt, die Vorweihnachtszeit 2025 wird mit „OOPS!“ überschrieben, denn – kein Ups! – hier gibt es nicht nur eine Stadt zu erhellen, einen ganzen Soundtrack soll sie bekommen. Abliefern wird ihn Giorgio Moroder himself. Ob’s dann nach Disco, „everybody calls me Giorgio“ oder gar „Oops! … I did it again“ klingen wird, erfährt man am Domplatz ab 21. November. Man kann jetzt schon davon ausgehen, dem Publikum wird’s gefallen, warum also noch fragen:
Ist das (Licht-)Kunst – oder kann das weg?
Aber auch: Why not fragen? Weil in Museen (vornehmlich den zeitgenössischen) fragen alle doch so gern danach. Bevor das Licht in und um den Brenner angeknipst wird, müssen wir aber schauen, wie andere strahlen. Denn was man in Sachen Licht/Kunst/öffentlicher Raum sagen muss: Nicht überall, muss es gleich eine Show sein.
Bei den St. Galler „stadtprojektionen“ setzt man auf Fotografie und Film, projiziert auf die Gebäude, um Quartiere zu erhellen und Architektur zu akzentuieren – und auf die (stille) Wahrnehmung der nächtlichen Stadt. Und auch die „Lichtstadt Feldkirch“ setzt eher auf leisere Töne. Dafür noch mehr (Licht-)Kunst. Heuer im Oktober sollen 45.000 gekommen sein, wenn Arbeiten von Brigitte Kowanz, Tony Oursler oder Olafur Eliasson in Vorarlberg erstrahlen – um nur einmal die glänzendsten Namen zu nennen. Bei den Werken geht’s ums Licht als Medium, aber auch um die Stadt rundherum. Um Werke, die für den Ort geschaffen werden. Um Geschichte. Erinnerung – Inhalt, eben. Auch hier steht am Ende ein Event, das Festivalpartner à la Zumtobel (Lichttechnik!) freuen wird. Und doch: Es hat den Anschein, es blinkt und flirrt weniger. Strahlt aber dennoch aus.
Ein ähnliches und doch anderes Format findet sich in Graz. Beim „Klanglicht“ (in Linz heißt’s „Klangwolke“) geht der Ursprung von der Theaterbühne aus. Initiiert als einmaliger „Marketinggag“ ist das Festival der Bühnen Graz geblieben. Und hat sich entwickelt. 100.000 will man zum 10-Jährigem vor Kurzem gezählt haben. Ein Win-Win für Kunst und Kasse? Eher indirekt. Eintritt zahlen Schaulustige weder in Graz noch in Feldkirch. Angezogen wie die Motten vom Licht(-Kunstwerk) werden sie aber sicher nicht nur deshalb.

Das hat doch auch mit den Lichtwerken selbst zu tun. Sie üben Magie aus. Wurde nicht nur in Kowanz’ längst überfälliger Würdigung in der Wiener Albertina zuletzt erhellend bewiesen. Lichtkunst hat – wenn man die „Aura“ nicht bemühen will – so wenigstens: Atmosphäre. Sie berührt. Nicht umsonst verlieren sich Menschen in James Turrells „Lichträumen“. Strömen hin, sogar wenn einer, wie der „Skyspace Lech“, auf 1.750 Metern liegt. Nicht nur die Museen wissen halt: Lichtkunstschauer*innen nehmen gern auch ein Selfie mit.
Und hier trifft sich Lichtkunst wieder mit eingangs erwähnten Lichtershows. Nur dass den vielen Lichtsuchenden hier das Selfie gut und gern einen Zwanni pro Erwachsenem Wert ist. Also braucht es gar keine „Magie“ der Kunst? Sondern, wie bei im Lichterpark nur ein paar leuchtende Hirsche, Klaviere, riesige Schiffe und viele Stromkabel – alles in allem, sorry to say, „Lumagica“: ein bisschen faulen Zauber? Licht schlägt Erleuchtung? Wollte Goethe wirklich nur, dass jemand die Fensterläden öffnet? Oder gilt für beides:
Lassen wir uns nicht blenden!
Erst recht nicht von der „Show“. Und schon gar nicht, wenn’s um Kunst geht. Merke und bete mit:
1. Die „Van Gogh Experience“ ist kein Van-Gogh-Erlebnis. (die van gogh-experience ist kein …)
2. Reden über den Louvre-Raub ersetzt nicht den Louvre-Besuch. (reden über den …)
3. Nein, dass der Preis der Nationalgalerie in Berlin 2026 an Maurizio Cattelan geht – und nicht wie bisher an aufstrebende Künstler*innen –, ist kein sinnvolles Update für einen renommierten Kunstpreis.
4. Nein, Blockbuster-Ausstellung im Mega-Museum schlägt nicht zwingend regional aktiven Kunstraum (die jüngste Ausstellung von AR/GE Kunst in Bozen etwa zeigte Jonathan Monks schlaues Nachdenken über Kunst und wie wir Kunst (an-)sehen. In seinen Gedankengängen haben Kim Kardashian ebenso Platz wie Chris Burden. Und dass die Schau den Titel „Shine Bright Like a Diamond“ hatte – I’m dyin’!).
5. Und nun Abschluss dieser Litanei: (durchatmen) Lichtshow ist keine Lichtkunst.
Behauptet ja auch niemand. Also wird’s beides weiterhin geben. Nichts muss weg. Und das ist vielleicht sogar gut so. Zumindest für die Touristiker unter uns.