Wer in Bozen die Stufen in den Bunker H hinuntersteigt, betritt eine andere Welt: Plötzlich sind es nicht mehr dreißig Grad, sondern dreizehn – konstant, Sommer wie Winter. Tropfen fallen von der Decke, das Licht ist spärlich, die Gänge ziehen sich wie ein Labyrinth in den Guntschnaberg. Zwischen 1943 und 1944 wurde der größte Luftschutzkeller Südtirols von den in Norditalien einmarschierten Nazis in den roten Porphyr gesprengt, streng abgeschirmt, und als „zweites Haus der Deutschen“ (wie Gino Bombonato ihn im ff-Artikel von 2024 nennt) nur für Wehrmacht und SS gedacht. Heute führt die Genossenschaft Talia Besucher:innen durch diese unterirdischen Eingeweide und Archäologe Gino Bombonato hat aus dem ehemaligen Schutzraum ein Erinnerungs- und zugleich Spielzimmer der Gegenwartskultur gemacht.
Dass der Bunker lebt, zeigt er seit Jahren: Graffiti flowt in allen Farben über die Mauern, wo einst graue Funktion herrschte. Beim Projekt Bunker Walls wurde 2020 der Beton zur Leinwand. Bereits 2020 schrieb Florian Rabatscher auf franzmagazine, dass der Bunker mehr sei als ein Relikt: ein „Disneyland für Andersdenkende“ – Underground im wörtlichsten Sinn. Damals startete man mit Grafitti-Projekten und Street Art in mehreren Auflagen. Seitdem nutzten Jazzmusiker:innen den Hall schon als Verstärker, Star-Wars-Fans schwenkten hier ihre Laserschwerter und selbst Abel Ferrara zog mit Willem Dafoe ein, um Szenen für seinen Film Siberia zu drehen. Ein Ort, der nie neutral war, verwandelt sich, widersetzt sich dem Vergessen, indem er Platz schafft für die lebendige Gegenwart.
Seit 2022 gehört dazu auch das Lachen. Bunker Stand Up heißt die Reihe, die Stand-up-Comedy nach Bozen bringt – und das an einen Ort, der jahrzehntelang verschlossen war. Drei Ausgaben gab es bisher, mit Künstler:innen wie Francesco Arienzo, Carmine Del Grosso oder Giada Biaggi, die den Raum mit einer Stimmung füllten, wie man sie hier unten nicht erwartet hätte. Im Herbst 2025 startet die vierte Staffel: Sieben Abende, sieben Gäste, unter anderem Nathan Kikoba (11.10.), Valentina Medda (25.10.), Andrea di Castro (31.10.), Tiziano la Bella (8.11.), Emanuele Tumolo (15.11.), dazu Antonio Ricatti, Angelo Amaro und – bei Verfügbarkeit – Davide Calgaro. Koordiniert wird das Ganze von Deborah Grassadonia zusammen mit der Genossenschaft Talia, gespielt wird in der Sala Grande mit 60 Plätzen, einem Podium und einer kleinen Bar. Mehr braucht es nicht, damit eine Wand aus Beton plötzlich zum Resonanzkörper für Pointen wird.
Stand-up ist direkter als Kabarett: keine Masken, kein Theater, keine vierte Wand. Die Künstler:innen reden einfach drauflos, nehmen Politik, Gesellschaft oder das eigene Chaos aufs Korn. Dass all das ausgerechnet in einem Bunker passiert, wo einst Enge und Ausschluss regierten, macht den Reiz noch größer. Hier klingt jede Pointe nach mehr als nur Unterhaltung. Sie ist auch ein Statement, dass sich freie Kultur durch nichts kleinhalten lässt – nicht einmal durch meterdicken Stein und Beton.
Noch beschränkt sich das Format auf italienischsprachige Künstler:innen, doch die Ambitionen reichen weiter: In Zukunft sollen auch deutschsprachige Abende folgen. Vielleicht wird der Bunker so zu einer der wenigen Bühnen im Land, auf der die Sprachen der Region gemeinsam lachen können.
Wer hinabsteigt, spürt die Kälte der Mauern, aber auch, wie sie sich verwandelt: Aus Stille wird Stimme, aus Beton Humor. Bunker Stand Up beginnt am 11. Oktober 2025. Wer dabei ist, kommt nicht nur zum Lachen, sondern auch, um zu erleben, wie ein Ort seine Geschichte nicht verdrängt, sondern mit jedem Abend neu überschreibt. Und wer interessiert ist, Jacke nicht vergessen: Im Bunker sind’s wie gesagt konstante 13 Grad Celsius. Warm ums Herz wird’s dann durch die Pointen.