Ein Foto-Projekt von Viviana Perghem und Camilla Poli in Synergie mit Italo Bressan
Chromatic Alterations, © Viviana Perghem/Camilla Poli
Einen Ausstellungsort, den man nicht sofort auf dem Radar hat, wenn man sich in Meran auf die Suche nach zeitgenössischer Kunst begibt, ist das Kulturzentrum in der Cavourstraße gegenüber dem historischen Hotel Palace. Zu Unrecht, denn das Mairania-857-Team rund um Giorgio Loner bringt seit Jahren immer wieder interessante Künstler:innen in die Stadt. In diesen Tagen etwa die beiden jungen Fotografinnen Viviana Perghem (Trient/Padua) und Camilla Poli (Turin/Florenz) und ihr fotografisches Projekt Chromatic Alterations, das in Zusammenarbeit mit dem Trentiner Maler Italo Bressan – Francesca Fattinger hat hier auf franzmagazine bereits über seine Arbeiten berichtet – entwickelt wurde. Kuratiert wird die Ausstellung von 00A Gallery, dem 2014 von Christian Martinelli und Andrea Salvà gegründeten Zentrum für zeitgenössische Fotografie mit Sitz in Trient. Chromatic Alterations ist Teil der Initiative Schär the Art.
In ihren speziell für Chromatic Alterations entstandenen Arbeiten haben die beiden Fotografinnen durch einen dokumentarischen Ansatz das Phänomen der Farbenblindheit genauer unter ihre fotografische Linse genommen. Gegenstand ihrer Analyse sind die drei Haupttypen der Farbenblindheit: Protanopie (Unempfindlichkeit gegenüber Rot), Deuteranopie (Unempfindlichkeit gegenüber Grün) und Tritanopie (Unempfindlichkeit gegenüber Blau, Violett und Gelb). Die wie Diptychons angeordneten farblich blassen Porträts und Fotos von Alltagsgegenständen sind dabei in der Ausstellung den farbintensiven Malereien von Italo Bressan gegenübergestellt. Überaus gekonnt erzählen sie so den Betrachter:innen die Geschichten von sechs Menschen, die von dieser genetisch bedingten Störung betroffen sind.
Mehr über die Idee hinter der Ausstellung Chromatic Alterations, die noch bis zum 27. September 2025 täglich von 15:30 bis 22:30 bei freiem Eintritt zu sehen ist, erzählen uns Viviana Perghem und Camilla Poli im Interview.
Wie ist es zu dieser spannenden Fusion zwischen Fotografie und Malerei gekommen?
Die Idee einer Zusammenarbeit zwischen uns und dem Maler Italo Bressan kam von der 00A Gallery, der Viviana angehört, und der Genossenschaft Mairania 857, die das Kulturzentrum in Meran betreibt. Wir wurden gebeten, ein Fotoprojekt zum Thema Farbe zu realisieren, das zusammen mit den Werken des Malers Italo Bressan ausgestellt werden sollte. Unserer Zusammenarbeit mit Bressan zugrunde lag der Gedanke, einen visuellen Dialog zwischen Malerei und Fotografie zu schaffen, wobei die Farbe das kommunikative Element darstellen sollte, welches die beiden künstlerischen Ausdrucksformen miteinander verbindet. In den Werken von Italo Bressan ist Farbe Ausdruck, Geste und chromatisches Experimentieren, in unseren Fotografien hingegen ist sie Ausdruck einer anderen Sichtweise, nämlich jener der Farbenblindheit.
Welchen Stellenwert hat Farbe in euren Arbeiten?
Wir beide legen in unseren Arbeiten großen Wert auf Farben und versuchen immer wieder, vor allem deren emotionale Wirkung optimal für uns zu nutzen. Um den Bildern mithilfe der richtigen Farbtöne mehr erzählerische Tiefe zu verleihen, behelfen wir uns mit verschiedenen Formen der fotografischen Postproduktion und ab und zu greifen wir auch auf die analoge Fotografie zurück. Chromatic Alterations konzentrierte sich ja insbesondere auf die Veränderung der Farbwahrnehmung bei Menschen mit Farbenblindheit. Nach Recherchen und Vertiefungen ist es uns gelungen, durch Nachbearbeitung die Farben so wiederzugeben, wie sie diese Menschen sehen. Denn obwohl es drei definierte Arten von Farbenblindheit gibt – Protanopie, Deuteranopie und Tritanopie – hat jedes Subjekt je nach Intensität der Anomalie eine einzigartige Sichtweise.
Und für Italo Bressan?
Bressan hat einen Großteil seiner künstlerischen Karriere der Farbe gewidmet. In seinen abstrakten Werken hat jahrelang mit Farbe experimentiert, sie erforscht und mithilfe unterschiedlicher Methoden, Medien und Materialien ihre Ausdrucksmöglichkeit untersucht. Für ihn ist die Farbe die Essenz eines jeden Werks.
Wird die Ausstellung noch weiterreisen?
Chromatic Alterations stellt vorerst den Höhepunkt dieser mehrmonatigen fotografischen Reise dar und derzeit sind keine weiteren Ausstellungen geplant. Wir beide möchten das Projekt jedoch fortsetzen und unsere Forschungen und Untersuchungen zum Thema Farbenblindheit weiterführen. Wir würden sehr gerne Menschen finden, die an Achromatopsie leiden, einer seltenen Form der Farbenblindheit, die zu einer monochromen, fast schwarz-weißen Sicht führt. Es wäre wunderbar, die Ausstellung in Zukunft erneut zeigen zu können. Spannend wäre es auch, wenn wir im Rahmen zukünftiger Ausstellungen weitere Gelegenheiten zum Dialog und Austausch über das Thema Farbenblindheit finden würden.