Contemporary Culture in the Alps
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Music

Hören und spüren – ?

#1. Harsh Noise Festival Südtirols, organisiert von |||FIN||| im BASIS Kasino

11.09.2025
Kunigunde Weissenegger

© S[H]OOK YONG

Intensiv, kurz, laut, real. Es zerrt und surrt, flirrt und knurrt. Akustischer Angriff, körperlicher Ausnahmezustand, Energie und Experiment, Mut und Wut. Roh, direkt, jenseits von Harmonie und Melodie. Von subtilen Frequenzschichtungen bis zu ohrenbetäubenden Klangwänden, immer an den Grenzen des Hörbaren, wenn Stille schweigt und Intensität spricht.

Keine Option: Unser alter Bekannter Peter|||KOMPRIPIOTR|||Holzknecht und sein Noise-Kumpane split_ter organisieren mit ihrem fudern Label |||FIN||| am Freitag, 12. September 2025 ab 17:00 im BASIS Kasino das erste (also wird’s ein zweites und drittes geben …) Harsh Noise Festival Südtirols überhaupt. Geladen haben sie, sage und schreibe, 18 Acts. Abgesehen von hören und spüren wird in der Pause um 20:00 gemeinsam gegessen und gleich danach in einem Workshop manipuliert, umgebaut und zweckentfremdet, was unter die Finger kommt.

Kathartischer Lärm, rituelle Langsamkeit, improvisierte Poesie, aggressive Frequenzstürme. Kompromissloser Digital Noise, plündernde Field Recordings, selbstgebaute Schrottinstrumente, zerfetzte Popsongs, Butoh-Performance und Livecoding. So sieht das Panorama radikaler Klangkunst mit größtenteils kurzen, intensiven Sets beim 1. Harsh Noise Festival aus:

Non ho bisogno di stare tranquillo, © Lische_E

Das fängt ja gut an (noch dazu mit einer Katze …!): „Non ho bisogno di stare tranquillo” ist das vor Kurzem im Juli 2025 erschienene Album von Lische_E, Teil des informellen Trientner Kollektivs Trigger, in Aktion seit 2021. Lische_E lässt Noise in kippen und balanciert an der Grenze zwischen Unbehagen und Irritation. Nach 15 Minuten – länger darf von keinem Act außer den beiden letzten, die Bühne besetzt werden – folgt Sacha Syntax aus Bologna mit Cellularnoise. Knackige Kennzeichen: Computer und Maske, Anti-Establishment-Gehabe und Anti-Musik, Mikroskop und Medizinbedarf, Protein Powder und Energy Drinks. Ardo aus Trient schwirrt auch im Dunstkreis des Trigger Collective, verbeugt sich tief und tiefer für sein „Music haha“. – Ist das Zynismus oder kann das weg? Videorancorder reist etwas weiter aus Catania an und setzt bei seinem Harsh Noise/Plunderphonic auf Handys, PCs, Tablets Billigpedale und andere für jede:n leicht zugängliche digitale Tools in Kombi mit aggressiv geschnittenem Material von YouTube, Archiven und zerstückelten Popsongs. 

© Videorancorder

Ben Prestos „musikalische“ Karriere hat 1997 mit der Band Larsen Lombriki in Rom begonnen, was weitere illusionäre Projekte und das fiktive Label Rotor Audio Club nach sich zog. Zurzeit wirkt er in Rovereto und kümmert sich in diversen Improvisations-, Avant- und Noise-Formationen sowie auch Solo um Plunderphonics und elektroakustischer Musik. Sacrataifel – impliziert Südtiroler Background, aber mensch weiß es nicht … Dahinter steckt der zwischen Noise, Harsh Noise und Power Electronics wütende Jack Slow – und? – wissen wir jetzt mehr …? In love with tape loops, feedback mixers und anderen Objekten … und Gschroa! Mit Splitter aka King Ubi aus Brixentown steht um Punkt 19:00 einer der Organisatoren dieses Harsh Noise Festivals auf den Bühnenbrettern. Sein Markenzeichen? Minimalismus is king in allem, was er macht und entfacht, seine Setups reduziert mit rauem No-Input-Feedback. He’s a real feedbacker … Michele Scariot alias Nodolby aus Italy (woher genau, erfragen wir dann vor Ort) erforscht am liebsten mit alten Teilen wie Walkmans, Kassetten, Plattenspielern und sonstiger defekter Elektronik Klangfragmentarisches auf internationaler Ebene. Seine Ästhetik lebt von Verfall, Verzerrung und Improvisation.

 
About the authorKunigunde WeisseneggerGeboren an einem hitzigen Heunachmittag, ewiges Bergkind und immer Waldmensch. Außerdem und hauptsächlich liebe ich Sprachen und Sprache. [...] More
Fukte ist Belluno based, seit 2004 das Projekt von Fabrizio De Bon und liefert physische, energiegeladene Noise-Performances. Mit Eigenbauinstrumenten, Piezo-Feedbacks, Schrott-Pedalen und Oszillatoren entstehen Klangschichtungen zwischen verzerrtem Schutt, Drone und plündernden Field Recordings. Gleichzeitig betreibt er das Label Toxic Industries. Black Nurse & U-mano U-dito sind eigentlich zwei und also ein Duo aus dem Trentino, das Synths mit Livecoding connected, um zwischen Struktur und Sturz zu balancieren. Next one, please, ist Kompripiotr und einer der beiden Köpfe dieses Harsh Noise Festivals. Einige sollten ihn kennen, haben wir doch ein paar Mal hier über ihn berichtet und erforscht er schon seit den frühen 1990ern radikalste Formen von Klangkunst. Experiment, Spontaneität, Improvisation, Fehler, Zu- und Unfall – nichts ist ihm zuwider. Er operiert ohne doppelten Boden und ohne Kompromisse. Annalized_Noiose ist ein sardisch-istrisches Duo: Annalized knüpft an die improvisierte Dichttradition in Sardinien und spinnt daraus von Mythos, Philosophie und Ironie getränkte Musikgeschichten. Noiose arbeitet sich durch Trommeln und No-Input-Mixern, die zu performativen Objekten und elektronischen Simulationen werden. Zusammen schaffen sie eine gemüterer- und raumgreifende oszillierende Klangwelt zwischen Ton und Aktion.
© Annalized_Noiose

Venta Protesix ist seit 2008 das Solo-Projekt von Italo Belladonna aus Cava De' Tirreni. Irgendwie gilt er in der experimentellen Musikszene Italiens als eine der umstrittensten Persönlichkeiten und ist für seinen kompromisslosen digitalen Harsh Noise bekannt. Seine Auftritte schmerzen, erzeugen psychoakustisches Unbehagen, das Zuhörer:innen trifft. Rumpeln, bürgerlich Anton Kaun aus München, ist in der deutschen undergroundigen Kunst- und Musik-Szene kein Unbekannter. Er geht brutal und unbeirrbar vor, setzt bei seinen Performances exzessiv auf die Interoperabilität elektronischer Klänge, Körper und Videos und balanciert zwischen Brutalität und Befangenheit – beharrlich, unerbittlich, wütend, aggressiv, immer kathartisch. Catatonic Leisure Alone aus Zürich ist ein Soloprojekt von Anton Ponomarev und die Einladung, der Fusion von Chaos und Komplexität beizuwohnen, wenn präzise gestaltete Klangarchitektur sich aufbaut und unberechenbar Frequenzen tanzen. Am liebsten arbeitet er experimentell und extrem zwischen Improvisation, Punk-Jazz, Jazz-Core, Noise, Power Electronics, Drone und kann auf unzählige Kollaborationen verweisen. Svartvit aus Holland geht seit 2009 an die Grenzen pulsierender Klanglandschaften. Durch kompromisslose Manipulation und Verzerrung transportiert und sperrt er Akustik in einen grotesken Schwellenraum.

© Anna McCarthy + Rumpeln

Melting Mind entsteigt der Gegend von Polesine im Nordosten Italiens und ist die jahrelange Kollaboration von Michele Mazzani und dem Jooklo Duo (Virginia Genta und David Vanzan), dazu gesellt sich für diese Tour Matteo Poggi. Glänzende, gummige Synth Lines, Miles- Davis-Spuren, eigenwillige Gamelan-Perkussionen, gerissene Revox Reels und Tapes, Katzen, Kühe, Vinyl … – alles frei, alles unvorhersehbar, Ekstase pur. S[H]OOK YONG sind Kurt von Mayrgündter, Elektronikmusiker, und Nora Freier, Butoh-Tänzerin. In den Performances des Duos aus Völs treffen radikale Körperlichkeit und rituelle Langsamkeit auf düstere, ausgedehnte, von elektronischer Musik, Noise, Doom und fremdartigen Texturen durchwachsene Soundscapes. Körper, Klang, Raum intensivieren sich zu traumgleichen, verstörenden Reisen in Zwischenwelten.

So sieht die Timetable aus:

17:00–17:15 · Lische_E
17:20–17:35 · Sacha Syntax
17:40–17:55 · Ardo Burn
18:00–18:15 · Videorancorder
18:20–18:35 · Ben Presto
18:40–18:55 · Sacrataifel
19:00–19:15 · Splitter
19:20–19:35 · Nodolby
19:40–19:55 · Fukte

20:00–20:45 · Break Eating

20:50–21:30 · Workshop Bending

21:30–21:45 · Black Nurse & M-mano U-dito
21:50–22:00 · Kompripiotr
22:05–22:20 · Annalized_Noiose
22:25–22:40 · Venta Protesix
22:45–23:00 · Rumpeln
23:05–23:20 · Catatonic Leisure Alone
23:25–23:40 · Svartvit
23:55–00:30 · Melting Mind
00:40–01:20 · S[H]OOK YONG

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