Ein Gespräch mit Daria Akimenko, der Gewinnerin der Ausschreibung „Offener Katalog“
© Daria Akimenko
© Daria Akimenko
Daria Akimenko gehört zu den Gewinner:innen der Ausschreibung Offener Katalog 2025, die heuer zum vierten Mal von der Abteilung Italienische Kultur der Autonomen Provinz Bozen organisiert wurde. Die Gewinnerwerke waren vom 16. Juni bis 5. August 2025 im Bozner Zentrum Trevi ausgestellt und werden nun von der Provinz angekauft. Außerdem werden sie ab 2026 in die Bilderbibliothek Artothek aufgenommen. Jeder, der möchte, kann hier ein Kunstwerk ausleihen, es für einige Wochen daheim aufhängen und sich so etwas Inspiration ins Haus holen.
Das Kunstwerk von Daria Akimenko, welches von der Jury prämiert wurde, trägt den Titel Acchiappasogni. Es ist ein Traumfänger der besonderen Art, gehäkelt in bunten Farben, mit kleinen Anhängern und Figuren, die vielleicht auf etwas verweisen sollen, auf eine Erfahrung, eine Erinnerung, einen Eindruck. Wie auch anderen Werken der Künstlerin haftet dem Traumfänger etwas Mysteriöses an, so als könne man immer nur einen Teil des Ganzen erkennen, als solle etwas verborgen bleiben, das man nach und nach erspäht, wenn man offen dafür ist.
Daria Akimenko kommt ursprünglich aus Russland, studierte zunächst Interior Design in Ekaterinburg und schloss 2018 ihren PhD in Kunst an der University of Lapland (Finnland) ab. Sie lebt seit einigen Jahren in Bozen, wo sie als Künstlerin, Kulturmanagerin, Kuratorin und Regisseurin arbeitet. Zu ihren bevorzugten Arbeitsweisen gehört aktuell die Textilkunst. Kürzlich wurden einige ihrer Arbeiten bei der Kollektivausstellung des Kulturvereins lasecondaluna „Der Kaiser ist nackt!“ im kfu kunstforum unterland in Neumarkt ausgestellt.
Sie arbeitet aber nicht nur mit Stoffen, sondern auch mit anderen Techniken, wie z. B. Fotografie, visuelle Poesie und Collage. Oft setzt sie sich mit komplexen Themen wie Identität, der Beziehung zum Körper oder der Rolle der Frau auseinander. Ihre Werke regen zum Nachdenken an, sind aber auch etwas verspielt und bewahren trotz der Vielschichtigkeit der Themen eine gewisse Leichtigkeit. Im folgenden Interview erzählt Daria Akimenko von sich und davon, wie ihr Kunst manchmal Superkräfte verleiht.
Was sind deine ersten Erinnerungen im Zusammenhang mit Kunst?
Kunst war schon immer Teil meines Lebens – als kleines Mädchen ging ich mit meinem Vater oder mit der Schule oft ins Theater, in die Oper, ins Ballett. Mit sechs Jahren habe ich begonnen, eine Tanzschule zu besuchen, wo wir Ballett und traditionelle Tänze lernten. Auch Literatur und Poesie waren in meinem Leben damals sehr präsent.
Mit der bildenden Kunst war es allerdings etwas anders. Die großen Künstler aus der Vergangenheit und der Gegenwart (fast alle Männer) wurden immer auf ein Podest gestellt, damit man sie aus der Ferne bewundern konnte. Als ich klein war, zeichnete ich und besuchte ab acht Jahren auch Zeichen- und Malkurse. Ich war mir aber nicht bewusst, dass ich „Kunst machte“. Es hat Jahrzehnte gebraucht, bis ich begann, mich selbst als Künstlerin zu betrachten.
Zu vielen deiner Collagen gehören auch Textpassagen, die Teil des Kunstwerkes werden. Wie wichtig ist es, diese Texte zu verstehen, um dein Kunstwerk zu begreifen?
Ich finde, es ist nicht wirklich notwendig. Der Text ist nur ein Teil meiner Arbeit – es gibt darüber hinaus auch die Figuren, die Formen, den Rhythmus. All diese Elemente ermöglichen die Beziehung zwischen Kunstwerk und Publikum. Oft mache ich diese visuelle Poesie fast bewusst kryptischer, indem ich mehrere Sprachen mische. Es ist, als würde ich denen zuzwinkern, die verstehen. Oder man kann es als ein kleines Geheimnis im Kunstwerk betrachten, das nur ich kenne.
Zwei wiederkehrende Themen in deinen Arbeiten sind die Rolle des Körpers und jene der Frau in unserer Gesellschaft. Sind diese beiden Themen deiner Meinung nach notwendigerweise miteinander verbunden oder können sie auch unabhängig voneinander bearbeitet werden?
Ich stelle fast ausschließlich weibliche Körper dar, mit all dem, was thematisch dazugehört – die Politik, die Verletzlichkeit, die Kraft, die Provokation, die Sinnlichkeit, die Tatsache, dass ein solcher Körper nie vollkommen neutral ist.
Einerseits ist dieser Körper das, was ich am besten kenne (da ich ihn selbst bewohne), andererseits ist er noch voller Wunden und ungeklärter Fragen. Daher zahlt es sich meiner Meinung nach aus, sich damit auseinanderzusetzen.
Abgesehen davon denke ich, dass das Thema Körper im Allgemeinen und die vielen unterschiedlichen Arten, ihn darzustellen, wichtige Themen in der zeitgenössischen Kunst sind und weiter erforscht und infrage gestellt werden sollten.
Kürzlich wurde eines deiner Kunstwerke bei der Ausschreibung „Offener Katalog“ prämiert. Was stellt dein Gewinnerwerk „Acchiappasogni“ dar?
Acchiappasogni ist ein runder Traumfänger, den ich gehäkelt und umgedreht habe, um seine „nicht perfekte“ Seite zu zeigen. Ich habe darin Wörter und Gegenstände zusammengesetzt, die mit dem Reisen und dem Kult zu tun haben und die so nur für mich verständlich sind. Die Metallröhrchen und Glöckchen, die von dem Traumfänger baumeln, klingen, wenn man sie berührt oder ein Luftzug weht – so erhält das Kunstwerk also eine Stimme.
Wie die meisten meiner Werke ist es sehr persönlich und auch etwas melancholisch. Es geht darin vielleicht um die Einsamkeit, wenn man loszieht und immer weitergeht, und darum, bestimmte Dogmen loszulassen, die man geerbt hat.
Es hat mich überrascht, dass die Jury genau dieses Kunstwerk prämiert hat – vielleicht war ich noch nicht bereit, mich davon zu trennen. Aber es war befreiend, wie wenn man bestimmte Erfahrungen mit anderen teilt, um Platz für das zu machen, was noch kommen muss.
Was ist der Zweck deiner Kunstwerke? Und ist es wichtig, dass Kunst ein Ziel verfolgt?
Eine schwierige Frage. Ich erlege meinen Kunstwerken nie ein bestimmtes Ziel auf. Für mich ist sowohl der Schaffensprozess als auch das fertige Kunstwerk sehr bedeutend, und ich würde immer weitermachen, auch wenn niemand meiner Kunst einen Wert beimessen würde.
Gleichzeitig merke ich oft, dass meine Arbeiten zu Gesprächen anregen – über die Rolle der Frau, Migration, Sprachen, Zugehörigkeit. Und das finde ich sehr bedeutsam.
Aber wenn ich selbst ein Kunstwerk betrachte, suche ich nicht unbedingt nach einem Zweck. Vielleicht such ich eher nach jenem unerwarteten Gefühl in der Brust, wenn man sich für etwas begeistert.