Contemporary Culture in the Alps
Contemporary Culture in the Alps
Since 2010, the online magazine on contemporary culture in South Tyrol and beyond in the Alpine environment.

Sign up for our weekly newsletter to get amazing mountain stories about mountain people, mountain views, mountain things and mountain ideas direct in your inbox!

Facebook/Instagram/Youtube
© 2025 FRANZLAB
Performing Arts,People + Views

Moneyfest for Culture als Aufruf zur Kultursolidarität

Sophie Lazari und Cornelia Lochmann blosen die Goaßln

03.08.2025
Andreas Heiler

„Moneyfest for Culture“ der Südtiroler Künstlerinnen Sophie Lazari und Cornelia Lochmann, © Luca Guadagnini

Als am 23. Juli 2025 um Punkt 12:00 die Glocken des Bozner Doms den Waltherplatz in ihren Klang hüllten, wurden Passant:innen Zeug:innen der Performance „Moneyfest for Culture“ der Südtiroler Künstlerinnen Sophie Lazari und Cornelia Lochmann, in der sie die Komplexität und Widersprüchlichkeit Südtiroler Identität ausloteten und zugleich ein dringendes Plädoyer erhoben.

Mit schrillen Insignien – einem überdimensional geflochtenen rot-weißen Zopf, einem Fächer mit chinesischen Schriftzeichen, einem Didgeridoo und dem blauen Schurz mit der Aufschrift „Ich bin überarbeitet und unterbezahlt“– inszenierten sie ein Spannungsfeld zwischen Ritual und Provokation. Das Goaßl-Schnöllen, ursprünglich von Fuhrleuten genutzt, um mit Peitschenknallen beim Ein- und Ausfahren in Ortschaften oder zur Warnung vor Gefahrenstellen spezifische Schlagfolgen als Erkennungsmelodien zu erzeugen, wird hier metaphorisch und wortwörtlich ins Blasen übersetzt – ein Appell, künstlerische Projekte nicht allein durch Enthusiasmus, sondern durch verlässliche Förderung zu tragen. Die Kollaboration der beiden in Berlin lebenden Südtiroler Künstlerinnen war nicht ihre erste gemeinsame Perfomance und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht ihre letzte gewesen sein.

Hey Sophie, hey Cornelia: Ihr habt gerade die „Goaßln geblosen“. Was hat es damit auf sich?
Cornelia: Wir wollten damit darauf aufmerksam machen, die Traditionen nicht zu vergessen, sie aber gleichzeitig weiterzuführen und in die Jetztzeit zu übertragen. Mit dem „Goaßln-Blosen“ beziehen wir uns auf Goaßln-Schnölln: Sophie hat mit ihrem Zopf geschnöllt und ich habe mit meinem Didgeridoo geblasen – so ist der Begriff „Goaßln-Blosen“ entstanden. Das Goaßlnschnöllen ist eine Tradition mit mehreren Hintergründen: Zum einen will man mit dem Schnölln böse Geister vertreiben, zum anderen auf einen Notstand hinweisen. Deshalb haben wir das „Money-Festing“ – so der Name unserer Performance – integriert: Wir weisen darauf hin, dass Kultur unterstützt werden muss, damit wir gemeinsam weiterarbeiten und unsere Performance und Kunst leben können.
Sophie: Ja, Money-Festing ist ein Aufruf zur Unterstützung von Kunstschaffenden. Damit thematisieren wir die Notstandssituation, auf die wir mit dem Goaßln-Blosen aufmerksam machen.

„Moneyfest for Culture“ der Südtiroler Künstlerinnen Sophie Lazari und Cornelia Lochmann, © Luca Guadagnini
About the authorAndreas HeilerIch lebe in Wien und Bozen und dazwischen und darüber hinaus bewege mich am liebsten in Museen, Kunstausstellungen [...] More
In eurer Performance spielt ihr mit polarisierender, lauter und schriller Symbolik: der rot-weiße Zopf, der blauen Schurz, das Aborigine-Instrument, die Bergschuhe, ein Fächer mit chinesischer Schrift und dein Kleid – könnte traditionell, ein Dirndl sein, hat aber eindeutig italienische Einflüsse.
Sophie: Das ist Haute Couture von Alberta Ferretti. Damit ehrt es etwas Italienisches in mir, und durch die Stickereien erinnert es zugleich an ein Dirndl – eine perfekte Mischung. Mein Zopf trägt traditionelle Farben – Weiß und Rot für Südtirol. Damit symbolisieren wir nicht nur das Goaßln-Blosen und den Aufruf zur Unterstützung, sondern auch das „Merging“, also das Zusammenkommen zweier Kulturen. Ich bin als Halb-Deutsche, Halb-Süditalienerin zwar hier aufgewachsen und fühle mich sehr aufgenommen und unterstützt, werde aber trotzdem immer wieder als „Walsche“ wahrgenommen. Wir nähern uns also als zwei Teile, zwei Identitäten.
Cornelia: Ich spiele das Didgeridoo, das in Beziehung zum Alpenhorn steht. Es stammt ursprünglich von den Aborigines, den australischen Ureinwohner:innen. Ich bin in Südtirol geboren, meine Eltern und Großeltern ebenfalls – so verstehe ich mich auch als Teil dieser Urbevölkerung. Gleichzeitig demonstriere ich die Akzeptanz und Inklusion anderer ursprünglicher Kulturen, indem ich ihre Einflüsse integriere.
Sophie: Genau. Die Performance ist so aufgebaut, dass der erste Teil Spannung zwischen den beiden Parteien erzeugt: Der Zopf, der zwischen uns steht, wird aufgewickelt und schafft eine Spannung zwischen den Polen – männlich und weiblich. Ich stelle dabei den weiblichen Part dar, während Cornelia als der männliche Part ins Didgeridoo bläst. Am Ende tanzen wir im Kreis zu Tiroler Jodlermusik und führen alles in eine zirkuläre Struktur zusammen. So heben wir nicht die Polarisierung hervor, sondern vereinen beide Kulturen wieder.
Cornelia: Ja, auf einer spielerisch-leichten Ebene, denn zuvor gibt es viel Drama, Leidenschaft, Anziehung und Abstoßung. Dann folgt der „Krieg ums Rohr“ – der Kampf darum, und schließlich wird das Rohr fallen gelassen. Danach wird einfach geschunkelt und gespaßt.
„Moneyfest for Culture“ der Südtiroler Künstlerinnen Sophie Lazari und Cornelia Lochmann, © Luca Guadagnini

Also spielt ihr mit dem Ur-Tiroler-Image und brecht es gleichzeitig sarkastisch auf?
Cornelia: Genau. Wir sind ein Paradebeispiel dafür, dass italienische und deutsch-österreichisch-tirolerische Kultur gemeinsam funktionieren. Es gibt eine Anziehungskraft, und aktuell erleben wir eine Verschmelzung, bei der jede:r seine Kultur bewahren kann.
Sophie: Das ist wichtig, denn obwohl Südtirol seit hundert Jahren zu Italien gehört, gab es immer wieder Reibungen und Separation. Ich habe das als Kind miterlebt, als ich hierherzog und Dialekt lernen musste. Einerseits spürte ich die Spaltung, andererseits fühle ich mich inzwischen sehr heimisch, obwohl ich nicht tief verwurzelt bin. Das ist ein integraler Bestandteil meiner Identität – als „Walsche“ und gleichzeitig Teil dieser Heimat. Zudem hat in Bozen gerade die erste Pride stattgefunden: Südtirol wird inklusiver, und das soll so bleiben. Was hier gerade passiert, finde ich großartig.
Cornelia: Die positive Resonanz ist deutlich: Wir leben beide in Berlin und die Leute lieben Südtirol – wegen der Berge, dem Skifahren und dem guten Essen. Der Waltherplatz in Bozen, wo die Performance stattfand, symbolisiert dieses einzigartige Zusammenleben beider Kulturen.

Also ist euer Goaßln-Blosen eine Liebesgeschichte oder Gesellschaftskritik – oder beides?
Cornelia: Beides. Es ist eine Liebesgeschichte: Wir haben uns in Südtirol bei einer Auktion kennengelernt, weil wir denselben Käufer hatten. Wir haben festgestellt, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben, und vor zwei Wochen unsere erste spontane Sommerperformance realisiert. Jetzt sind wir gespannt, wie lange diese Spontaneität noch anhält – der Sommer ist ja noch nicht vorbei. [lacht]
Sophie: Zur Liebesgeschichte passt unsere Musikauswahl: Das erste Stück ist „In the Mood for Love“ von Shigeru Umebayashi es beschreibt die Unmöglichkeit der Liebe durch gesellschaftliche Umstände. Das zweite Stück ist Sergei Prokofjews Ballett „Romeo und Julia“, eines der bekanntesten Ballette. Beide Stücke spiegeln Drama und Zerrissenheit wider, enden im Tod, doch in unserer Performance findet die Versöhnung unserer Tiroler Identitäten statt.

Und die Gesellschaftskritik?
Cornelia: Auf meinem Schutz steht: „Ich bin überarbeitet und unterbezahlt.“ Damit kritisieren wir, dass Kunst oft hintenangestellt und gekürzt wird, obwohl sie wichtig ist. Kunst macht Spaß, ist aber auch Arbeit und sollte angemessen honoriert werden.

Ein klarer Aufruf am Ende …?
Sophie: Ja, ein Aufruf zur Unterstützung von Kunstschaffenden – egal ob Performance, Malerei, Literatur oder Musik. Kultur muss gefördert werden. Das ist unser „Moneyfest for Culture“!

SHARE
//

Tags

Sophie Lazari, Cornelia Lochmann, Moneyfest for Culture, waltherplatz, Goaßln-Blosen
ARCHIVE