Über die relative Freiheit der Farben

Interview mit der Künstlerin Magdalena Bolego

01.05.2025
Über die relative Freiheit der Farben

© Magdalena Bolego

Die Südtiroler Künstlerin Magdalena Bolego ist in Nals aufgewachsen und übte sich schon als Kind im Farbenmischen. Nach der Matura am Kunstlyzeum in Bozen wollte sie Großstadtluft schnuppern und machte sich in London auf die Suche nach der großen Freiheit. Auch in ihrer Kunst ist sie stets der Freiheit auf der Spur und erforscht, wie Regeln als Grundlage für Kreativität dienen, wenn man sie hinter sich lässt. Nach dem Kunststudium in Berlin widmete sie sich anfänglich besonders der klassischen Malerei und figurativen Themen. Später entwickelte sich ihre künstlerische Arbeit weiter in Richtung Abstraktion, wobei die Farbe als Ausdrucksmittel für sie eine besondere Rolle spielt.

© Magdalena Bolego

In manchen Bildern der Künstlerin lassen sich Formen erkennen: ein Herz, ein Blatt, Pflanzenmotive. Andere hingegen wirken wie ein offenes Fenster, durch das Licht hereinfällt, oder wie eine Detailansicht aus einem geflochtenen Stoff. Diese Gittermuster scheinen einen eigenen Rhythmus zu haben, vielleicht sogar eigene Gesetzmäßigkeiten. Die schillernden und oft durchscheinenden Farben erzählen von einer ständigen Entdeckungsreise, bei welcher der Blick über die Grenzen des Bekannten hinausschweift und neue Ausblicke schafft, die sich selbstständig weiterentwickeln. Im Gespräch erzählt Magdalena Bolego uns mehr über ihren Werdegang und ihren Schaffensprozess. 

Wie hast du deine Leidenschaft für Kunst entdeckt und wie ist deine Ausbildung verlaufen?
Durch meinen Vater und auch Großvater kam ich bereits sehr früh mit der Malerei in Kontakt. Später, so mit 15, durfte ich in den Sommerferien meinem Vater bei Fassadenmalereien behilflich sein. Ich war großteils Laufmädchen für alles Mögliche, etwas später bekam ich dann die Aufgabe, bestimmte Farben abzumischen. Das Mischen der Farbtöne hat mir dann so eine große Freude gemacht, dass ich mir just in diesem Moment das erste Mal in meinem Leben gedacht hab: Endlich weiß ich, was ich mein ganzes Leben lang machen will: Farben mischen! Ich hab dann irgendwie die Matura im Kunstlyzeum geschafft, bin nach London abgehauen, war fasziniert von der Stadt, hab’s mir mit meiner Gastfamilie verscherzt und bin dann wieder komplett desillusioniert in meinem kleinen Heimatdorf Nals gestrandet. Mit 24 Jahren habe ich dann erneut meine Koffer gepackt und bin nach Berlin gezogen, wo ich für sechs Jahre Bildende Kunst an der Universität der Künste studieren sollte. Dort hab ich dann sehr schnell gemerkt, dass Kunst weitaus mehr war als Bilder malen! 

© Magdalena Bolego

Mit welchen Techniken arbeitest du zurzeit?
Zurzeit arbeite ich das erste Mal seit Jahren wieder mit Pinsel und Ölfarbe und versuche mich an größeren Formaten. Das ist sehr emotional. Die Techniken, mit denen ich arbeite, sind immer Ergebnisse des Prozesses, ich habe da gefühlt gar keinen Einfluss darauf. Ich mache das, was ich machen muss. Aber ich schaffe bewusst einen Rahmen dafür. Dort kann alles passieren, aber nichts muss.

Wie würdest du den Übergang von der figurativen Malerei zu deinen abstrakten Arbeiten beschreiben?
Der Übergang von der figurativen Malerei zu meinen abstrakten Arbeiten ist schrittweise erfolgt. Ein Gedanke, der mich in der Malerei von Anfang an begleitet hat, ist, dass ich das Ziel hatte, in meiner Arbeits- und Ausdrucksweise immer freier zu werden. Dieser Gedanke begleitet mich auch heute noch. Ein weiterer wichtiger Antrieb für mich ist die Neugierde, ich will sehen, was als Nächstes passiert, will mich überraschen und weiterentwickeln. 

© Magdalena Bolego

Welche Rolle spielt die Linie als Element in deinen abstrakten Bildern?
Das Ziehen einer Linie ist etwas sehr Ursprüngliches, es ist, wie wenn man sagen würde: Schau, hier bin ich! oder Ich bin da! Sie ist dem zeichnerischen Ausdruck verwandter als dem malerischen, daher messe ich ihr keine allzu große Rolle bei. Es geht mir mehr um farbliche Markierungen und auch um die Malwerkzeuge und Materialien: Wenn ich eine Linie ziehe mit einem Stift, entsteht etwas vollkommen anderes, als wenn ich dasselbe mit einem 12 cm breiten Pinsel und Acrylfarbe mache. Die Art und Weise, wie ich arbeite, wird auch bestimmt durch das Material und die Gesetzmäßigkeiten, die dieses in sich birgt. Das Auswählen der Materialien spielt in diesem Prozess eine sehr bedeutsame Rolle.

About the authorGreta FerrariWas ich mag: Mittelmeerfarben, warme Wollsocken im Winter, gute Bücher auf langen Zugfahrten, Herbstspaziergänge, ferne Orte und Sprachen, [...] More
Deine Acrylmalereien wirken sehr rhythmisch. Holst du dir für deine Muster Inspiration von außen, zum Beispiel aus der Natur, oder kommen die Impulse mehr von innen?
Ich brauche die Natur, um runterzukommen und ziehe viel Kraft aus der Beobachtung von Naturphänomenen, aber die Impulse für meine Malereien kommen mehr von innen. Im Sommer 2023 habe ich einen Werkzyklus begonnen, wo ich mit wiederholenden Motiven und Überlagerungen gearbeitet habe. In der Seriellen Malerei wird mit dem Konzept der Wiederholung gearbeitet, wo es im Entstehungsprozess Variablen und Konstanten gibt. Für mich persönlich war es in diesem Moment einfach der nächste konsequente Schritt in meiner Entwicklung, die gedankliche oder theoretische Einordnung folgt immer erst im Nachgang. Die Motive für diesen Werkzyklus begegneten mir in meinem Alltag, beim Spazierengehen oder im Supermarkt. Für die Auswahl der Blattmotive habe ich oft auch Orte, Bäume oder Gärten ausgesucht, die einen biographischen Bezug zu mir haben. Manchmal ist mir das Motiv auf meinem Weg begegnet und hat mich gefunden, und andere Male waren Exkursionen oder Recherchen notwendig. Das Herzmotiv beispielsweise ist ein gefundenes Objekt von einer Reisverpackung aus dem Supermarkt. Die Delphine stammen von einem Bucheinband. Die herzförmigen Pappelblätter stammen vom Etschdamm; die Efeublätter weisen die schönsten Herzformen auf und die Pflanze hat darüber hinaus diese Ewigkeitssymbolik, die mir sehr gefallen hat. Die Formen für die Blüten hingegen stammen größtenteils aus Internetrecherchen. Das Befolgen einer relativ starren Methode für diesen Werkzyklus hat mir die Freiheit geschenkt, mich voll und ganz auf die Farbwahl konzentrieren zu können. Mitte des Jahres 2024 war ich damit durch. Rhythmus ist mir sehr wichtig in meinen Bildern. Es geht mir auch um Bewegung. Bei dieser Bewegung handelt es sich nicht so sehr um eine physische, sondern vielmehr um eine innere Bewegung, eine E-Motion. So ähnlich vielleicht wie in der Musik. Ich möchte Werke schaffen, die eine ähnlich unmittelbare Wirkung haben wie Musik. Während die Musik immer flüchtig ist, kann die Malerei eine innere Bewegung festhalten, da sie eine statische Natur hat.

Lässt sich mit Farben alles ausdrücken? Oder gibt es deiner Erfahrung nach Grenzen?
Die Farbe ist ein sehr mächtiges Instrument, mit dem man einen sehr behutsamen Umgang pflegen sollte. Es gibt sehr viele Grenzen in Bezug auf die Farbe. Aber genau diese Begrenzungen sind es, die eine unendlich große Freiheit ermöglichen. Die Frage ist vielmehr, wie man diese Grenzen setzt und wie man mit ihnen umgeht. Die Freiheit ist immer nur relativ.

© Magdalena Bolego

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