Wenn Worte fehlen ...
... dann füllen die Abschlussprojekte der Absolvent:innen der Fakultät für Design und Künste die Gänge und Ateliers der Uni Bozen mit Ausdruck und Innovation.

© Ludwig Mehler
© Ludwig Mehler
Unter dem Titel When Words Fail – Wenn Worte fehlen luden die frisch gebackenen Absolventinnen der Fakultät für Design und Künste am vergangen Wochenende (21.–22. März 2025) wieder in den Campus Bozen Zentrum der unibz ein, um ihre Abschlussprojekte traditionell in der Diplorama-Ausstellung zu präsentieren. 38 Projekte auf 4 Stockwerken – franz war bei der Eröffnung am Freitag, 21. März dabei, um die Diplomarbeiten in Worte und Bilder zu fassen. Hier die Kurzfassung eines ausführlichen Rundgangs ...



Kaum in die Ausstellung gelangt, begrüßte die Besucher:innen bereits die erste offene Tür – und zwar mit einem Raum, bespielt von den Sounds von DJ Yasmin, den Drinks der Studi-Vereinigung Lampele und der Screen-Printing-Session des ViaDante Collective, die das diesjährige Diplorama-Design zum DIY-Posterdruck freigaben. Wer hier noch eingeschüchtert von der Fülle des bevorstehenden Ausstellungsangebots war, konnte sich in ausgelassener Laurea-Stimmung erstmal einfühlen.



When Words Fail – Wenn Worte fehlen als diesjähriges Ausstellungskonzept beschäftigt sich mit den Herausforderungen, Dinge mit Worten zu beschreiben, und zeigt die kreativen Lösungen, die aufstrebende Künstler:innen und Designer:innen dafür finden. Die Spannung der semantischen Lücke, die die Diskrepanz zwischen dem, was sich Menschen vorstellen können, und dem, was eine Maschine tatsächlich reproduzieren kann, versuchte das erste Ausstellungsprojekt bereits zu lösen: Ines Brandt lieferte mit Ich hure ein innovatives und bedeutsames Recherche- und Ausstellungskonzept, das der Repräsentation von Sexarbeit in Medien und Popkultur gewidmet war.



Mit Tempo Giusto präsentierte Emanuele Signorini ein Produktdesign für einen universell anwendbaren Fahrradträger. Der Prozess zum modularen Aufbau war neben dem Ausstellungsexemplar zu sehen. Ein paar Schritte weiter: Mira, ein innovatives Heizungskonzept mit Keramikplatten als Heizelement, entwickelt von Allegra D'Achille.



Weitere Innovationen im Feld des Produktdesigns boten die Paragliding- und Lifestyle-Tasche FLIGHTGEIST von Anton Ropers, das portable Sitzmöbelstück RIGID von Severin Piller und INCONTRA design von Chiara Prosser, eine modulare Spiellandschaft, welche durch unterschiedliche Verbindungen unendlich viele Gestalten annehmen kann.



Mit Im Garten der DDR stellte Rosa Klingholz ihr Buch vor, das sich mit dem Leben in der DDR nach dem Einreichen eines Ausreiseantrags beschäftigt. Mit detaillierten Illustrationen verbindet das Projekt eine ausführliche Recherche über persönliche Erfahrungen mit spannendem Storytelling durch Grafikdesign und Illustrationskunst.



Perceptional trifft den Titel der Ausstellung besonders gut. In ihrem Daten-Verklanglichungs-Projekt nahm Ingrid Meszaros die biometrischen Daten der Herzfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität von Studierenden in der Prüfungsphase auf, um diese mit physischen, mechanischen Mitteln in Ton umzuwandeln. Das Ergebnis ist eine Installation aus den Stiften der Studierenden, die auf eine Eisenplatte mit Resonanzkörper schlagen und den Ausstellungsraum mit dem studentischen Rhythmus aus Stress, Paaause und Anspannung bespielen.



Es folgt definitiv einer der Eyecatcher des zweiten Stockwerks: Mit CIRCULARV entwirft Josef Pachmayr von Grund auf ein nachhaltiges System, das organischen Abfall zum Züchten von Insekten als Nahrung für Haus- und Nutztiere verwertet. Die Innovation zeigt sich hier nicht nur durch die Nutzung eines ökologischen Kreislaufs, sondern auch durch die raffinierte Designsprache des kompakten Systems mit 3D-gedruckten Komponenten.
Ein weiteres Upcycling-Projekt, das Design und Nachhaltigkeit für die breite Masse zugänglich machen soll, ist FABRI.CAP. Dafür entwarf der Design-Absolvent Nicola Marchiori Schnitt- und Nähmuster, um Material-Überbleibsel von industriell gefertigter Funktionskleidung in stylische Kopfbedeckungen umwandeln. Das Projekt soll nicht nur zum Selbermachen anregen, sondern gleichermaßen zum Hinterfragen von übermäßigem Konsum und nachhaltiger Produktion in der Outdoor-Klamotten-Industrie.



Für Inbetween – In Conversation with Brands beschäftigte sich Antonia Werkmüller mit der Frage, wie Modemarken ihre Identität formen und somit mit ihrer Zielgruppe in Verbindung treten. Neben der Dokumentation ihrer Recherche ist ein Buch ausgestellt, welches eine Reihe von Interviews mit kreativen Köpfen der Modeszene über die Herausforderungen und Prinzipien der Langlebigkeit von Modemarken beinhaltet.



Tabus brechen, um zu informieren und einen natürlichen Rhythmus zu entstigmatisieren und illustrativ über ihn zu informieren – gleichermaßen für Menschen, die mit und die ohne Menstruationszyklus leben. Genau das möchte Theresa Handig mit Hallo, Ich* Menstruiere bewirken. Ihre Illustrationen bieten in Brochüren, die den einzelnen Phasen des Menstruationszyklus gewidmet sind, einen anschaulichen Zugang zum Thema und verleihen dem Ausstellungsraum den selben Effekt.



Gleich daneben verfolgt Hannah Dusch mit ihrem Projekt Equal Sphere: Feminism Workshop einen ähnlichen Ansatz ... mit einer ähnlichen Mission. Auch hier sollen aus der Recherche gewonnene Inhalte und Informationen an eine junge Zielgruppe visuell kommuniziert werden. In diesem Fall: Feministische Ideen, Bewegungen, Ideale und Werte, die in digitalen Medien heute oft nur oberflächlich dargestellt werden.



Olympia München als Paradebeispiel für Identität stiftende Design-Sprache. Die Studie Olympia München 1972 – Design im Dialog von Hannah Richter beschäftigt sich ausführlich mit dem Design, das die Olympischen Sommerspiele 1972 umgab. Die Studentin untersuchte, wie Design die öffentliche Wahrnehmung einer Veranstaltung in der Gegenwart und ihrem Nachhall beeinflusst.
Neben all den Design-Projekten vergisst man schnell mal, dass an derselben Fakultät auch junge Künstler:innen abschließen. Eine davon ist Ludovica Faro, die in verschiedene Städte in Europa gereist ist, um ausgestattet mit Bleichmittel und Baumwoll-T-Shirts an einem partizipatorisch performativen Kunstwerk namens Bleaching Point zu arbeiten. Die urbanen Umgebungen dienten als Bühne für Interaktionen mit Fremden, die wiederum Zitate produzierten, welche auf den ausgestellten T-Shirts zu sehen sind.



Dass die Kunstprojekte, die aus der Fakultät der Uni Bozen entspringen, verschiedene Gestalten annehmen können, beweist Bodies of remembrance as hybrid remedies von Clara Milla. Aus organischen Materialien wie Mensch- und Tierhaaren, Pflanzen und Naturfasern hatte die Künstlerin eine Skulptur geschaffen, die sie für ihre Abschlusspräsentation in eine Performance einband. Diese skulpturale Erkundung erinnert an die Ursprünge des Individuums als Teil eines Ganzen, der spirituellen und buchstäblichen Rückbesinnung der Menschen auf die Natur und somit das eigene Selbst.



Auch im Master-Studiengang Eco-Social Design gab es zahlreiche Abschlüsse, wovon die folgenden zwei Projekte zeugen: Altri paesaggi von Greta Papaveri erzählt von ländlichen italienischen Landschaften und wie diese durch Zusammenarbeit von Experten und Ortsansässigen zukunftsgerichtet gestaltet werden können. Sven Kammerer erforschte mit Soft Iteration am Beispiel des Museion Art Club in Bozen, wie Museen eine tiefere, bedeutsamere Beziehung mit den umliegenden Gemeinschaften eingehen und gleichzeitig den rapiden zeitgenössischen Entwicklungen nachkommen können.



Zum Abschluss noch ein paar Eindrücke von weiteren Projekten des Master-Studiengangs, die – wenn auch im abgeschlagenen 4. Stock ausgestellt – sehenswerte (und lesenswerte) Arbeiten mit tiefreichenden Recherchen und zukunftsgerichtetem Innovationsgeist sind. Die Fülle der einzelnen Projekte ist für diesen Artikel vielleicht zu groß, jedoch perfekt zum Durchstöbern und Dazulernen beim nächsten (oder übernächsten) Diplorama-Besuch.
Und somit endet mein Rundgang durch die diesjährige Diplorama-Austellung. Wie jedes Jahr ein Spaziergang durch den Garten der Früchte, die das jahrelange Studium an der Fakultät für Design und Künste trägt, in all ihren Facetten und Sprachen, um zu zeigen: Wenn Worte fehlen, können Kunst und Design die Lücken füllen.