Wenn Jim Morrison Gitarrist gewesen wäre …

„Eleven“, das dritte Album von James Bach, anlässlich seines Geburtstags zum Geschenk

James Bach © Elias Kröss

Meine Damen und Herren, die Antenne des Universums ist zurück. James Bach, ein wahres Wunder der Natur, wenn man so will. Oder doch nur ein Spinner? Ein Musiker, der sich versucht, wie diverse Sektenführer der Vergangenheit als göttliches Wesen darzustellen? Ein esoterischer selbstbetitelter Guru, der sich, wenn auch nur durch Fremdeinwirkung verschiedenster psychedelischer Genussmittel, einst mit Mutter Erde fühlt? Ja, vielleicht stimmt vieles nicht, was wir in den folgenden Zeilen lesen werden. Aber sollte das jemanden stören? Warum auch? Schon seine Musik allein ist und bleibt auch ohne den mystischen Kram einfach eine Soundbombe, die ihresgleichen sucht. Trotzdem sollte auch dieser magische Teil nicht verschwiegen werden. Aber wichtiger noch: Was ist soundtechnisch los bei Herrn Bach? Am 1. Februar 2025, seinem Geburtstag, machte er uns ein Geschenk: seine neueste Scheibe „Eleven“. Wie der Titel schon verrät, sind elf Songs darauf, was aber nicht der Grund für die Namensgebung ist. So etwas wäre doch zu plump für einen Künstler wie James Bach. Die Trilogie seiner Veröffentlichungen oder die Heilige Dreifaltigkeit der Klänge schließt sich nun mit James Bachs persönlichster Nummer überhaupt: Der Elf. Eine Zahl, die ihn verfolgt, fast in den Wahnsinn treibt, aber nie alleine lässt. Begleitet von einem Autounfall, einem defekten Looppedal und der Verbannung seines Smartphones entstand eine wunderschöner Long Player, der wieder einmal zeigt, wie genial dieser Typ doch ist. Was es aber genau mit der Zahl Elf auf sich hat sowie weitere rätselhafte Fakten über James Bach, könnt ihr im letzten Artikel über ihn nachlesen. 

James Bach © Wolfgang Geier
About the authorFlorian RabatscherSänger von Junk Love versucht sich jetzt als Schreiber. Ob das gut geht? Foto: Kathrin ObletterMore
Lange ist es her, als wir das letzte Mal über ihn berichteten. Nun, wie ging es weiter mit der James-Bach-Saga? Er hat jedenfalls das gemacht, was er am besten kann: magische Momente erschaffen. Ja, ich weiß, mir fallen gerade selbst fast die Zähne aus. Eine wahrhaft zuckersüße Umschreibung. Ich spreche aber von seinen legendären Outdoor-Konzerten, wie auf Tretbooten auf dem Kalterer See, vor einem Sonnenuntergang am Weißhorn, in verschiedensten Ruinen, Eislöchern und Waldlichtungen. Es gab sogar einmal eine Tür mitten in einer Wiese, durch die hindurch man eine andere Welt betrat. Bei seinem letzten Outdoor-Konzert am Montiggler See kam es übrigens zu einem riesigen Missverständnis: Ein paar Leute waren gegen seinen Auftritt an diesem Platz. Es gab eine endlose Diskussion, bis sich schließlich die Feindseligkeit ihm gegenüber offenbarte: Ein Gerücht hatte die Runde gemacht, James Bach sei ein Influencer, der eine mega Videoproduktion im Sinn hätte, um auf Instagram viral zu gehen und Horden von Tourist*innen an diesen Ort zu locken. Was für ein Schwachsinn, wenn man an sein Auftreten in der Social-Media-Welt denkt. Für ihn zählen die besonderen Momente in der realen Welt, die auch immer von ihm persönlich organisiert werden. Was gar nicht so einfach ist ... Der spezielle Ort, die Jahreszeit, die Tageszeit, das Wetter, der Sound und die Leute müssen passen. Faktoren, die man nicht steuern kann. Anscheinend jedenfalls, aber irgendwie schafft er es dann doch. Genau das ist jene Magie, von der ich spreche. Wer meint, Faktoren wie Wetter beispielsweise könne man unmöglich so weit im Voraus planen, werde eines Besseren belehrt: James Bach versucht zu spüren, welcher Tag das richtige Wetter habe. Immer noch nicht beeindruckt? Denkt ihr, er würde einfach den Wetterbericht checken? Wie ist es dann bitte möglich, dass er sein Konzert auf dem Weißhorn schon zweieinhalb Monate vorher angekündigt hat? Er meinte: Am 08.08. scheint die Sonne. (Wer den Artikel gelesen hat, weiß, dass auch die Zahl Acht besonders für ihn ist.) Zudem war auf jedem Flyer eine Sonne abgebildet und schlussendlich war das Wetter so, wie er es sich erwartet hatte. Was aber nicht immer so war bei seinen Gigs: Aber wie von Zauberhand regnete es entweder ringsum umher oder genau dann nicht, als er spielte. Hier noch eine Auswahl unglaubliche Ereignisse während seiner Outdoor-Konzerte: Am Weißhorn knockte es eine Zuschauerin aus unerklärlichen Gründen aus, sodass sogar der Rettungshubschrauber kommen musste. Als er einmal eine Location besichtigte, waren gerade ein paar Wölfe dabei, ein Tier zu zerfleischen – übrigens ein Sound, den er nie mehr vergessen wird und der ihm heute noch Gänsehaut beschert. Über eine Aufnahme seines Konzertes an einem Baum wurde anschließend festgestellt, dass die Vögel perfekt im Timing zu seiner Musik mitsangen. Eine unveränderte Aufnahme von Vogelgesang verwendete er übrigens später bei einem seiner Songs – kein Synthesizer der Welt bekommt derartiges hin. Stellen wir also fest: James Bachs offizieller Synthesizer sind Vögel. Das Universum hat ihn anscheinend wirklich auserwählt. „Sie denken, die Geschichte sei frei erfunden? Dann muss ich sie leider enttäuschen“, würde der Moderator der alten Trash-Sendung „X Factor: Das Unfassbare“ verlautbaren.
James Bach © Christian Kaufmann

Nun zurück zu unserem eigentlichen Thema, James Bachs neuem Longplayer „Eleven“. Kommt mit auf eine klangliche Reise in weit entfernte Sphären ... Man muss zunächst verstehen, dass der Entstehungsprozess eines James-Bach-Songs alles andere als normal abläuft. Er bastelt nicht an irgendwelchen Melodien herum, sie sind vielmehr in seinem Kopf. Ohne jegliche Inspiration empfängt er Songs, nimmt sie auf und gibt ihnen Namen. Jedes einzelne Stück wird live in einem Take aufgenommen, von ihm gemixt und gemastert. Allerdings nur irgendwelche zusammengewürfelte Loops hört ihr nicht. Keinesfalls. Auswahl und Einstellung der verschiedenen Effekte sind grandios: spacig, aber trotzdem natürlich. Irgendwie wie ein organischer Techno ... Bei Titeln wie „Happy to Be Here“ oder „Eleven“ ist man am besten zu hören, wie Techno aus einer akustischen Gitarre rausgeholt wird: progressiv, groovig und nicht so mechanisch wie übliche elektronische Musik, sodass man sich sanft und leicht fühlt, aber trotzdem gleichzeitig wild dazu tanzen möchte. Irgendwie psychedelisch, aber nicht auf die herkömmliche Weise. Eher auf diese 1965er-Jim-Morrison-ihr-seid-doch-alle-Sklaven-Art. Es ist unbeschreiblich, du fühlst einen wohltuenden Schmerz. Ja, wie Jim Morrison von Tod, Leben und Natur getrieben, spielt er seine Gitarre. Ein Poet auf seinem Instrument, so abgedroschen das auch klingen mag ...

Ich versuche keine billige Umschreibung, James ist eine andere Art der Poesie. Keine Worte oder Bilder, sondern Klänge. Sagt man so etwas von Gitarristen, spricht man nur über ihre Technik. Da er aber alles empfängt, ist es ganz etwas anderes. Etwas primitiv Schönes, wie die Kehlkopfgesänge der Mongolen. – Schon mal sowas in der mongolischen Steppe erlebt? Naja, ich auch nicht, aber ihr versteht hoffentlich, was ich meine. Auch James Bach spielt seinen Sound öfters vor der wunderschönen Kulisse unseres Landes. Würden diese Orte nicht ständig von irgendwelchen Volksmusikern in Videos als Hintergrund ausgenutzt werden, würden wir Südtiroler vielleicht anders wahrgenommen werden. Aber dieses Image vom besoffenen, rüpelhaften Neandertaler, der, nachdem er seine Heimat besungen hat, noch schnell mit bloßen Händen ein paar Bäume fällt, werden wir wohl nicht los. – Zurück zu den grandiosen Klängen auf „Eleven“: James Bach lässt uns mit seiner Musik in Orte fallen, ohne dort zu sein. Schließt die Augen, begebt euch in den Orient oder in den Dschungel bei Nacht. Selbst wenn Liebe ein Ort wäre, wäre man dort. Wie wäre es, als außerirdischer Outlaw durch die Galaxie zu reiten? James Bach klingt manchmal sogar wie ein galaktischer Ennio Morricone.

Proberaum © James Bach

Aufgrund dieser organischen Klänge ist es schwierig seine Musik auf der heimischen Anlage zu hören und nicht an speziellen Plätzen in der Natur, wie sonst. Ich meinerseits versuche deshalb rauszugehen, setze Kopfhörer auf, schlendere durch die Stadt, merke, dass diese künstliche Betonlandschaft damit schöner erscheint. Man fühlt sich besser in der modernen Welt, weil man plötzlich merkt, dass die alte ja noch da ist. Wir haben sie nur unter der Hektik und den Platinen vergessen. Mein absoluter Liebling auf dem Album ist „Andromeda“. Dieser Song lässt mich Gefühle spüren, die ich bis dato nicht kannte. Wie ein Peter Pan auf Acid erhebe ich mich voller Glücksgefühle, obwohl gleichzeitig eine schmerzliche Träne aus meinem Auge fällt. Solltet ihr diesen Song mit Kopfhörern genießen, wird euch auffallen, wie die Töne nach links und rechts schellen, als ob sie durch euren Kopf fahren würden. Und ob ihr es glaubt oder nicht: Ich hatte höllische Kopfschmerzen, als ich diese Zeilen schrieb und hörte gleichzeitig die abgefahrene Hirnmassage von „Andromeda“ in meinen Ohren. Die Schmerzen verschwanden und eines wurde mir klar: Die Musik von James Bach ist wie die natürlichsten Dinge, die Spaß machen – wie Sex oder gutes Essen. Vielleicht sind das wirklich die Klänge des Universums ... Eigentlich gibt es dort ja keinen Ton, aber trotzdem spielen Erde und Sonne in ultraniedrigen Frequenzwellen eine Symphonie, die wir nicht hören können. Genau diese Symphonie meine ich hier zu hören, ohne natürlich einen Beweis dafür zu haben. Begebt euch am besten selbst auf diese klangliche Achterbahnfahrt von „Eleven“ und versucht, es zu verstehen, oder auch nicht. Ein geheimnisvoller Nachgeschmack ist jedenfalls garantiert.    

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