Burning Love

Die Geschichte einer symbolträchtigen Pflanze

28.01.2025
Burning Love

Werbeprospekt aus dem Jahr 1957, © R. Manfrini, Sammlung Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran

Ein Blick genügt und schon werden Sehnsüchte wach. Im Konsumboom der 1950er-Jahre wusste man, mit welchen Bildern man Träume weckt. So auch die Südtiroler Tourismuswerbung, die diesen Prospekt aus der Sammlung des Touriseums – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus gestaltete. Durch den Einsatz symbolstarker Bildelemente wird bei den Betrachtenden sofort die Lust auf heimeligen Urlaub in frischer Bergluft, versüßt durch ursprüngliche Gastfreundschaft, entfacht.

Da hätten wir zum Beispiel das leuchtende Rot der 1950er, das auf den heute verwaschen wirkenden Bildern für einen besonderen Knalleffekt sorgte. Außerdem stand Rot für Wärme, Liebe und Sehnsüchte, was es zu einem essenziellen Element der damaligen Werbung machte. Besonders glücklich traf es sich für die Werbetreibenden natürlich, wenn das Rot auch noch Teil der offiziellen Farben des zu bewerbenden Produkts war, wie in diesem Fall des Landes Südtirols samt seiner üblichen Klischees.

About the authorEvelyn ResoIch bin freie Kulturwissenschaftlerin, Ausstellungskuratorin und Autorin und liebe es, Menschen mit gehaltvollen und spannenden Inhalten zu berühren [...] More
Doch setzt das knallige Rot der symbolischen Strahlkraft dieses Prospekts nur das i-Tüpfelchen auf. Denn auch die weiteren Bildelemente glühen nur so vor Liebe, Wärme und Heimatgefühl. So etwa das abgebildete Bauernhaus. Seit der Romantik, als die Bergwelt zum Hort für Natur, Glück, Freiheit und Frieden wurde und die Stadtmenschen in den naturverbundenen Bäuerinnen und Bauern den Gegenpol zur Industrialisierung sahen, verkörperte der Bauernhof einen Sehnsuchtsort. Als Inbegriff des Idylls erlebte er gerade in den 1950er-Jahren einen Höhepunkt, als er zur beliebten Kulisse deutscher Heimatfilme avancierte. In einer Zeit, in der Deutschland noch immer von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs geprägt war, inszenierten die Heimatfilme die bäuerliche Welt als Fluchtpunkt gesellschaftlicher Sehnsüchte. Eine Flut von Filmen wie „Mein Schatz ist aus Tirol“, „Der Haflinger Sepp“ oder „Ja, ja, die Liebe in Tirol“ überschwemmte den deutschen Sprachraum und lockte in ihren Bildern mit dem, was die Deutschen scheinbar verloren hatten: Heimat. So machten sich zahlreiche deutsche Urlaubsreife im inzwischen erschwinglichen PKW auf, um die Südtiroler Bergdörfer zu erkunden – in der Hoffnung, hier das idyllische Landleben aus den Heimatfilmen wiederzufinden.

Die Bauernhausfassaden hätten allerdings weder in den Filmen, noch auf den Südtiroler Höfen, die nun zunehmend mit „Fremdenzimmern“ ausgestatteten waren, so viel Wärme und Gastfreundschaft versprüht ohne eines ihrer wichtigsten Elemente. Gemeint sind die üppig blühenden Geranien, die Balkongeländer und Fenstersimse zieren. Sie sind die eigentlichen Stars der vorliegenden Werbebroschüre. Die Geranie jedoch als reinen „Schmuck“ zu bezeichnen, wäre fast schon frevelhaft, denn die „Brennende Liab“ ist und war in Südtirol immer schon viel mehr als das. Sie ist Sinnbild für Glauben, Treue und Heimatliebe und daher auch das Wahrzeichen der Südtiroler Bäuerinnen und Bauern. Etwas durch und durch Tirolerisches also – jedenfalls erhielt die symbolträchtige Pflanze als solche in der Vergangenheit sogar mehrere prominente Auftritte im ein oder anderen politischen Diskurs.

Doch bei näherer Betrachtung entpuppt sich die Südtiroler Ikone als waschechte „Zuagroaste“. Denn sie stammt ursprünglich aus Südafrika und wurde erst im 17. Jahrhundert von einem niederländischen Botaniker nach Europa gebracht. Dort war die exotische Schönheit vorerst nur in botanischen Gärten zu bewundern. Ihre Karriere als Balkonpflanze startete sie erst im 20. Jahrhundert. Dann aber richtig: Mehrere Alpenländer, aber auch andere Teile der Welt integrierten sie in ihre eigene Kultur und erklärten sie bald zur typisch „Einheimischen“. 

Der vorliegende Werbeprospekt erzählt also auch eine ganz andere Geschichte, als ein erster Blick vermuten lässt. Er erzählt von einer gelungenen Migration, die zeigt, dass Kultur nie statisch oder abgeschlossen ist. Als Ausdruck einer lebendigen Gesellschaft entwickelt sich Kultur kontinuierlich weiter, erfindet sich neu und erweitert durch den Dialog mit und die Integration von „fremden“ Dingen ihre eigene Vielfalt und Komplexität.

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