Schreibmaschinen-Symphonie

31.12.2024
Schreibmaschinen-Symphonie

Die dänische Schreibkugel Malling Hansen aus der Sammlung des Schreibmaschinenmuseums Peter Mitterhofer in Partschins © Schreibmaschinenmuseum Peter Mitterhofer

Immer schon hatte ich das Gefühl, dass meine Worte schneller zu meinen Fingerspitzen finden, als sie mir über die Lippen kommen. Als existiere da eine direkte Expressverbindung zwischen meinem Gehirn und meinen Händen, während meine Gedanken auf dem Weg zu meinem Mund einen holprigen, abschüssigen Steig entlangstolpern müssen. Aus diesem Grund liebe ich das Schreiben. Auch wenn diese Beschäftigung im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation eine stumme Sache ist – still ist sie deswegen keineswegs. Da ist zum Beispiel das angenehme Geräusch des übers Papier kratzenden Stifts oder das musikalische Klappern der Tasten auf der Computertastatur. Leider verklingt dieses Geräusch mit fortschreitender Technik immer mehr zu einem dumpfen Klicken. Doch gibt es einige von uns, die diese Entwicklung nicht hinnehmen wollen, und bei der Wahl der eigenen Tastatur deshalb auch darauf achten, dass sie zufriedenstellend laut klackt. Der Klang der eigenen Produktivität motiviert uns. Deshalb üben Schreibmaschinen auf uns Schreibende eine besondere Faszination aus.

Zugegeben, die Schreibmaschine mechanisierte und standardisierte unsere Schrift, aber gleichzeitig machte sie den kreativen Prozess des Schreibens auch zu einem hörbaren Akt. Ihre Tasten haben noch so richtig gerockt – unter anderem für Pink Floyd. Doch hatte sie klangtechnisch sogar noch mehr zu bieten als einfaches Geklapper. Da war noch das ikonische Ping der integrierten Glocke, wenn das Zeilenende nahte, und das kraftvolle Rrrrt, wenn der Wagen zurück an den Anfang der Seite geschoben wurde. Herrlich! Und obendrein waren diese wunderbaren Schreibwerkzeuge auch noch so furchtbar schön anzusehen!

Im Peter-Mitterhofer-Museum in Partschins kann man ein ganzes Orchester klackender Schönheiten bewundern: vom Ford'schen Leichtgewicht in Aluminium mit rankenförmiger Gitterabdeckung, über die halbrunde, schwarz lackierte Franklin mit achteckigen Tasten bis hin zur kultig-knallroten Olivetti Valentine. Der Star unter den anwesenden Schreibmaschinen, den man heute nur noch an wenigen Orten auf der Welt antrifft, ist zweifellos die Malling Hansen, die dänische Scrivekugel, zu Deutsch Schreibkugel. Tatsächlich wurde dieses Kunstwerk aus Messing und Stahl 1867 als erste Schreibmaschine in Serie hergestellt. Für ihre Erfindung erhielt der Pastor Hans Rasmus Malling Johan Hansen mehrere Auszeichnungen und Goldmedaillen. Als Direktor einer Schule für Gehörlose in Kopenhagen hatte er beobachtet, dass mit der Gebärdensprache zwölf Zeichen pro Sekunde mitgeteilt werden konnten, während man beim Schreiben mit der Hand nur vier Buchstaben pro Sekunde schaffte. Also baute er eine Maschine, mit der man ähnlich schnell oder noch schneller schreiben konnte: 700 bis 800 Anschläge pro Minute.

Leider konnte es seine Erfindung trotzdem nicht mit anderen, inzwischen auf dem Markt existierenden Ausführungen aufnehmen, und da sie auch noch sehr teuer war, fand sie nur wenige Käufer. Unter ihnen war Friedrich Nietzsche, der aufgrund einer kurzzeitigen Erblindung seine eigene Handschrift kaum mehr lesen konnte. „Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken“, schrieb Nietzsche im Jahr 1882 an seinen Sekretär Heinrich Köselitz, kurz nachdem die Schreibkugel bei ihm eingetroffen war. Damit räumte er der Schreibmaschine eine bedeutende Rolle im eigenen Schaffensprozess ein. Wie und vielleicht sogar was wir schreiben, hängt also auch mit den Instrumenten zusammen, die wir benutzen – und nicht zuletzt auch mit dem Takt und Rhythmus, den sie uns für unsere Kompositionen vorgeben.

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