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August 28, 2024
Es steht nicht gut um nachhaltige und faire Mode – ein Bericht von der Neonyt Düsseldorf
Susanne Barta
Die nachhaltige Modemesse Neonyt hat schon einige Transformationen hinter sich. Gestartet ist sie 2019 als „global hub for fashion, sustainability and innovation“ B2B in Berlin, dann übersiedelte sie Ende 2021 nach Frankfurt, da gab es coronabedingt zunächst ein Konferenzformat im Rahmen der Frankfurt Fashion Week und im Sommer eine B2C Ausgabe, die GREENSTYLE gemeinsam mit NeonytLab veranstaltet hat. Seit 2023 ist die Neonyt nun in Düsseldorf beheimatet – mit zweitem Standbein in Paris – und kam als Fair Fashion Messe unter die Fittiche der Igedo. Nach einigen Ausgaben im Areal Böhler fand die Messe nun Ende Juli mit neuem Konzept in der sehr coolen Event Location Bilker Bunker statt – nach wie vor B2B, am Nachmittag dann auch für Endverbraucher*innen geöffnet. Ca. 40 Marken waren vor Ort: Mode, Kosmetik, Accessoires und einige Repair- und Serviceplattformen, dazu ein kleiner Shop mit Samples von ausstellenden und externen nachhaltigen/fairen Marken sowie Secondhandteilen einiger Influencerinnen. Die Veranstalter haben sich richtig Mühe gegeben bei der Gestaltung der Messe, am Ende war die Anzahl der Brands jedoch sehr überschaubar.Für Modemessen ist es generell gerade nicht leicht, einige, wie etwa die Premium Berlin, haben sich schon verabschiedet. Noch herausfordernder ist es für Nachhaltige/Faire/Conscious Messen. Einkäufer*innen bleiben aus, viele Brands kämpfen ums Überleben, nicht wenige müssen schließen, Retailer und Geschäfte haben ihre eigenen Sorgen. Dazu kommt, dass sich Konsument*innen von Marken zwar verstärkt erwarten, dass sie besser produzieren, dann aber kaum bereit sind, etwas höhere Preise für diese Produkte zu bezahlen. Darüber habe ich vor kurzem auch geschrieben. Die Situation variiert sicherlich in verschiedenen Ländern, aber was ich lese und höre, scheint sich gerade niemand wirklich leicht zu tun. Sarah Kent spricht auf Business of Fashion sogar von einer „Slow Fashion Recession” und führt aus: „The closure of Mara Hoffman and other brands that built ethical consumption into their business models is raising questions about whether there’s room in the market for brands that put sustainability first.”So wurde auch viel diskutiert auf der Neonyt über die aktuelle Situation. Dass es irgendwie weitergehen muss, davon sind die meisten überzeugt, aber über das Wie gibt es einige Fragezeichen. „Der Markt ist generell schwierig, das betrifft nicht nur nachhaltige Mode“, sagt Heiko Wunder von der nachhaltigen Düsseldorfer Brand Wunderwerk. „Es gibt gerade einen großen Umbruch, einige Veranstaltungen sind erfolgreich, aber konventionelle Messeformate sind irgendwie nicht mehr so up-to-date. Hier ist die Location cool, aber Messen sind im Moment nicht so angesagt. Die Ankermarken haben alle Showrooms und bieten viel, da wollen dann auch alle Einkäufer hin. Da müssen wir kreativer werden. Und es ist wichtig B2B und B2C zu trennen. Das passt nicht zusammen.“ Einige interessante Marken, Menschen und Projekte, die auf der Neonyt anzutreffen waren, möchte ich euch vorstellen, denn es ist mir ein Anliegen, denjenigen Sichtbarkeit zu geben, die unermüdlich daran arbeiten, die Modeindustrie ein Stück weit besser zu machen. Wunderwerk habe ich schon erwähnt, Heiko Wunder ist mit viel Modeerfahrung in die Gründung seiner Brand gestartet, die vor allem für nachhaltige Denim Styles und hochwertige Basic Wear steht. Gleich daneben im Eingangsbereich des Bilker Bunkers zeigte Mela seine ökologisch und fair produzierte Damen, Herren, Accessoires und Home Collection. Beide Marken haben viel Erfahrung und sind fixe Größen in der nachhaltigen Modewelt.Da Kleidungsstücke keine Wegwerfprodukte sind – ich kann es nicht oft genug wiederholen – ist es wichtig, sie so lange als möglich im Kreislauf zu halten. Gleich zwei Stände auf der Neonyt haben sich mit Repair beschäftigt. Da wären einmal die Repair Rebels, die vor kurzem auch in Bozen im Rahmen der Schau „Thinking Ahead – Wanderausstellung des Bundespreises Ecodesign“ vorgestellt wurden. Und das Unternehmen Prym, das hochwertige Werkzeuge für den Handarbeitsbedarf produziert. Vor Ort wurden auch Kleidungsstücke repariert und Interessierten mit tollen Repair-Ideen weitergeholfen. Camille aus Frankreich macht gerade ein Praktikum bei den Repair Rebels und meinte: „France is much more advanced than Germany when it comes to repairs. We have a lot of laws about the life cycle of a product. The French government encourages people to repair, we have a repair bonus, so if we want to repair a garment, we benefit from a 50 % discount if we do it with certain craftsmen.”Sneakers in diversen Ausführungen und Materialien waren auf dem Stand von New.ve zu begutachten. Die portugiesische Firma mit Tradition legt sich richtig ins Zeug, neue Materialien zu entwickeln, so entstehen zum Beispiel vegane Schuhe aus Kaffee-, Apfel- und Maisresten. Bei einem meiner nächsten Portugal-Besuche möchte ich unbedingt in der Fabrik vorbeischauen. Abfall wieder in den Kreislauf zu bringen, das hat sich Up-Fuse aus Kairo, Ägypten vorgenommen. Gründerin Yara Yassin erzählt, dass seit 2013 2 Millionen Plastiksäcke, 800.000 Plastikflaschen und 800 Autoreifen in eine breite Palette von hochwertigen Produkten verwandelt wurden, darunter Mode, Schuhe und Taschen. „Our brand emphasizes empowering refugees, empowering women, and promoting sustainable practices.”
Die Plattform Cosh! treibt nachhaltiges und lokales Einkaufen voran und kam mit einigen Labels aus den Niederlanden und Belgien nach Düsseldorf. Schaut da mal online vorbei, Cosh! macht auch tolle Conscious Shopping Maps und veranstaltet Green Fashion Tours. In der Start-up Area war Claudia Jünemann mit Frijda Juni da, ihr kennt die Marke vielleicht, sie war bereits auf der Biolife in Bozen. Claudia hat ihre Brand einen Monat vor Corona gegründet und kam mit den ersten Teilen im Sommer 2021 heraus. „Es ist sehr schwer momentan aus seiner Bubble rauszukommen“, sagt sie „und im größeren Rahmen sichtbar zu werden. Auch Messen sind keine Selbstläufer mehr. Die Einkäuferanzahl hier ist leider auch nicht so wie erhofft. Aber ich möchte noch nicht aufgeben. Ich bin mit einer Vision gestartet und noch nicht an dem Punkt, wo ich erreicht habe, was ich mir vorgenommen habe.“Besondere Erwähnung verdient Noa Ben Moshe, vegane Modebloggerin und Influencerin. Sie hat rund um die Uhr gute Stimmung verbreitet, Videos gedreht, die Socials bespielt, Leute unterhalten und Presse-Touren gemacht. Vor einigen Monaten habe ich ein Interview mit ihr über ihr Engagement und ihre Arbeit gemacht. Noa ist seit dem Beginn dabei bei Neonyt, zunächst als Influencerin, dann als Brand Ambassador und nun als Head of Social Media Communications: „I’ve really seen the journey of this brand, all the great moments and also all the challenging moments, all I can say is that I see the strength and courage of the people here, because it’s not always easy being a sustainable fashion brand, there are a lot of challenging times, but people still push through and what we always see here is the power of the community. They are also here to support each other and each other’s ideas.” Ich bin mit den GREENSTYLES Mirjam und Florens Smend auf die Messe gefahren, auf meine Frage, was es ihrer Meinung nach bräuchte, um nachhaltige Modemessen weiterzubringen, meint Mirjam: „Es ist alles ganz schön im Argen, Aussteller stellen nicht aus, Einkäufer kaufen nicht ein und Messeveranstalter verzweifeln an der Abwesenheit beider Gruppen. Ich glaube, dass das Modesystem ganz schön kaputt ist, ebenso das Konsumverhalten. Die Frage ist, ob man das wieder zusammenbekommt oder überhaupt zusammenbekommen muss? Ich weiß es nicht. Vielleicht brauchen wir einfach ein neues System.“ Und ihr Mann Florens ergänzt: „Man müsste endlich diese Sheins und Temus blocken, damit der europäische Markt wieder eine Chance hat sich zu regenerieren.“ In diesen Tagen war modemäßig richtig viel los in Düsseldorf. Weitere Messen, Fashion-Shows, Showroom-Präsentationen … Überhaupt war Düsseldorf lange DIE Modestadt Deutschlands, bevor Berlin vieles in die Hauptstadt zog. An die 600 Showrooms gibt’s in Düsseldorf während der Fashion Days, „und da sind sie auch alle, die Einkäufer“, sagt Heiko Wunder. „Leider schaffen es die wenigsten, dann noch auf die Neonyt zu kommen.“Auch in der Nachhaltigkeits-Kommunikation holpert es. Wie erreicht man Menschen mit Inhalten, die nicht nur angenehm sind und die uns allen etwas abfordern? „Alles ist super“ stimmt nicht, der Zeigefinger ist wenig hilfreich. Die Gründerin des Luxiders Magazin Belvis Soler erzählte, sie müsse sich jetzt mal für einige Zeit zurückziehen und in Ruhe darüber nachdenken, wie es weitergehen kann und welche Formate es bräuchte um „eco & ethical fashion, design and lifestyle“ zu vermitteln. Ich denke, das ist ein guter Move. Aufgeben ist keine Alternative, aber Reflexion und frische Ideen braucht es allemal.
Die Neonyt Paris findet von 8. bis 10. September 2024 statt, die nächste Ausgabe der Neonyt Düsseldorf ist für 25. und 26. Januar 2025 geplant, wieder im Bilker Bunker.Hier, hier, hier und hier geht’s zu meinen bisherigen Artikeln über die Neonyt.
Fotos: (1, 2, 3, 4, 15, 17) © Neonyt Düsseldorf/Igedo Exhibitions, (3) mit Heiko Wunder, Mirjam und Florens Smend; alle anderen © Susanne Barta, (8) Up-Fuse Gründerin Yara Yassin; (11) Claudia Jünemann/Frijda Juni; (12) Frijda Juni bei der Modeschau von Igedo Exhibitions; (13, 14) Noa Ben Moshe; (15) mit Mirjam und Florens Smend und Luxiders Gründerin Belvis Soler, (16) mit Heiko Wunder.
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