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September 25, 2023

Gehirnwäsche Film: „BRAINWASHED: Sex-Camera-Power“ von Nina Menkes

Kunigunde Weissenegger

Hinter der Kamera ein Mann, auf dem Regiesessel ein Mann, vor der Kamera eine Frau. Gaaaanz langsaaam fährt die Kamera über ihren Körper, Großaufnahme vom Arsch, Blick, Pose, Gestik manngewollt, die Frau ein Objekt, das beliebig ausgeleuchtet, positioniert und eingesetzt werden kann. 

Dieses projizierte Bild beeinflusst unsere Meinung – von Frauen. Denn frei sind ein Standpunkt, eine Anschauung niemals, sie werden geprägt, auch über den Film, von Sequenz zu Sequenz. – „Wenn die Kamera lüstern ist, dann ist es die Kultur auch.“ – Viele dieser Sehgewohnheiten hinterfragt Nina Menkes in ihrem neuen Dokumentarfilm „BRAINWASHED: Sex-Camera-Power“, der am 27. September 2023 um 20:00 H in der Reihe „Female Views“ im Filmclub Bozen gezeigt wird. 

Mit „THE MENKES LIST“ analysiert die Filmemacherin anhand von 5 Punkten, wie Frauen auf der Leinwand dargestellt werden. Menkes’ Liste bietet ein nützliches Werkzeug, um deutlich zu machen, wie geschlechtsbezogen Bildgestaltung ist. Männliche Schauspieler und weibliche Schauspielerinnen werden oft völlig unterschiedlich ins Bild gesetzt:

1) Perspektive (Point of View POV): Männliches Subjekt/Weibliches Objekt
2) Ausschnitt: Bruchstückhafte Aufnahmen von (weiblichen) Körperteilen
3) Kamerabewegung: Schwenken und Neigen (für den besten Aufnahmewinkel) über den weiblichen Körper, oft in Zeitlupe
4) Lichtgestaltung: 3D (männlich) versus 2D oder anderer Fantasiebeleuchtung (weiblich)
5) Erzählhaltung: Was tragen die 4 oben genannten Gestaltungselemente zur erzählerischen Position der Charaktere bei? 

Auch „große Filme“ bestehen nicht. Wir hatten das große Glück, Nina Menkes in Toronto für ein paar kurze Statements zu erreichen:

Warum hast du die Notwendigkeit gesehen, diesen Dokumentarfilm zu machen?

Es begann mit einem Vortrag, den ich vor meinen Studenten an der USC The School of Cinematic Arts und dem California Institute of the Arts hielt. Nach der Klage gegen die Hollywood-Studios im Jahr 2015 (initiiert von unserer Co-Produzentin Maria Giese) – die US-Regierung nahm geheime Vergleichsverhandlungen mit den Studios über deren schwerwiegende illegale Diskriminierung von Regisseurinnen auf, was zu einer echten Veränderung der Einstellungsmodalitäten führte – und dann brach 2017 die #METOO-Bewegung aus – schien es wirklich notwendig zu sein, den dritten, bisher stummen Partner miteinzubeziehen: die Art und Weise, wie die visuelle Sprache des Kinos, vor allem unbewusst, das Selbsverständnis unterstützt, dass Frauen keine vollwertigen menschlichen Subjekte sind. Wir sind Objekte.Nina Menkes by Ondrea BarbeAuf welche Schwierigkeiten (und auch Unterstützung?) bist du bei der Produktion des Films gestoßen?

Das Echo auf den Film war überwältigend. Wir hatten bei Sundance und auf der Berlinale Premiere, waren auch beim CPH:DOX, IDFA, der Viennale, dem BFI-London und vielen weiteren Festivals zu sehen. Wir wurden im Allgemeinen hoch gelobt und in vielen „Ten Best Films of the Year“- Listen angeführt, unter anderem im The Guardian, Sight and Sound und viele weitere mehr … Gleichzeitig wurden wir auch angegriffen – anscheinend fühlten sich einige Leute (und interessanterweise waren das hauptsächlich Frauen) vom Film extrem bedroht und versuchten, ihn klein zu machen. Dieser Versuch ist allerdings gescheitert. Der Film bewegt weiterhin Menschen auf der ganzen Welt. Zurzeit bin ich in Toronto, wo wir eben den International Peace Festival Prize for Best North American Film of The Year überreicht bekommen haben.

Wer sollte „BRAINWASHED“ sehen?

Alle, die Filme schauen, sollten ihn sich ansehen! Schon tausende Male wurde uns gesagt: Wenn du unseren Film gesehen hast, wirst du nachher jeden Film mit anderen Augen sehen. Es ist Zeit, dass sich die Art und Weise ändert, wie das Kino Frauen vor allem als Vehikel für das visuelle Vergnügen männlicher heterosexueller Zuschauer benutzt hat – wie uns Laura Mulvey bereits 1975 gelehrt hatte und dies auch heute noch zutrifft …

Welche Wirkung könnte/sollte die Verbreitung deines Dokumentarfilms haben?

Ich hoffe, dass das Bewusstsein, das durch diesen Film geschaffen wird, einen Einfluss darauf hat, was Menschen vom Kino denken – als Kinobesucher*in und als Filmemacher*innen. … und dass dies wiederum Frauen helfen kann, die Diskriminierung zu überwinden, der wir in unserem Alltagsleben täglich ausgesetzt sind.

Nina Menkes gilt als Pionierin des feministischen Kinos und ist eine der führenden unabhängigen Filmemacher*innen Amerikas. Ihre Filme wurden auf diversen großen internationalen Filmfestivals sowie in Museen gezeigt. Zu ihren Auszeichnungen zählen unter anderem ein Los Angeles Film Critics Association Award, ein Guggenheim-Stipendium, zwei Stipendien des National Endowment for the Arts, ein AFI Independent Filmmaker Award, ein Creative Capital Award und ein International Critics Award (FIPRESCI Prize). Nina Menkes hat einen MFA-Abschluss in Filmproduktion an der UCLA und ist leitendes Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. 

Foto: Nina Menkes by Ondrea Barbe

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