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July 24, 2023

Durchbrennen ins Barbieland

Lena Pernthaler

Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich. Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich. So steht es im Trailer des neuen Films über die platinblonde Plastikpuppe. Niemand war ausgeladen, also saß ich Freitagabend auf einem weichen Samtsessel und wartete darauf, dass die Kinoleinwand pink wurde, die Stimmen schriller und die Welt für zwei Stunden oberflächlicher. 

Wer Barbie von Weitem kennt, der sieht Porzellanhaut, saphirblaue Augen und eine Taille, die bei einer echten Frau anatomisch unmöglich wäre. Doch wir kennen sie von ganz nahe: Sie wohnte jahrelang in unseren Kinderzimmern, wir haben ihre Haare geflochten und mit ihr Freundschaft geschlossen. Auch wenn wir die Kinderzimmer längst verlassen, unseren Barbies rebellisch die Haare abgeschnitten oder sogar verbrannt haben, ihre Existenz hat eine Vorstellung von Frausein und Schönheit in unsere Köpfe gebrannt. Barbie, eine Puppe (!), hat uns diktiert, was schön und ideal ist und vielleicht verbringen wir ein ganzes Frauenleben damit, ihrem Diktat zu gehorchen oder es zu vergessen. „Keine Lust darauf!“, oder so ähnlich muss sich wohl Greta Gerwig gedacht haben. Ausgerechnet die feministische Regisseurin wagt sich an den Barbiefilm. Sie weiß: Der Film könnte ein potenzielles Karriereende sein – und sagt darauf nur frech: „Genau deshalb sollte ich es machen!” 

Ob Greta Gerwig die Kurve kratzt, das will ich nicht verraten. Was ich verraten kann, ist, dass Barbie im neuen Film plötzlich Cellulite hat, Birkenstocks trägt und damit in die echte Welt muss. Wie läuft es sich in Birkenstocks? Was bedeutet es, eine Frau in der echten Welt zu sein? Inmitten von Pink, Platin und Plastik fallen diese Worte: 

 „Als müssten wir immer außergewöhnlich sein, aber irgendwie machen wir es immer falsch. Du musst eine Karrierefrau sein, aber auch immer gleichzeitig auf alle anderen Menschen achten. Du sollst es lieben, Mutter zu sein, aber nicht die ganze Zeit über deine Kinder reden. Du sollst für die Männer hübsch bleiben, aber nicht so hübsch, dass du sie zu sehr verführst oder andere Frauen bedrohst. Immer herausstechen und immer dankbar sein. Du sollst nie alt werden. Sei niemals unhöflich. Gib nicht an. Sei niemals egoistisch. Niemals hinfallen. Niemals versagen. Zeig niemals Angst. Tanz nie aus der Reihe.“ 

Die Birkenstocks in die Ecke knallen, in rosa Plüschstöckelschuhe schlüpfen und endgültig ins Barbieland durchbrennen: Vielleicht ist das der erste Impuls, den man nach so einer vollen Ladung Realität verspürt. Doch der Film endet nicht hier. Er endet nicht, als Barbie lernt, wie man weint, echt ist und in flachen Schuhen läuft. Auch nicht, als die pinke Leinwand verblasst, die großen Lichter angehen und wir Mädchen und Frauen den Kinosaal verlassen. Da fängt die Geschichte gerade erst an: Fall hin. Werd alt. Sei egoistisch. Versag. Zeig Angst. Tanz aus der Reihe – und all das, was du gerne tun und sein willst. Wenn’s Barbie kann, können wir’s schon lange.

Foto: (c) Nora Pernthaler

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