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May 25, 2023

Un’immersione nel mondo di Sarah Kürten: im Dialog mit der Künstlerin

Francesca Fattinger

(may the world be translated into simple stories about individuals.)
Sarah Kürten 

Il rumore dei phon e le chiacchiere si mescolano ai colori, ai pensieri, alle riflessioni, alle domande, uno spazio luminoso e curato nei minimi dettagli e al contempo quotidiano e reale che sa trasformarsi per ogni mostra accogliendo le opere degli artisti e delle artiste esposte che sanno parlare di quotidianità e universalità attraverso il loro gesto estetico e poetico. Spazio CUT a Bolzano ospita fino al 16 giugno 2023 “the mind is natively vice” di Sarah Kürten, artista tedesca, nata a Bergisch-Gladbach nel 1983, che presenta in occasione della sua prima personale in Italia una serie di nuovi lavori che sviluppano ulteriormente la sua ricerca sulla politica del corpo nei contesti mediatici, opere in cui gli strati si mescolano: pittura, fotografia, installazione, collage e testo, uno sull’altro a suggerire una strada e a demolirne un’altra, intreccio di senso che propone allo sguardo un’interrogazione critica sulle convenzioni in cui ricade e in cui si intrappola spesso inconsapevolmente. Ho avuto il piacere di immergermi in una conversazione con l’artista per trovare un’ulteriore chiave di senso delle sue narrazioni non-lineari fatte di immagini e poesie, corpo e sguardo, riflessione e percezione. Ho volutamente aperto l’articolo con il sottotitolo dell’opera “Rose” in cui linee di parole e pittura domestiche e addomesticate,  linee di natura domestica e addomesticata, linee di un corpo femminile domestico e addomesticato, svelano un nascosto sguardo maschile e riversano una discussione generale e universale in una storia individuale e viceversa, ricordandoci che siamo tutti e tutte coinvolte.

Sarah Kürten. the mind is natively vice. Sarah Kürten. Installation view at Spazio CUT. Photo Tiberio Sorvillo. Courtesy the artist and Spazio CUt 4

 

Blick und Körper, zwei Begriffe, die miteinander verwoben sind, ineinander übergehen, der eine kann ohne den anderen nicht leben. Deine Werke verdeutlichen dies, indem sie das Verhalten und die kognitiven Prozesse der Betrachter*innen kritisch hinterfragen. – Doch wo fängt das alles an? Und vor allem, wo fängst du an? Vom Blick auf den Körper oder vom Körper, ist es der Blick, der den Körper erschafft, oder der Körper, der den Blick erschafft?

Die in der Ausstellung gezeigten Collagen widmen sich in erster Linie dem Thema anonymes Selbstportrait. Dafür beschäftigte ich mich intensiv mit der Selbstdarstellung, insbesondere von Frauen auf sogenannten Re-selling Plattformen im Internet. Seit einigen Jahren sammle ich bereits diese Photographien in einem von mir angelegten kleinen Archiv mit mehreren hundert Bildern. Das Selbstportrait bzw. das Portrait, eigentlich eine Darstellung hauptsächlich des Gesichts, als individuelles Erkennungsmerkmal, wird in den Abbildungen bewusst nicht gezeigt. Der Fokus soll sich auf das zu verkaufende Objekt richten, die Person möchte nicht erkannt werden, will anonym bleiben.
In den von mir gesammelten Bildern geht es ausschließlich um den Verkauf von Kleidung. Der Körper als Modell wird in der eigenen Wohnung inszeniert, um ein Maximum an Individualität und gleichzeitig die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, einer Gesellschaftsschicht und einer kulturellen Identität abzubilden. Die Protagonistinnen wählen bewusst oder unbewusst Posen aus der Werbung und der Popkultur, um die Verkaufswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Die eigene Darstellung dient dabei der Identifikation der jeweiligen Käufer*innen. Ihr Begehren, so zu sein wie die abgebildete Person, soll hier mitverwirklicht werden. 
Neben der Erforschung des soziokulturellen Aspektes dieser Bilder haben mich die Portraits gezielt als Selbstdarstellung von Frauen für Frauen interessiert. Es entsteht ein Female-Gaze, der sich jedoch noch nicht vom Male-Gaze emanzipiert hat. Die Bilder offenbaren die Schulung des Blicks durch die Vergangenheit. Die erlernte Sexualisierung des Körpers, die Identifikation der Betrachter*innen als Objekt der Begierde von heterosexuellen Männern steht oftmals immer noch im Vordergrund. Es werden Posen eingenommen, T-Shirts hochgezogen, Hosenbünde zusammengehalten, um den knackigen Po, die schmale Taille und die vollen Brüste gut in Szene zu setzen.

Sarah Kürten. the mind is natively vice. Sarah Kürten. Installation view at Spazio CUT. Photo Tiberio Sorvillo. Courtesy the artist and Spazio CUT

Aber auch andere klassische Attribute einer „vergangenen“ Weiblichkeit, wie die gute Organisation eines Haushaltes, durch das Mit-Abbilden der schönen Wohnung, gesunder Pflanzen werden mit dargestellt. Oder eben das Aufzeigen der Unabhängigkeit und sexueller Freiheit, ein ungemachtes Bett, die Reinheit weißer Betttücher, das Haustier oder der eigene Wohlstand werden Teil des Portraits. Alle Gegenstände erfahren so symbolischen Charakter, sie erzählen von der Person, die sich inszeniert, auf eine Weise, wie sie gesehen werden möchte. Der Berliner Altbau mit den abgeschliffenen Dielen und die Mid-Century-Classics, das Plattenregal, die Monstera sind Teil eines sorgfältig arrangierten Bildes. Marken und Preiskategorien der Kleider erfahren eine andere Darstellung je nach soziokulturellem Kontext. Kein Bild ist neutral.

Sarah Kürten. the mind is natively vice. Sarah Kürten. Installation view at Spazio CUT. PhotoTiberio Sorvillo. Courtesy the artist and Spazio CUT5

Wir Frauen sind so sehr in den Blick der anderen eingetaucht, dass wir diesen Blick in unseren Posen verkörpern, selbst wenn wir unsere Kleidung online zum Verkauf anbieten, ein Moment, in dem wir uns davon befreien könnten, ihn verändern könnten. Indem wir uns selbst aber zusammen mit dem Kleidungsstück zum Verkauf anbieten, fallen wir in einen Blick, der sich auf uns setzt und uns besitzen will. Ein Blackout, den du durch die Schichtung von Reflexion und verschiedenen Medien hervorhebst: Bilder, Installationen, Malerei, die von den Rändern ausgehen und die Schichten verbinden, und schließlich Worte, die dasselbe tun, neue Schichten tragen und ergänzen. Kannst du uns erzählen, warum du all diese Medien verwendest?

In meinen Arbeiten beschäftigt mich immer das Unausgesprochene. In diesen Portraits sehe ich das ihnen immanent Unheimliche oder Voyeuristische, das Unbequeme und Angestrengte der Posen und das Bemühen um Neutralität, manchmal die bewusste Inszenierung sexy, verträumt, oder unschuldig, jedoch fast immer in alten Mustern verharrend. 
Aber das Neue passiert. Der andere Blick entsteht in der Egalität gegenüber der Darstellung und in der Bewusstheit der wahrhaftigen Identifikation mit der Betrachterin. Dort, wo sowohl Werbung als auch Hochkultur scheitern, in dem Moment, wo die Inszenierung stoppt. Das Abendkleid wird zu Äffchen-Socken getragen, der Sport-BH blitzt unter der Spitzenbluse hervor, rote Pumps zum Pyjama, einen Fuß in der Socke, den anderen im Stiletto, oder die Pantoffeln zum Hosenanzug. 
Formal werden die Bilder zunächst fragmentiert und dann neu zusammengesetzt. Das in ihnen Gleiche wird so herausgearbeitet. Die Schichten haben durchaus eine symbolische Bedeutung. Zu etwas zu gelangen, das verborgen ist, überdeckt, überlagert oder verschoben. Außen und Innen, Öffentlichkeit und Privatheit. Die Bilder in meiner Arbeit repräsentieren eher eine Öffentlichkeit und die Texte eine Intimität und Innerlichkeit, einen inneren Monolog ohne Ich-Erzähler*in. 

Sarah Kürten. the mind is natively vice. Sarah Kürten. Installation view at Spazio CUT. Photo Tiberio Sorvillo. Courtesy the artist and Spazio CUT 6

Das Arbeiten mit Papier und Seiten ist schon lange Teil meiner künstlerischen Praxis. Einige Jahre habe ich mich intensiv mit dem Thema Künstler*innenbuch beschäftigt. Ich hatte einen Verlag und habe selbst mehr als elf Titel publiziert. Einzelne Seiten, die ein Ganzes ergeben, das Material, die Überlagerungen und die Zeit, spielen beim Buch eine zentrale Rolle. Das Nebeneinander-Legen dieser einzelnen Seiten war ein logischer formaler Schritt in meiner Arbeit. 
Zu Beginn war das Schreiben in meiner Arbeit stark selbstreflexiv, da ich das Verwenden von Sprache als nicht universell lesbares Medium als einen Mangel empfunden habe. Die Exklusivität der Sprache beschäftigt mich noch immer, sie ist einer von mehreren Gründen, warum ich mich für das Schreiben in englischer Sprache entschieden habe.

Sarah Kürten. the mind is natively vice. Sarah Kürten. Installation view at Spazio CUT. Photo Tiberio Sorvillo. Courtesy the artist and Spazio CUT2

Für die Dauer der Ausstellung wurde ein neues ortsspezifisches Werk mit dem Titel A Poem (splendid inhabitants of a splendid world, but…)“ an der Fassade des BASIS in Schlanders installiert. Dieses Werk erlaubt mir, dir zwei Fragen zu stellen. Zum einen: Welche Rolle spielt die Poesie in deinem Werk. Und zum anderen: Welche Bedeutung hat sie im Raum des Blattes und in der Öffentlichkeit? 

Die Poesie ist für mich zugleich Lösung und Problem. In Sprache kann ich auch das Unsichtbare ausdrücken, das Absurde und die Ambivalenz. Man kann zwischen den Zeilen lesen. Sie lässt für mich mehr Zwischenraum als das Sichtbare, auch weil sie es nie vollkommen wiedergeben kann. Meine Sprache ist Inhalt und Bild. Ihre Bedeutungsebenen und ihre Lesbarkeit stehen dabei vor typographischer Raffinesse. Ungelesen auf dem Blatt ist sie zunächst nur bildhaft, erst durch die Lesenden und Betrachtenden wird sie dann vollständig zur Sprache. Für den*die, der*die die Sprache nicht spricht, bleibt sie für immer ein Bild. Poesie kann in Gänze nie vollständig übersetzt werden, sodass für mich auch diese Bildhaftigkeit und die ihr tatsächlich hinzugefügten Bilder nicht illustrativ sind, sondern Teil des Ganzen. Sprache, Bild und Form sowie Intimität und Öffentlichkeit, bilden so meine Arbeit. 

Sarah Kürten. the mind is natively vice. Sarah Kürten. Installation view at Spazio CUT. Photo Tiberio Sorvillo. Courtesy the artist and Spazio CUT3

Welche Rolle sollten Kultureinrichtungen, kleine und große, lokale und so weiter, in Bezug auf Künstler*innen, Künstler*innen und Gesellschaft spielen?

Kultureinrichtungen spielen natürlich grundsätzlich eine große Rolle für alle Künstler*innen, da sie der Weg der Arbeiten an die Öffentlichkeit sein können. Die meisten Künstler*innen fangen auf lokaler Ebene an, ihre Werke zu zeigen, z. B. in Off-Spaces und Produzentengalerien oder anderen initiativ gegründeten Räumen. Deshalb spielen kleine Einrichtungen eine genauso wichtige Rolle wie große. Die Initiative, unabhängige Kultureinrichtungen zu schaffen und zu unterstützen, halte ich  daher für sehr wichtig. Ein Ort wie die BASIS mit seinem üppigen Angebot geht natürlich weit über die Bedeutung eines Ausstellungsraums hinaus. Unter anderem gibt es ein Residenzprogramm, das sich an internationale Künstler*innen richtet. Es stellt neben Studio und Wohnung auch zahlreiche Werkstätten zur Verfügung. Auch interessant finde ich, dass die BASIS es schafft, internationale, kulturelle Diskurse auf gleicher Ebene mit lokalen Dialogen zu behandeln. Programme wie die Doda Kreativ- und Malwerkstatt oder die Möglichkeit der Nutzung eines Coworking Space für junge Selbstständige erfahren die gleiche Wertschätzung wie das internationale Projekt Envisioning Free Space oder Kooperationen mit größeren Institutionen. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der BASIS ist sicherlich, dass sie sich nicht wie ähnliche Institutionen ihrer Größenordnung in einer Großstadt befindet.

Credits: (1, 2, 3, 4,  5, 6, 7) Photo Tiberio Sorvillo. Courtesy of the artist and Spazio CUT: (1) Portrait of the artist Sarah Kürten; (2) Sarah Kürten, Rose (may the world be translated into simple stories about individuals), 2023, Inkjet print on acetate, offset paper, laquer. 3 framed collages each 840mm x 1198mm, wall painting; (3,4,7) Installation view at Spazio CUT; (5) Sarah Kürten, Tess (All that is moonshine, and all that cannot, by conscious action do anything about it), 2023 Inkjet print on acetate, offset paper, laquer. 2 framed collages. 840mm x 1198mm and 840mm x 1600mm, wall painting; (6) Sarah Kürten, A Poem (splendid inhabitants of a splendid world, but…), 2023 Banner with UV-print, 200×500 cm. Produced in collaboration with BASIS Vinschgau Venosta.

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