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May 10, 2023

Hands on – Fashion for Future Workshops

Susanne Barta

Die „Fashion For Future“-Veranstaltungswoche ist letzten Samstag mit einem Gruppen-Red-Carpet-Event und einem Aperitivo zu Ende gegangen. Es war eine vielfältige Woche mit Konferenz, Ausstellung und Workshops, dazu Flashmobs und Swap Party. Mit Fokus auf der Good Clothes Fair Pay Campaign, im großen Rahmen von Fashion Revolution. Jedes Veranstaltungsformat hatte einen anderen Zugang, vor allem die Workshops sollten das ein oder andere auch in die Praxis bringen. Das Schöne daran: mal selbst was auszuprobieren, ob „menden“, „defuzzing“, nähen, weben, ein Garn spinnen, eine kleine Tasche basteln oder ein Zukunftsbild der Modeindustrie entwerfen. Und dabei ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Arbeit, wie viele Schritte hinter Textilien, hinter Kleidungsstücken stecken. Was wir alles angeboten und gemacht haben, könnt ihr auf unserer Website nachlesen. Fashion for Future 2023 workshops 2 @ aart van bezooijenDas Feedback auf die meisten Workshops war sehr gut. Es hat augenscheinlich Spaß gemacht, Hand anzulegen. Ich war bei zwei Workshops dabei: bei „Circular Textiles Futures“ mit Ludwig Weh und Bianca Streich und bei „Create Online Design” von Byborre. Mit Borre Akkerdijk habe ich bereits im Vorfeld gesprochen, Artikel und Interview findet ihr hier. Seine (nachhaltige) Textildesign-Methode besser zu verstehen, vor allem zu sehen, wie transparent und durchdacht der Prozess dahinter ist und wie Anwender*innen freundlich, war sehr spannend. Borre selbst hat mit viel Enthusiasmus erzählt, wie aus einem Designer ein Unternehmer wurde. Ein Unternehmer, der mit seinem Team konkrete, auf jeder Ebene transparente Tools entwickelt und so der Textil- und Modeindustrie Instrumente in die Hand gibt, sich zum Besseren zu verändern.Fashion for Future 2023 workshops 3-4 @ Susanne Barta„Circular Textiles Futures“ hingegen war ein prozessorientierter Workshop. Gemeinsam sollte dargelegt, hinterfragt, vorausgeschaut und entwickelt werden, wie die Textil- und Modeindustrie zukünftig gestaltet werden könnte. Der Workshop war gegliedert in die Phasen „Kritik, Phantasie und Implementierung“. Methodisch arbeiteten Ludwig und Bianca – beide leben und arbeiten in Berlin – mit der von Robert Jungk vor über 40 Jahren entwickelten Zukunftswerkstatt, ein dialogisches Beteiligungsformat, das „die Möglichkeit einer neuen Denk- und Kommunikationskultur“ fördern soll und sich die Teilnehmenden „gemeinsam bemühen, wünschbare, mögliche, aber auch vorläufig unmögliche Zukünfte zu entwerfen und deren Durchsetzungsmöglichkeiten zu überprüfen.“ Ich habe das Format bereits einige Male vor vielen, vielen Jahren erlebt. Die Methode hat sich weiterentwickelt und wird offensichtlich wieder gerne für partizipative Prozesse verwendet. „Mit den sozial-ökologischen Debatten der Gegenwart erlebt sie gerade eine Erneuerung“, führt Ludwig aus. Fashion for Future 2023 workshops 5 @ Luisina Figueroa GarroLudwig Weh ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe „Professionalisierung von Wissenstransferprozessen“ am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW. Bianca Streich hat einen Background als Produktdesignerin mit einem Fokus auf ökologische, politische und soziale Themen. In der Pause habe ich mit den beiden gesprochen.Fashion for Future 2023 workshops 6-7 @ Aart van BezooijenWelches Anliegen verfolgt ihr mit diesem Workshop? Was kann, was soll entstehen?

Bianca: Vor allem in der Phantasiephase geht es darum, sich von allem frei zu machen und improvisationsmäßig innovativ zu denken. Alles ist möglich, alles ist wertvoll und so entstehen in der Gruppendynamik neue Konzepte. Auch geht es darum, auf eine bessere Zukunft zu hoffen.

Ludwig: Natürlich nicht nur zu hoffen, sondern auch zu gestalten. Das war Robert Jungks zentrales Anliegen. In der Verwirklichungsphase geht es dann auch darum, Handlungsanleitungen zu entwickeln, die man theoretisch gleich am nächsten Tag umsetzen kann. Also nicht nur zu kritisieren, nicht nur zu träumen, sondern auch zu schauen, wie man das in die Realität bringt. Wir reden von Herz, Hand und Kopf.Fashion for Future 2023 workshops 8 @ Luisina Figueroa GarroGeht es vor allem um kleine persönliche Veränderungsmöglichkeiten oder sollen auch große Entwürfe entwickelt werden? Welche Ebene ist vor allem wichtig für euch?

Ludwig: Das Schöne an der Zukunftswerkstatt ist, dass sie beides verbindet. In den verschiedenen Phasen kommen immer wieder wechselseitige Aspekte vor. Besonders zum Ende hin versucht man aber das ganze soweit zu schärfen, dass ein persönlicher Handlungsimpuls entsteht und formuliert wird. Was dann damit passiert, ist nachgelagert. Den Wert einer guten Zukunftswerksatt sieht man meist ein halbes Jahr später.

Bianca: Es geht immer um Denkanstöße. Große gesellschaftliche Themen verändern sich nicht von heute auf morgen. Man kann das vergleichen mit Samen, die gepflanzt werden und langsam wachsen. Wobei der Fokus auf das Langsame gerichtet ist, denn es braucht Zeit. Der Wandel kommt mit kleinen Dingen.Fashion for Future 2023 workshops 9 @ Luisina Figueroa GarroIn diesem Workshop geht’s um die Zukunft der Modeindustrie. Welchen Zugang habt ihr da persönlich?

Ludwig: Ich kann hier viel verstehen, wie die Methode funktioniert in diesem universitären Kontext. Transformation läuft ja nicht linear, sie ist emergent, verläuft von unten. Hier wird wertvolles Prozesswissen generiert. 

Bianca: In den Nachrichten wird alles meist sehr negativ dargestellt. Manchmal kommt man aus dieser Negativspirale gar nicht mehr heraus und fragt sich, „wo soll man anfangen“? Es ist übermächtig. Aber ich möchte zeigen, dass wir die Kraft, den Raum haben, etwas zu verändern. Und sich dabei aber auch zu fragen „was ist realisierbar“? Es ist natürlich Arbeit, aber es ist machbar. Es geht also um kleine Gedankenanstöße. Fashion for Future 2023 workshops 10 @ Luisina Figueroa GarroIch habe länger über den Workshop nachgedacht, einiges hat für mich funktioniert, einiges weniger. Richtig Spaß gemacht hat die kreative Gruppenarbeit, auch wenn hier keine wirklich neuen Erkenntnisse zutage getreten sind. Muss ja auch nicht sein. Das hat vielleicht einfach damit zu tun, dass doch einige von uns recht tief im Thema Modeindustrie und ihren Herausforderungen drin sind. Die Rahmensetzung, die zeitliche Strukturierung des Workshops, die wirkten allerdings ab und an etwas unbeholfen. Als langjähriger Coach mit unterschiedlichster Workshop-Erfahrung weiß ich aber auch, dass man immer etwas mitnehmen kann. So auch hier.

Fashion for Future 2023 workshops 11 @ Luisina Figueroa GarroEine fotografische Nachlese der „Fashion for Future“-Woche findet ihr hier. Fashion For Future, das sind Brigitte Gritsch vom Netzwerk der Südtiroler Weltläden, Aaart van Bezooijen, Professor an der Fakultät für Design und Künste, und sein engagiertes Student*innen-Team, Verena Dariz von der OEW und ich. Mal sehen, wie es weiter geht mit unserer neuen Plattform, aber weiter geht’s auf jeden Fall.Fashion for Future 2023 workshops 12 @ Aart van Bezooijen

Fotos: (1, 5, 8, 9, 10, 11) © Luisina Figueroa Garro; (2, 6, 7, 12) © Aart van Bezooijen; (3, 4) © Susanne Barta. 

 

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