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April 24, 2023

„Stell dir vor, allen würde das, was du machst, gefallen“

Anna Tröger
L’art pour l’art – oder doch anders? In dieser Portraitreihe habe ich Südtiroler Künstler*innen interviewt. Dabei war es mir ein Anliegen, sie persönlich kennenzulernen und etwas über ihre Person auch jenseits ihres Tätigkeitsbereiches zu erfahren. Daher auch der Titel: Die Kunst, die durch diese Menschen entsteht, soll für die Gesellschaft zugänglicher werden.

Aaron Kerschbaumer aus Klausen ist 27 Jahre alt und seit mehreren Jahren in mehreren Bereichen der Südtiroler Kunst- und Kulturszene tätig. Die meisten kennen ihn als Musiker, er ist allerdings auch im Theaterbereich tätig – entweder als Schauspieler oder aber auch als Regieassistent. In folgendem Interview habe ich ihm diesbezüglich mehrere Fragen gestellt, unter anderem auch in welchem Bereich der Kunst er sich selbst sieht. Seine Antworten waren sehr vielseitig und spannend.

Aaron, du bist ja nicht nur Musiker. Welche anderen Bereiche gehören zu deinem Schaffen und welchen würdest du dich aktuell zuordnen?

Ich bin hauptsächlich Musiker, da es einfach gesagt das ist, was ich schon am längsten mache. Ich glaube, ich mache Musik, seitdem ich sieben Jahre alt bin. An zweiter Stelle würde ich das Theater nennen: Ich bin als Schauspieler und Regieassistent tätig. Außerdem schreibe ich auch Texte für Poetry-Slam-Veranstaltungen, die ich auch vortrage, und ich male auch – letzteres aber eher nur für mich, und ich würde mich auch nicht als Maler bezeichnen, da ich in diesem Bereich nicht ausgebildet bin.

Wo findest du Inspiration für all das, was du machst?

Es gibt mittlerweile eine klare Divergenz zwischen dem, was ich früher gemacht habe, und dem, was ich heute mache: Früher habe ich das Erlebte aus dem hauptsächlich privaten Bereich vor allem in Musik umgewandelt. Das hatte zur Folge, dass man die intimsten Momente aus dem Privatleben mit dem Publikum teilt. Heute versuche ich allgemein gültige Darstellungen von Gefühlen – obwohl das auch sehr schwierig ist – in meinen Songtexten aufzugreifen. Außerdem geht es mir auch nicht um möglichst viele Produktionen und ein großes Publikum – ich arbeite manchmal mehr, manchmal weniger. Mir ist ein kleines Publikum, bei dem ich weiß, dass es meine Arbeit wirklich schätzt, viel lieber. 

Eine Frage, die sich nicht nur auf die Musik bezieht: Arbeitest du lieber allein oder in der Gruppe?

Im Theater entsteht in der Gruppe immer eine tolle Dynamik, die allein nie entstehen würde, wenn man nur mit sich selbst arbeitet. Mein Zustand ist total von meinem Gegenüber abhängig. Wenn ich einen Dialog spiele, ist es für mich sehr wichtig, wie meine Gegenspielerin oder mein Gegenspieler auf mich reagiert. Während der Proben wächst man in der Endphase als Gruppe zusammen, man redet plötzlich mit Leuten, mit denen man anfangs kein Wort ausgetauscht hat – das ist immer besonders aufregend.
Als Musiker stehe ich eigentlich immer allein auf der Bühne und das mag ich auch am liebsten – ich kann gar nicht sagen, warum. Das fühlt sich einfach besser an. Aktuell arbeite ich jedoch an einem neuen Projekt, bei dem ich mir vorstellen kann, mit anderen Menschen zu arbeiten und zusammen auf der Bühne zu stehen. 

Willst du mehr über dein neues Projekt verraten?

Sagen wir so: Es wird ein Musikprojekt unter einem neuen Künstlernamen erscheinen – also nicht mehr Aaron Kerschbaumer. Dabei werde ich auch in eine neue Musikrichtung gehen und könnte mir, wie bereits gesagt, hier eben auch eine Zusammenarbeit mit anderen Musikerinnen und Musikern oder einer Band vorstellen. In ein paar Monaten wird man mehr davon erfahren – ich möchte mich allerdings zeitlich nicht festlegen.

Wie sieht dein Umfeld aus? Teilt es deine Passion oder trennst du deine Kunst eher vom Privaten?

Mein Umfeld ist sehr supportive: Es besteht aus vielen Menschen, die ebenfalls in kreativen Szenen tätig sind. Das ist eigentlich ganz geschickt, da ich mir dadurch mehrere (Fach-) Meinungen einholen kann – daher kann ich es auch nicht wirklich vom Privaten trennen. – Man möchte ja seinen Freundinnen und Freunden von den neusten Projekten erzählen und sie gegebenenfalls auch hinein schnuppern lassen.
Ich habe eigentlich nie eine schlechte Erfahrung mit Kritik gemacht. Früher fiel es mir schwerer, Kritik anzunehmen und sie umzusetzen. Mittlerweile bin ich sehr offen dafür und kann damit gut arbeiten. Es wird immer jemanden geben, der oder die keinen großen Gefallen an dem findet, was du machst, und das ist ja auch überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil, das ist gut. Stell dir vor, allen würde das, was du machst, gefallen.

Welche Nachteile siehst du bei dem, was du machst? Wo gibt es noch Ausbaupotential?

Südtirol hätte so viel mehr Potential, was Kunst angeht. Im Bereich der künstlerischen Ausbildung gibt es zum Beispiel sehr viel Luft nach oben. Ich könnte mir eine Ausbildungsstätte, in der alle künstlerischen Bereiche zusammenkommen, in Südtirol gut vorstellen. Jungen Leuten sollte die Möglichkeit gegeben werden, Kunst mehr auszuleben. Ein weiteres Problem ist auch, dass es hier in Südtirol Menschen gibt, die sich bereits etabliert haben und sozusagen unersetzlich sind. Das erschwert anderen jungen Künstler*innen den Aufstieg. Es gibt schon einen Grund, warum so viele Leute weggehen … 

Gibt es etwas, das du an dieser Stelle noch loswerden möchtest? Ein Thema, das dir unter den Nägeln brennt?

Ein Thema, das mich aktuell sehr beschäftigt, aber nicht wirklich mit dem bisher Besprochenen zu tun hat, ist jenes der mentalen Gesundheit. Wenn es jemandem nicht gut geht, sollte er oder sie drüber reden oder etwas aus den negativen Gefühlen machen, um sie zu verarbeiten. Dieses Thema sollte im Allgemeinen normalisiert werden und man sollte offener damit umgehen. Es gibt bei Weitem viel mehr Menschen, denen es psychisch nicht so gut geht, als man meinen möchte.

Foto: Aaron Kerschbaumer

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