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April 18, 2023

„Das richtige Licht am richtigen Ort in der richtigen Menge“

Verena Dander

Ein lauschiger Hotelgarten im Zentrum von Bozen. Frühlingsgrün und leuchtend bunte Blumen strahlen mit dem blauen Himmel um die Wette, wiegen sich im kühlen Frühjahrswind. Wir, ein Grüppchen von 4 haben uns hier eingefunden, um Nr. 4 von #lettherebelight bzw. #highlight den Startschuss zu erteilen. Als der Licht-Blog aus der Taufe gehoben wurde,  war mir klar, dass eine aufregende, inspirierende Reise nie einfach nur geradeaus, in der gleichen Gangart und mit dem gewohnten Szenarium gehen sollte – denn das würde dem mit Geschwindigkeitsbegrenzung auferlegten Fahren auf einer fünfspurigen Autobahn gleichkommen –, sondern, dass die Leser*innen auf einen spannenden Trip eingeladen werden. Ein Reiseverlauf mit Abwechslung, locker, nie gleichförmig, mit Richtungsdiversität und bezaubernden Aussichten. 

Und so freuen wir uns diese neue, dem Thema entsprechende Beleuchtungsaussicht als ein sehr aufschlussreiches, inspirierendes Doppelinterview mit Andreas und Alexa von Lutz zu eurem Wissens- und Lesevergnügen lichtvoll in folgender Besetzung präsentieren zu können: Kunigunde Weissenegger, franzmagazine – Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, Oversize-Mantel und am Cocktail (ohne Alkohol!) des Hauses nippend; Alexa von Lutz, von Lutz electrical & lighting projects – im blitzblauen, frühlingshaften Hosenanzug, der mit ihren strahlenden Augen um die Wette flirrt; Andreas von Lutz, von Lutz electrical & lighting projects – black in black, hochkonzentriert das Skript des Fragenauszuges studierend; und … Verena Dander, studioadeva.architecture – in Form der Interviewerin, ausgerüstet mit Stift und Papier, das Aufnahmegerät parat.

Auf eurer Website heißt es – ich zitiere: „Von Lutz steht für eine qualitativ und technisch hochwertige Planung, Beratung und Bauleistung von elektrotechnischen Anlagen. Die langjährige Kompetenz und die Innovationskraft des Ingenieurbüros sind Garanten für fachliche Kenntnisse über alle Bereiche der Elektrotechnik.“ – Andreas und Alexa, ihr beide verantwortet die Geschäftsleitung eures Unternehmens, das sich der professionellen, weitreichend innovativen Lichtplanung verschrieben hat, nun in 2. Generation. Ihr habt recht unterschiedliche Ausbildungswege eingeschlagen, die sich im Betriebsgeschehen und in den Kompetenzbereichen, die von Lutz abdeckt, als Synergieeffekte zu Gute kommen. Andy, du hast Ingenieurwesen der Elektrotechnik an der Universität von Bologna studiert. Alexa, du bist ausgebildete Architektin – eine Kollegin sozusagen – und hast dich an der Lichtakademie Bartenbach in Tirol, einer legendären Schmiede in Beleuchtungsthematiken, weitergebildet. Beginnen wir unser Gespräch: Erzählt unseren Leser*innen, wie ihr eure Synergien, Herangehensweisen und Ausgestaltungen bei einem Projektablauf gestaltet!

Alexa: Gerade die Synergie ist uns wichtig, denn Elektroplanung und Lichtgestaltung aus einer Hand ist von großem Vorteil für Kund*innen. In der Summe ist es ein Zusammenspiel, aber dennoch grundlegend verschieden. Wir bemerken bereits ab dem ersten Kundengespräch, dass diese Synergieeffekte von Kund*innen sehr geschätzt werden. Die kreative Herangehensweise der Architektin überzeugt und da Licht essentiell technisch ist, gilt es ebenso den technischen Ablauf durch den Ingenieur der Elektrotechnik zu gewährleisten. So ist unser beider Anwesenheit in Kundengesprächen dem Projektablauf sehr dienlich.

Andreas: Die Architekten sprechen dieselbe Sprache betreffend Licht. Unsere Partner und Kunden wissen, dass in unserem Team intern eine Architekturausbildung vorhanden ist. Ingenieure und Architekten interpretieren Licht anders. So gestaltet sich die beidseitige Wechselwirkung im Gesamten bereits von Anbeginn in einer besonderen Affinität zur Ästhetik. 

Alexa: Es geht um das Verständnis des Architekten, was er mit seinem Gebäude ausdrücken möchte. Als Architektin verstehe ich seine Herangehensweisen in puncto Symmetrien und Gestaltung, was das Ziel der Beleuchtung in ebendiesem Gebäude sein soll, dieses Verständnis, diese Erkenntnis muss vor der technischen Analyse entstehen, damit Beleuchtung allumfassend gelingen kann. 

An dieser Stelle würden wir gerne mit einer Komplementärfrage einhaken: Wer zieht mehrheitlich den Lichtplaner zur Rate – hierzulande: Sind es die privaten Kunden oder Architekten im Planungsprozess?

Alexa: In erster Linie sind die Architekt*innen unsere Ansprechpartner*innen. Bei privaten Bauvorhaben treten meist die Bauherrn selbst an einen Lichtplaner heran, da Licht großes Thema ist und die Wichtigkeit zur Ausgestaltung der Räume selbst branchenfremden Kund*innen bewusst ist, sie aber nicht wissen, wie sie das Beste aus Beleuchtung rausholen können. Der private Hausbau weist oftmals keine Elektroplanung auf, sodass die Thematik der Beleuchtung direkt auf meinem Schreibtisch landet. Die Erfahrung allerdings zeigt, dass in Beleuchtungsaspekten die besten Resultate erzielt werden, wenn der mit dem Hausbau beauftragte Architekt der erste Ansprechpartner ist.

Andreas: Idealerweise konsultieren Endkunden bereits in der Planungsphase den Lichtplaner. Die Tendenz zeigt, dass der private Kunde, der sich an einen Lichtplaner wendet, meist eine Persönlichkeit ist, die ein Interesse an der künstlerischen Gestaltung hat bzw. eine gewisse Affinität dazu. Bauende in diesem Sinn konsultieren zusätzlich zum Lichtplaner nicht selten auch einen Landschaftsplaner ebenso wie einen Akustikplaner.Minisosia Castaldo - von LutzAndreas, wenden wir uns dem technischen Aspekt zu: Die folgende Textpassage stammt aus meinem 2. Blog-Post für franzmagazine: „[...] Licht, der sichtbare Teil elektromagnetischer Strahlung, bestehend aus schwingenden Energiequanten, braucht eine bestimmte Zeit vom Ort der Entstehung bis hin zum Auge und der Wahrnehmung des*der Betrachter*in. Diese kleinen Teilchen erzielen in ihrer Genialität eine dermaßen große und prompte Wirkung, dass dem Menschen die physikalisch vorliegende ‚Verzögerung‘ sich seiner Bewusstwerdung entzieht. Denn Licht ist unsagbar schnell unterwegs [...]“. Erzähl uns doch weitere elektrotechnische Phänomene des Faszinosum Licht! 

Andreas: Es war James Clerk Maxwell, der die vier Maxwell-Gleichungen geschaffen hat, die den gesamten Elektromagnetismus beschreiben, und der den allseits bekannten Slogan „let there be light“ geprägt hat. Licht ist sichtbare elektromagnetische Strahlung, die es in verschiedenen Wellenlängen gibt – mit unterschiedlichen Eigenschaften von Infrarot über Ultraviolett bis Röntgen und dergleichen. Wir befassen uns ausschließlich mit der kleinen Bandbreite von sichtbarem Licht, das ursprünglich ein Restprodukt von Wärme gewesen ist – siehe Wolframdraht von Thomas A. Edison. Es folgten die Weiterentwicklung verschiedener Leuchtmittel bis hin zum gegenwärtigen LED und das ist im Grunde da, wo wir angekommen sind, da die anderen Techniken, abgesehen von Sepzialanwednungen, der Vergangenheit angehören. Was meinen Part der Elektrotechnik betrifft, kann ich sagen, dass die Errungenschaft der LED uns breitgefächerte Möglichkeiten eröffnet: geringer Stromverbrauch, vielfältige Methoden der Ansteuerung, die beispielsweise bei den vormals im Gebrauch befindlichen Gasentladungslampen zu Verzögerungen in der Bedienung geführt haben – denn waren sie mal ausgeschaltet, hat man einen gewissen Zeitraum zuwarten müssen, bis sie wieder eingeschaltet werden konnten. Mit LED gibt es keine Grenzen mehr und das unterstreicht nochmals die Wichtigkeit des Lichtplaners in seiner Tätigkeit, da bereits im Vorfeld festzulegen ist, welche Lichttypologien zum Einsatz kommen sollen.  

Alexa: Beleuchtung ist durchwegs sehr viel technischer geworden. Bis vor 15 Jahren in etwa hat jeder Leuchtenhersteller auf dasselbe Leuchtmittel zurückgegriffen: Es gab die Leuchtstoffröhre, die Glühbirne von Phillips oder Osram und alle hatten dieselbe Lichtqualität. Heutzutage verhält es sich komplexer, da sich jeder Hersteller einer anderen Qualität, einer anderen Lichtquelle, seiner eigenen bedient: eine eigene LED – ein eigenes Licht. Auf dem Papier, dem technischen Datenblatt scheinen dieselben Qualitäten auf. Mit den Leuchtmustern, die wir bei den unterschiedlichen Herstellern anfordern, prüfen wir dann effektiv, welches Licht überzeugt. Das macht Beleuchtung durchaus spannend, stellt gleichzeitig eine anspruchsvolle Herausforderung dar. 

Hinzu kommt heutzutage ebenso der Aspekt des Smart Intelligence Building – das fällt mir selbst auch immer wieder auf. Die Installation der Elektroanlage mit KNX- bzw. BUS-System, die dimmbaren Leuchten und die Programmierung von Szenarien in der individuellen Beleuchtungshandhabe ermöglichen, muss bereits im System sein, damit es am Ende funktioniert. Es bedarf sehr viel mehr Vorlaufzeit in der Planung, damit die Umsetzung im vollständigen Spektrum der technischen Möglichkeiten gelingen kann.

Andreas: Durchaus. Zudem sind viele Leuchten zum Teil als Einwegprodukte zu verstehen. Eine nicht mehr funktionstüchtige LED-Leuchte muss entsorgt und eine neue erstanden werden. Das war früher nicht so. Der Austausch des Leuchtmittels ist nur bei den wenigsten LED-Leuchten möglich. Insbesondere bei hochwertigen Büroleuchten ist dies selten der Fall, da hier die LED-Chips direkt im Leuchtmittel verbaut sind. Das stellt uns in der Planung und Handhabe vor eine Herausforderung, denn in einem Bürogebäude mit hunderten von Leuchten ist die Ausfallquote statistisch natürlich höher – und viele dieser Leuchten sind nach einigen Jahren am Markt nicht mehr erhältlich.

Alexa: Die Lösung liegt – in weiser Voraussicht – darin, mit hochwertigen soliden Herstellern zu arbeiten, die eine Nachkaufgarantie gewährleisten. Die E27 (großer Durchmesser) und E14 (kleiner Durchmesser) waren einst gängige Leuchtmittel. Es gibt Firmen, die dahingehend in eigener Forschung visionär agieren. Die Leuchtenfirma Viabizzuno beispielsweise hat ihr eigenes Leuchtmittel kreiert – die N55, damit sie immer darauf zurückgreifen kann: Den Chip gibt es in verschiedenen Lichtfarben und Stärken und das Leuchtmittel kann mittels Marionette-Verschluss ausgetauscht werden. Das war auch der Nachhaltigkeit geschuldet und entspricht dem immer mehr aufkeimenden Aspekt der Sustainibility. Renommierte Firmen investieren in Forschung und Entwicklung. 

Wie unterscheiden sich Licht und Beleuchtung in der Hotellerie und im Handel vom privaten Wohnen? Was wird sowohl beim einen als auch beim anderen besonders gerne nachgefragt? 

Andreas: Ich möchte mit einem Grundsatz beginnen: Im Hotel gibt es täglich wechselnde Gäste, da muss eine einfache Handhabe gewährleistet sein. Das Thema Lichtsteuerung kann in einem Wohnhaus komplexer und auf individuelle Vorlieben und praktische Bedürfnisse der Bewohner*innen zugeschnitten sein: Mit BUS-Steuerungen können mittels Smartphone Lichtszenarien geschalten werden usw. Diese Gangart wäre in der Hotellerie zu kompliziert.

Alexa: Im Hotel spielt Lichtplanung eine große Rolle, da viel „öffentliche“ Fläche und gemeinschaftlich genutzter Raum mit unterschiedlichen Funktionen vorhanden ist. Überall muss die richtige Stimmung herrschen, der Gast soll sich im Zimmer und außerhalb wohlfühlen. Im privaten Wohnen geht Beleuchtung es oft mehr tiefgründiger ins Design. Da sind bei der Beleuchtung das Kreative, Dekorative gefragt. 

Andreas: In der Hotellerie muss die Gastronomie mitgenommen werden. Da gilt es je nach Funktionsbereich des Hotels mit unterschiedlichen Requisiten aufzuwarten: die Inszenierung der Weinflasche im Weinschrank, die Betonung eines Sessels, die minimisierte Ausleuchtung der Spa-Safttheke. 

Nun ein kleiner kreativer Schwenker: Was auch immer wo auch immer auf der Welt würdet ihr gerne mit Licht bespielen?

Alexa: Ein besonderes Projekt, das ich gemeinsam mit dem ausführenden Architekten bereits umgesetzt habe, war eine Friedhofsbeleuchtung. Dieses Mystische hat mein Herz sehr berührt.

Andreas: Wir hätten beinahe an einem Projekt für einen 27 km langen Eisenbahntunnel in der Mongolei mitgewirkt. Das hätte mich sehr fasziniert. Es gibt nämlich bisher noch keine Eisenbahntunnel in der Mongolei, und deshalb auch keine nationalen Normen. Das wäre ein spannendes Novum gewesen. Aus Kapazitätsgründen konnten wir es allerdings nicht weiterfolgen. Was ich – frei von Konventionen, Orten und Plätzen – sehr gerne machen würde, wäre die Energieversorgung in einem Land des Globalen Südens zu planen: eine Photovoltaikanlage mitten in Afrika oder eine Stromversorgung für mehrere Städte aufbauen. 

Alexa: Mich würden auch Orte mit wenig Licht reizen – ein Yogahaus, einen Yogatempel in Japan mit Licht zu bespielen, Licht, das du spürst, jenseits von Normen. Dabei habe ich folgendes Bild vor Augen: ein dunkler Raum, wo EINE Lichtquelle ALLES ins rechte Licht rückt. Mit Mut zu wenig Licht, sakral arbeiten.

Welches Licht, welche Lichtfarbe oder Temperatur in welcher Typologie (atmosphärisches, funktionales, technisches) spricht euch in eurer Duo-Kombination – Mann und Frau, Andreas und Alexa – am meinten an?

Alexa: Die Lichtfarbe 2700K mit 10 Grad Ausstrahlungswinkel, spannend.

Andreas: Wir haben definierte Schnittstellen, diese Diskussion findet nur bedingt statt. Es kommt grundsätzlich auf das Projekt an: Bei Büros beispielsweise haben wir gemeinsame Aspekte der Gesprächsentwicklung, zur Leuchtenhängung in etwa, parallel zum Fenster oder senkrecht. Da diskutieren wir. 

Alexa: Tiefgaragen von Gebäuden sind ein gewisses Spannungsfeld für uns: Andreas meint technische funktionale Ausleuchtung und ich bin der Ansicht, dass eine Garage wie die Visitenkarte eines Gebäudes fungiert – sie ist der erste Eindruck eines Hauses. Es kann da schon funktional und ästhetisch sein.

Andreas: Wenn überall Kunst ist, ist nirgendwo Kunst. Man muss nicht in jedem Bereich des Hauses Lichtplanung haben. Es kann auch mal irgendwo rein basisch sein, dann kommen die anderen Elemente besser zur Geltung. Es muss in jedem Raum wohl überlegt sein, muss aber nicht in jedem Raum einen Mittelpunkt bilden.

Wir kommen langsam zum Ende dieser Runde. Abschlussfragen im privaten Rahmen: Welchen dekorativen Beleuchtungskörper finden wir in eurem Zuhause, der euch richtig am Herzen liegt? Und erzählt uns die Geschichte dahinter … 

Alexa: Die Hängeleuchte Minisosia von Castaldi über meinem Esstisch – sie macht ein wunderbares stimmiges Licht und war von meinem Onkel, mit dem ich immer gerne und rege über Beleuchtung diskutiert habe. Eine schlichte Leuchte mit einem großen emotionalen Wert. 

Andreas: Die Lucciola von Viabizzuno bei uns im Schaufenster ist meine Lieblingsleuchte ever – eine Glühbirne mit Wolframdraht, kein LED, auf einer Messingstange. Zuhause die Bogenleuchte Arco von Achille Castiglioni für Flos ­– ästhetisch, italienisches Design und einfach ein Klassiker.

Was ist euer Lieblingszitat oder -spruch – auch selbst kreiert – in Bezug auch Licht und Beleuchtung?

Alexa: Was in mir zu klingen kommt, ist: Das richtige Licht am richtigen Ort in der richtigen Menge.

Foto: (1) Alexa von Lutz + Andreas von Lutz (c) jaidermartina; (2) Minisosia Castaldo (c) von Lutz.

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