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April 11, 2023

„Der Schwimmkurs war voll“

Anna Tröger
L’art pour l’art – oder doch anders? In dieser Portraitreihe habe ich Südtiroler Künstler*innen interviewt. Dabei war es mir ein Anliegen, sie persönlich kennenzulernen und etwas über ihre Person auch jenseits ihres Tätigkeitsbereiches zu erfahren. Daher auch der Titel: Die Kunst, die durch diese Menschen entsteht, soll für die Gesellschaft zugänglicher werden.

Die, die immer noch so jung aussieht … franzmagazine hat Viktoria Obermarzoner bereits vor einigen Jahren interviewt: Als Antwort auf die erste Frage von damals steht, dass sie jünger aussieht, als sie ist. Das ist heute noch so. Auch Schauspielerin ist sie noch – und hat dies zu ihrem Hauptberuf gemacht. In angenehmem Beisammensein konnte ich ein bisschen mehr über ihren Werdegang und ihre Person erfahren.

In welchem Bereich der Kunst bist du zuhause und was machst du derzeit?

Ich bin hauptsächlich Schauspielerin, als solche arbeite ich derzeit auch. Außerdem bin als Regisseurin und Theaterpädagogin tätig.  

Wie hast du mit der Schauspielerei angefangen?

Das ist eine lustige Geschichte: Eine Freundin und ich wollten uns eigentlich für einen Schwimmkurs anmelden, haben dann aber keinen Platz mehr bekommen. Dann haben wir uns für ein Theaterprojekt im Theaterpädagogischen Zentrum in Brixen angemeldet. Im Lauf des Kurses habe ich gemerkt, dass mir das liegt und ich es gerne mache – ich bin dort persönlich sehr gewachsen. So hat es bei mir angefangen …

Warum genau Schauspiel? Was hat dich so lange am Ball gehalten?

Der Moment, in dem man sich mit dem Publikum austauscht, ist magisch – im Lauf der Zeit entwickelt man ein eigenes Gespür dafür. Die Energie, die im Theater entsteht, fasziniert mich immer wieder aufs Neue, denn im Zuge dessen werden auch immer wieder neue, aktuelle Themen angesprochen. Man setzt sich so auf eine ganz andere Weise mit vielen Dingen auseinander, bleibt offen und stellt sich neuen Herausforderungen. Im Theater lernt man sich und den eigenen Körper immer wieder aufs Neue kennen und muss eng mit Menschen arbeiten, man kann ihnen nicht ausweichen …

Würdest du sagen, dass es als Frau in diesem Business schwieriger ist? Ist Familie mit Beruf vereinbar? Wie sieht es mit Konkurrenz aus?

Ich bin nicht eine, die sich mit den Ellenbogen durchkämpft, sondern versucht, gemeinsam ans Ziel zu gelangen, ich bin da eher eine Teamplayerin. So kam es auch vor einigen Jahren zur Gründung von Binnen-I, einem Frauen-Theaterkollektiv. Im Theater sollte es wie überall ein Miteinander, kein Gegeneinander sein. An dieser Stelle sei erwähnt, dass in unserem Bereich viele Frauen – und viele talentierte Frauen – tätig sind. Das Problem hier bei uns ist sicher aber auch, dass es mehr Menschen als Arbeit gibt.
Ich selbst habe noch keine Kinder, von Kolleginnen habe ich aber mitbekommen, dass es manchmal nicht einfach ist und oftmals die Unterstützung fehlt. Als Frau sollte man sich – wie in jedem Beruf – erlauben dürfen, schwanger zu sein und trotzdem arbeiten zu können, wenn man möchte und kann, oder Unterstützung in der Kinderbetreuung zu bekommen oder ähnliches. In solchen Fällen braucht es jedoch auf jeden Fall Menschen bzw. Institutionen, die hinter einem – oder in diesem Fall hinter einer – stehen.

Hat es bei dir Hoch- oder Tiefphasen gegeben? – Sie müssen nicht unbedingt mit Erfolg oder Niederlage gekoppelt sein …

Für meine persönliche Entwicklung waren Produktionen wichtig, in welchen ich Monologe spielen durfte. Ich habe dabei sehr viel Selbstvertrauen für mich persönlich und auch für die Arbeit gewonnen. Ein weiterer Erfolg sind für mich Theaterinitiativen (Rotierendes Theater zum Beispiel), die unter anderem von mir gegründet wurden. Zu sehen, dass da bei vielen jungen Menschen ein Feuer entzündet wurde, das jetzt nach vielen Jahren noch nicht erloschen ist, erfüllt mich mit Stolz. Es ist schön zu sehen, dass wir damals etwas gesät haben, das jetzt gewachsen ist.
Tiefphasen fallen mir eigentlich gerade keine ein – das hängt bei mir immer sehr mit meiner körperlichen Verfassung zusammen. Ab und an hatte ich Momente, in welchen ich körperlich nicht so fit war und dadurch vielleicht nicht 100 Prozent geben konnte. In meinem Job ist das ein großer Druck – man muss pronto sein. Man kann nicht wie bei den meisten anderen Jobs einen Tag zuhause bleiben. Durch Corona hat man auch hier bemerkt, dass es auch funktionieren kann, wenn man mal nicht anwesend ist. Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt. So wird auch ein wenig klarer, dass wir auch auf unsere Gesundheit achten müssen, vor allem weil wir ohne unseren Körper nicht arbeiten können. Früher hat man mit Fieber gespielt oder ist nach einer Lungenentzündung gleich wieder auf die Bühne – das muss nicht sein.

Was ist deiner Meinung nach ein großes Manko in der Kunst und Kulturszene in Südtirol?

Das größte Manko ist meiner Meinung nach ein gesellschaftliches Problem: Viele Menschen verstehen nicht, dass Schauspiel wirklich eine Arbeit ist. Viele gehen aber auch nicht ins Theater, weil sie meinen, sie würden es nicht verstehen, es sei zu „nobel“, oder weil einfach kein größeres Interesse besteht. Daran sollte gearbeitet werden. Das Theater fungiert nämlich als Spiegel der Gesellschaft. Es kann uns einander näherbringen, Offenheit und Respekt füreinander stärken und unsere Community mitgestalten. Ich finde, mit unseren Eintrittspreisen hier ist das Theater schon zugänglich und leistbar, im Vergleich zu anderen Ländern. Ich vermute eine Blockade kann auch aus dem Bildungsbereich kommen, da ich persönlich mit der Schule nie ins Theater bin und daher schon im frühen Alter ungewollt eine gewisse Distanz entsteht. Mittlerweile hat sich das aber meines Wissens schon um Einiges gebessert, es werden immer häufiger Theaterworkshops etc. in Schulen angeboten. Auch der Theaterbesuch an sich ist etwas, das zum Alltag werden sollte. Zudem ist einfach immer noch wenig Geld in der Kulturförderung vorhanden. Die Politik und auch die Wirtschaft könnte da noch einiges dazu beisteuern, indem sie dem Kulturbereich mehr Wert und Gewicht geben würden.

Du bist ja auch als Theaterpädagogin tätig: Was möchtest du jungen Menschen durch dein Schaffen mitgeben?

Kinder sind so ungefiltert, für sie ist das Theater oft auch gar nichts Fremdes, sondern immer ein Spiel. Es fällt ihnen nicht schwer, sich in eine bestimmte Rolle hineinzuversetzen. Eine Message, die ich außerdem mitgeben möchte, ist: Es ist „wurscht“, einfach einmal probieren, vorher weiß man gar nicht, was man alles kann! Scheitern und Fehler machen gehören dazu. In den allermeisten Fällen passiert nichts. Man hat immer eine zweite Chance oder findet andere Möglichkeiten und Wege. In diesem Sinn möchte ich eine gewisse Lockerheit vermitteln.

Gibt es noch etwas, das dir unter den Nägeln brennt?

Mir wäre es eine Herzensangelegenheit im Theaterbereich in Südtirol die drei Sprachgruppen näher zusammenzubringen – sei es in den Produktionen als auch in den Institutionen. Es kann auch funktionieren, wenn man die Sprachen vermischt, dadurch könnten sich die italienische, ladinische und deutsche Bevölkerung auf kultureller Ebene näher kommen.

Foto: Viktoria Obermarzoner

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