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March 27, 2023

„Es ist ein sehr persönliches Business“

Anna Tröger
L’art pour l’art – oder doch anders? In dieser Portraitreihe habe ich Südtiroler Künstler*innen interviewt. Dabei war es mir ein Anliegen, sie persönlich kennenzulernen und etwas über ihre Person auch jenseits ihres Tätigkeitsbereiches zu erfahren. Daher auch der Titel: Die Kunst, die durch diese Menschen entsteht, soll für die Gesellschaft zugänglicher werden.

Victoria Angerer, 22, ist eine Bozner Schauspielerin und Musicaldarstellerin. Sie lebt in Wien, wo sie  eine Musicalausbildung anstrebt. Nachdem sie mich mit einem strahlenden Lächeln begrüßt hat, durfte ich ihr einige Fragen stellen, auf die ich sehr spannende Antworten bekommen habe.

In welchem Bereich bist du tätig?

Hauptsächlich bin ich Schauspielerin, ich war aber auch als Regieassistentin und Musicaldarstellerin tätig. Das Musical grenzt sich nämlich ein wenig vom herkömmlichen Theater ab: Es besteht aus Tanz, Gesang und Schauspiel. Man könnte daher sagen, dass das Musical in einem gewissen Sinn ein bisschen lebendiger als das Theater ist.

Was machst du am liebsten und wo findest du Inspiration dafür?

Ich bin am liebsten als Musicaldarstellerin tätig. Beim Schauspiel fehlt mir die Musik – vielleicht fühle ich mich auch deshalb eher zum Musical hingezogen, da dort oft Gefühle durch Musik ausgedrückt werden und mir das einfach besser liegt. Als Regieassistentin habe ich darin auch Inspiration gefunden, da man viele Dinge aus einem ganz anderen Blickwinkel sieht und dadurch auch besser an und mit sich arbeiten kann – das hat mich motiviert.

Welche Hindernisse gibt es in diesem Bereich? … wie kann man diese bewältigen?

In Südtirol ist ein gutes Netzwerk das A und O. Man muss sich in erster Linie gute Kontakte verschaffen und wissen, an wen man sich wann wenden kann/soll. Die Ausbildung ist zweitrangig, würde ich behaupten. Allgemein stört mich, dass Schauspielerinnen, oder in meinem Fall eher Musicaldarstellerinnen, oft Marionetten der Regisseur*innen sind. Vor allem im Musical-Bereich ist alles sehr an das jeweilige Aussehen gekoppelt. Wenn beispielsweise eine blonde Schauspielerin gesucht wird, dann fallen schon mal all jene weg, die nicht ins Schema Y passen. Es ist schön, wenn Regisseur*innen Schauspieler*innen auf einer Ebene begegnen und sie respektvoll behandeln.

Du lebst ja die meiste Zeit in Wien. Welche großen Unterschiede im Bereich der Kunst und Kultur sind dir persönlich im Gegensatz zu Südtirol aufgefallen? … welchen Ort bevorzugst du?

Was ich an Bozen schön und etwas störend zugleich finde, ist, dass ich immer einem bekannten Gesicht über den Weg laufe. Allgemein ist es in Südtirol einfacher, da viele Dinge allein durch Kontakte möglich wären, wenn man sie wirklich erreichen möchte. In Wien sind die Ausbildungsmöglichkeiten besser: mehr Möglichkeiten, größeres Angebot, bessere Dozent*innen.
Mir ist aufgefallen, dass das Theater in Südtirol vielen jungen Menschen fremd ist. Es gehen fast ausschließlich ältere Menschen ins Theater. Das ist schade. In Wien ist das anders, das Publikum ist viel jünger. Das hat aber auch mit dem großen Angebot und den Preisen zu tun. In Wien findet man sehr preiswerte Tickets – man kann mit 10 oder 15 Euro ins Theater.

Was hält dich in Südtirol?

Südtirol ist sehr schön, ich bin aber jung und möchte noch mehr entdecken und noch weitere Erfahrungen in anderen Ländern sammeln. Wenn es in Südtirol coole Projekte gibt, kann ich mir vorstellen hierzubleiben, also alles sehr abhängig vom (Kultur-)Angebot.

Was ist in deinem Tätigkeitsbereich wissenswert?

An dieser Stelle möchte ich appellieren, sich umzuhören und Kontakte zu schmieden, wenn man selbst Interesse im Schauspielbereich hat und vielleicht keine Anlaufstelle kennt. Ins Theater gehen, Schaupieler*innen um Rat fragen und mit ihnen sprechen. Wenn man sich dafür entscheidet, eine Ausbildung zu machen, dann sollte man unbedingt eine staatliche Schule bzw. Ausbildungsmöglichkeit wählen und keine privaten Schulen besuchen. Private Schulen oder Ausbildungen werden zwar anerkannt – sofern es ein Abschlussdiplom oder etwas derartiges gibt – werden bei Regisseur*innen aber in den allermeisten Fällen nicht berücksichtigt. Man kann in Einzelunterricht, wie etwa Gesangsstunden oder Schauspielstunden, investieren, die für ein Aufnahmeverfahren an einer staatlichen Schule vorbereiten. Und, ich wiederhole mich, es ist ein sehr persönliches Business. Damit muss man zurechtkommen – es ist aber nicht schlecht, wenn man das im Voraus weiß. Manche Musicalschulen haben auch eine Altersgrenze, das heißt, man kann, grob gesagt, nur bis Mitte 20 eine Ausbildung machen, weil man danach zu „alt“ dafür ist. Also wenn jemand mit dem Gedanken spielt, eine Musicalausbildung zu machen, sollte er*sie nicht zu lange darauf warten, an sich glauben und dranbleiben.

Pläne für die Zukunft?

Mein Traum ist es, am Abend als Musicaldarstellerin auf der Bühne zu stehen. Tagsüber würde ich aber gern als Theaterpädagogin mit Kindern und Jugendlichen arbeiten – dafür mache ich auch eine Ausbildung im theaterpädagogischen Zentrum in Brixen. Ich hoffe, dabei jungen Menschen etwas mitzugeben. Ich würde gerne an Schulen Workshops anbieten und mit Schüler*innen Theaterstücke bearbeiten oder Texte, um ein Theaterstück neu zu entwickeln. Ich glaube, dadurch kann man jungen Menschen viel mitgeben.

Foto: Victoria Angerer

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