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February 28, 2023

Anders ackern: das Greiterhaus

Nadine Pardatscher

Tour de Vinschgau – die zweite. Wohin? Heutiges Etappenziel ist das Greiterhaus in der Gemeinde Laas, und vorneweg Spoiler Alert – Greiterhaus hat nichts mit Petersilie, Basilikum, Rosmarin oder Thymian zu tun. Wandelbar und dem Wandel unterworfen: Elisabeth Prugger beschreibt mir ihren Bio-Landwirtschaftsbetrieb als eine „kleinbäuerliche Vielfaltsgärtnerei, einen Vielfaltsbetrieb, der auf mehreren Standbeinen steht und auch ständig in Entwicklung und nur mit viel Unterstützung von Familien und Freunden überhaupt möglich ist“. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Simon Platter versucht sie „die bunte Palette der Kulturpflanzen und vor allem auch der Sorten wieder zugänglicher zu machen, den Tisch zu bereichern und einen Beitrag zu einer lokalen Nahversorgung zu leisten“.

Ihr persönliches Reglement: Gesunde Lebensmittel anpflanzen unter Achtung der natürlichen Ressourcen inklusive Wahrnehmung naturgesetzter Grenzen. Sie ackern eben anders als die Generationen vor ihnen und bauen das Land, in Abhängigkeit vom Standort, an. Schwere Traktoren oder andere XXL-Maschinen adieu. Bäuerliche Subsistenzwirtschaft vor Marktwirtschaft, since 2020.01_GreiterHausMarktGarten_Lisi_Simon Greiterhaus_EyrsWer hat dein Denken geprägt?

Mein Studium der Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur in Wien, das Lernen von bäuerlichem Wirtschaften rund um Haus und Hof, Ethnologin und Soziologin Veronika Bennholdt-Thomsen sowie die Theorien der Subsistenzwirtschaft und des Ökofeminismus. 

Woher kommt der Name Greiterhaus?

Das Greiterhaus (Hof, Stadel, Stall) steht in Eyrs. Greit leitet sich vom althochdeutschen daz giriuti ab und entwickelte sich über gereut zum heute noch umgangssprachlich bekannten Grait. Der Name bezieht sich auf eine Ansammlung von Rodungen oder auf die Nutzbarmachung landwirtschaftlicher Flächen. Während einer Recherche über den Hof von Simons Vorfahren sind wir auf diesen Namen gestoßen, welcher uns passend für unsere Ideen einer zukunftsfähigen Landwirtschaft erschien. Im Logo, welches Simon entworfen hat, findet sich das Haus im Zentrum des Wirtschaftens wieder und es repräsentiert die Subsistenz oder das Lebenserhaltende. Das Haus wird gebildet aus dem Untergrund, dem Boden, der uns das Wirtschaften und Leben erst ermöglicht. Der Überbau, das Dach, wird aus den von uns kultivierten Beeten gebildet. Unsere Vorstellung von einem Kreislaufwirtschaften findet sich darin wieder.

Wie sieht euer Hofkonzept aus?

Wir versuchen möglichst schonend mit unserer Lebensgrundlage, dem Boden, umzugehen. Daher sind wir auf das Konzept des Market Gardenings gestoßen, das einen kleinstrukturierten Gemüseanbau meint, bei welchem auf permanenten Beeten und mit Handarbeit eine Vielfalt an Kulturen angebaut werden. Der biointensive Anbau bezieht sich dabei vor allem darauf, dass viele der Beete zwei bis drei Mal in der Saison schonend genutzt werden. Da mit sehr engen Pflanzenabständen gearbeitet wird, kann das Maximale aus der Anbaufläche erwirtschaftet werden. Wir haben das System nach unseren Bedürfnissen und Vorstellungen etwas angepasst, so nutzen wir beispielsweise keinen zugekauften Kompost und beschränken uns auf kleine Mengen. Unsere Produkte werden direkt bzw. auf Märkten verkauft. Die Wertschöpfung bleibt somit möglichst am Hof, was ein weiteres wichtiges Merkmal kleinstrukturierter Betriebe darstellt.03_GreiterHausMarktGarten… und was findet man auf eurem Hof?

Wir sind kein Hof im klassischen Sinn, zumindest im Moment haben wir noch keine eigentliche Hofstelle und unsere Flächen sind über das ganze Gemeindegebiet Laas verteilt. Auf einer Fläche haben wir den Marktgarten, auf einer anderen Fläche eine Kombination aus Gemüsebau und Obstbäumen. Es handelt sich dabei ausschließlich um Einsatz von samenfestem und bewährtem Saatgut. Insgesamt bauen wir rund 50 verschiedene Gemüsekulturen an und davon jeweils eine Menge an Sorten. Die Obst-Palette hingegen reicht von Birne über Pflaume, Apfel, Pfirsich bis hin zur Marille. Die Früchte der Vinschger Marillenbäume veredeln wir beispielsweise auch zu Marmeladen und Säften.
Wir sind in stetiger Entwicklung und konnten in den vergangenen Jahren fast jährlich eine Fläche dazu nehmen, welche wir entweder von unseren Eltern zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt bekommen oder gepachtet haben. 09_GreiterHausMarktGarten_Obst_Canada_Renette Gemuese_Zwiebel_VielfaltWie funktioniert die Gemüsebestellung?

Gemüse kann in den Monaten von April bis November einfach online bestellt werden. Anrainer*innen haben zusätzlich die Möglichkeit, ein Gemüse-Abo abzuschließen, welche dann wöchentlich ein Biokistl via Fahrrad geliefert bekommen.04_GreiterHausMarktGarten_GemÅsekisteWer ist Radkurier?

Wir fahren beide ein Lastenfahrrad und wir haben zusätzlich einen Fahrrad-Marktstand mit dem wir im Sommer auf den näheren Märkten unterwegs sind. Soweit es geht und die Menge es zulässt, nutzen wir unsere Räder. Aber das Auto kommt schon ab und zu noch zum Einsatz. 05_GreiterHausMarktGarten_Markt_1Arbeitet ihr mit anderen Betrieben zusammen?

Mit anderen Höfen haben wir eine kleine Tauschwirtschaft aufgebaut und tauschen Gemüse gegen Käse, aber ebenso Kuhmist für unseren Kompost. Zudem sind wir ständig in Kontakt mit den mittlerweile ja schon recht zahlreichen kleinstrukturierten Gartengemüsebetrieben und unterstützen uns gegenseitig.
Außerdem haben wir angefangen bei kleineren Veranstaltungen zusammen mit einem guten Freund und Koch Gäste zu bekochen, wie beim Kultur Aperitivo in der BASIS in Schlanders während der Sommermonate. Wir bestehen darauf, dass das Gemüse für sich selbst stehen kann und nicht nur als Beilage serviert wird, weshalb wir uns immer um besondere altbewährte Gerichte bemühen. Eine ganz wichtige Kooperation ist für uns die Bürger*genossenschaft Obervinschgau, bei welcher ich im Vorstand mitarbeite. Über die Marktstände der Genossenschaft verkaufen wir einige von unseren Produkten. Im Sinn des gemeinschaftlichen Handelns ist es uns wichtig, eingebettet zu sein und zusammen an Ideen zu schmieden, die zukunftsfähig sein können. 

Zum Grand Final gibt mir Elisabeth noch einen Denkanstoß bezüglich unser vermeintlich vielfältigen Gemüseauswahl mit: Im Supermarkt finden wir höchstwahrscheinlich Fleischtomaten, Ochsenherzen, Cherrytomaten, Cocktailtomaten, Datteltomaten und zwei drei Sorten mehr. Kein Paradebeispiel bedenkt man, dass es weltweit Tausende, ja Zehntausende an Tomatensorten gibt. Es ist ein Denkanstoß, den ich gern weitergeben möchte …

Dein Gemüseabo für die kommende Saison. Vom Westen was Neues: Greiter-News gibt’s hier

Fotos: (03) Greiterhaus Eyrs aus: Waldner et al.(1990), Häuser von Laas […]; alle anderen: © Greiterhaus

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