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February 22, 2023
OfficineVispa – ein besonderer Ort der Begegnung
Susanne Barta
Schon länger stand ein Besuch bei der Sozialgenossenschaft OfficineVispa auf meiner To-do-Liste. Die vielfältigen Aktivitäten, vor allem im Textilbereich, interessierten mich, auch weil Leute, die ich kenne und schätze, in diese Projekte involviert sind. OfficineVispa arbeitet für und mit der Community. Und das seit vielen Jahren. Mit dem Rad geht’s also nach Bozen Süd, in das Viertel Don Bosco. Die Genossenschaft hat vier Standorte, ein weiterer wird bald im Stadtteil Casanova eröffnet. Ich besuche die Räume am Anne-Frank-Platz, denn dort findet seit kurzem jeden Montag ein Textil-Repair-, also ein Mending-Nachmittag statt – organisiert und begleitet von der Eco-Social-Designerin Adele Buffa. Die kennt ihr vielleicht von ihrem sehr spannenden Projekt „Der blaue Schnipsel“. Nach Don Bosco begleitet mich auch die Designerin Violeta Nevenova, sie hat letztes Jahr hier den Kurs „Arte Tessile e Riuso Creativo“ gehalten, finanziert vom Europäischen Sozialfond. Dazu etwas später. Bei OfficineVispa treffen sich Menschen aus dem Viertel unter der Leitung von Sozialarbeiter*innen. „Auch einige Bewohner*innen bringen ihre Zeit und ihre Fähigkeiten ein. Verschiedene Services können so kostenlos angeboten werden, wie zum Beispiel Essen für ältere Mitbürger*innen“, sagt Xenia Trojer, die für die Sozialgenossenschaft arbeitet. Die vielen Projekte und Aktivitäten für Familien, Jugendliche und Senioren aus verschiedensten Ländern bringen die Leute zusammen. Es ist eine Initiative am Rande der Stadt, die Themen aufgreift, die die Menschen hier bewegen. Eine (Vermittlungs-) Arbeit zwischen verschiedenen Kulturen und den Herausforderungen, denen sie hier begegnen.
Seit kurzem ist Adele Buffa dafür zuständig, die „Sartoria Sociale“ zu koordinieren und weiterzuentwickeln. Sie macht das mit Engagement und Feingefühl. Das Projekt firmiert unter dem Namen „ZipLab“. „Kurse und Veranstaltungen rund um das Nähen haben sich zu einem wichtigen Instrument der sozialen Arbeit entwickelt“, erklärt Xenia. Zoja, eine ältere Frau aus Kosovo, sitzt an der Nähmaschine, eine junge Frau flickt und auch ich habe ein Kleidungsstück mitgebracht, das ein Mottenloch hat. Adele gibt Ratschläge und Hilfestellung. Später kommen noch Rokesana Rahman aus Bangladesch und Joy aus Nigeria mit ihrem Baby dazu. Dazwischen wird Tee getrunken und selbstgemachter Kuchen gegessen. Es ist ein berührender Ort. Begegnung findet statt ohne viel Aufhebens darum zu machen. „Einige Frauen“, erzählt mir Adele, „nutzen diese Angebote auch, um ihr Italienisch zu verbessern“.
Adele arbeitet mit OfficineVispa auf verschiedenen Ebenen zusammen. Das wichtigste Projekt ist, wie gesagt, „ZipLab – Sartoria Sociale“. Dabei geht es auch darum, Angebote für Migrantinnen zu schaffen. Aber auch ökologische Gesichtspunkte spielen eine wichtige Rolle sagt sie: „Wir arbeiten mit Restmaterialien und versuchen Kleidungsstücke, solange es geht, im Kreislauf zu halten.“Adele beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Nachhaltigkeit bei Textilien. Von Mode möchte sie nicht sprechen, denn Mode sei etwas Vorüberziehendes, Trendgesteuertes und das gefalle ihr nicht. „Das, was mich bewegt, ist die Leidenschaft für das Nähen, ohne allerdings Schneiderin zu sein“, sagt sie. Nähen hat Adele von ihrer Großmutter gelernt. In Turin, wo sie aufgewachsen ist, hat sie schon als Studentin soziale Nähprojekte auf die Beine gestellt.Auch Violeta hat sich an diesem Nachmittag eine Flickarbeit vorgenommen. Letztes Jahr betreute sie hier einen Kurs im Rahmen von „Liscià: Donne che raccontano Donne“. Violeta unterstützte drei Frauen handwerklich und künstlerisch dabei, ihre Geschichten zu erzählen. 20 Kissen, Taschen und einige Kleider sind entstanden, alles Einzelstücke. „Auch ich habe viel gelernt“, sagt Violeta, „eine der Frauen konnte wunderbar sticken; es war eine große Freude mit ihnen zu arbeiten, ihnen zuzuhören und sie in diesem Prozess zu begleiten“.Vor den Räumlichkeiten der Genossenschaft steht eine größere Holzkonstruktion, der so genannte Cubo del Riuso. Ein Tischler aus dem Viertel hat ihn vor zehn Jahren angefertigt und zur Verfügung gestellt. Gut Erhaltenes und Brauchbares – kleine Gegenstände und Kleidungsstücke – können hier abgestellt werden. „Manche Bewohner*innen des Viertels kommen jeden Tag vorbei, um zu schauen, ob etwas Passendes für sie dabei ist. Tausende Stücke wechseln hier im Laufe eines Jahres ihre Besitzer*innen“, erzählt Xenia. Ein Kreislaufprojekt, das offensichtlich richtig gut funktioniert.
Einige Kurse bei OfficineVispa sind nur für eine bestimmte Gruppe des Viertels zugänglich, die folgenden Angebote stehen allen offen: Jeden Montag findet von 15 bis 18 Uhr im Spazio Riparazione, Anne-Frank-Platz 9 in Bozen, der Repair-Nachmittag „Fixing a hole“ statt; jeden Dienstag von 15 bis 18 Uhr „Filo Filó“, Frauen treffen sich zum Sticken und Stricken; am Donnerstagnachmittag von 15 bis 18 Uhr geben ältere Damen des Viertels Tipps und Ratschläge für Näharbeiten. Alle weiteren Angebote, Veranstaltungen und Aktivitäten findet ihr hier. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, der Repair-Nachmittag hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wenn ihr die Arbeiten, die in Violetas Kurs entstanden sind, sehen und die Frauen kennenlernen möchtet: Am 16. März wird um 19 Uhr im Spazio „WE Women Empowerment“ am Dominikanerplatz 22 in Bozen die Ausstellung „Collezione Liscià meets ZipLab“ eröffnet. Mit Musik, Lesungen und einem Umtrunk.
Fotos: (1–7, 11–12) © Susanne Barta; (8–10) © Violeta Nevenova.
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