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February 9, 2023

Kein Schnee von gestern …

Kunigunde Weissenegger

Wirtschaftsfaktor, Umwelteinfluss, Landschaftsimpact, Kindheitserinnerung, Romantik, Ästhetik, Verehrung, Droge, Lähmung, Chaos, Kunst. Schnee ist vieles … solang er noch fällt und es ihn unkünstlich gibt, feiern wir ihn, auch künstlerisch …

… hat sich anscheinend auch der Verein Kubatur auf dem Schlernhochplateau gedacht und zeigt in Zusammenarbeit mit der Kuratorin Adina Guarnieri ab morgen in der Laechlergalerie diverse Positionen von neun Kunstschaffenden aus dem In- und Ausland. An die Kuratorin ein paar Fragen … 

„SNOWY!“ lässt – besonders in Zeiten von Schneearmut und Lawinenunglücken, Gletscherschwund und zunehmenden Tourist*innenströmen, Kunstschnee und der großen Sehnsucht der Menschen nach der Natur usw. – viel Interpretationsspielraum zu. Wie liest du den Titel?

Der Titel öffnet zahlreiche Türen, er liefert keine genauen Anhaltspunkte und lässt den Gedanken freien Lauf, doch gerade das Undefinierte macht ihn interessant. Für mich persönlich hat die Verbindung Schnee-Kälte-Eis viel mit meinen Kindheitserinnerungen zu tun. Ich denke da an den Kachelofen der Großmutter, den Duft von Mandarinen, an das Rodelfahren durch die Weinreben. Und schon immer hat mich Schnee in der Malerei fasziniert: Die winterlichen Fresken im Adlerturm in Trient, die „Jäger im Schnee“ von Pieter Bruegel der Ältere, die Tiere im Schnee bei Franz Marc. Aber genug von mir, denn eigentlich ging es mir darum, wie andere auf das Thema reagieren. Ich habe während der Vorbereitungsphase das Wort „Schnee“ in den Raum gestellt und die Künstler*innen haben prompt darauf reagiert. Da habe ich verstanden: SNOWY hat Potential, weil es sofort etwas auslöst, ob es nun um den Klimawandel geht, den alpinen Tourismus oder die Farbe Weiß in ihren vielen Nuancen. Alle Beteiligten stammen aus dem Alpenraum oder leben bereits seit vielen Jahren hier. Es kann also durchaus sein, dass wir ein besonderes „Gespür für Schnee haben“, um es mit Fräulein Smilla zu sagen.Felix Tschurtschenthaler, Schneegarantie, 2016, Holz2Nach welchen Kriterien hast du dich für genau diese Künstler*innen entschieden?

SNOWY ist die Folgeausstellung von ROCKY!, die im Juli letzten Jahres stattgefunden hat. Bereits damals war es dem Verein Kubatur als Organisator und mir als Kuratorin wichtig, eine möglichst gemischte Schau auf die Beine zu stellen. Lokale und internationale Kunstschaffende, etablierte Positionen, Nachwuchstalente, quer durch die Genres hindurch. Im Sommer hat das wunderbar funktioniert und auch jetzt bin ich diesem Prinzip treugeblieben. Beruflich habe ich oft mit kreativen Persönlichkeiten zu tun, mit interessanten Menschen. Da habe ich angesetzt: Ich wollte Künstler:innen einladen, die nicht nur wegen ihrer Werke, sondern auch als Charaktere gut zueinanderpassen und durch die gemeinsame Arbeit auf irgendeine Weise bereichert nach Hause gehen. Zugegeben, das klingt etwas kitschig, aber bei ROCKY! ist genau das passiert. Und SNOWY! hat ebenfalls die besten Voraussetzungen.

Worin unterscheiden sich die einzelnen Positionen?

Es sind acht Positionen, das Alter liegt Pi mal Daumen zwischen 25 und 75, eine stammt aus Paris, der andere lebt in München usw. Das sind ganz individuelle Erfahrungshintergründe, da ergeben sich die Unterschiede von allein. Interessant ist, dass die Ausstellung genreübergreifend ausgerichtet ist. Malerei, Video, Installationen, Fotografie, Holzbildhauerei – es sind deshalb nicht nur verschiedene Inhalte, sondern auch formal, haptisch und optisch vollkommen andere Herangehensweisen. Die abstrakten Gemälde von Jörg Hofer widmen sich zwar dem Klimawandel, aber die Perspektive ist sehr intim. Nicht die Darstellung an sich, sondern die Art und Weise, wie sie auf die Leinwand kommt – die Oberfläche wird grob mit einer Harke zerkratzt – ist Ausdruck der drohenden Gefahr. Michael Fliri zeigt das Video „Der Schneemann“, fast schon eine Hommage an die Sinnlosigkeit und das Scheitern, denn kein Schneemann dieser Welt ist für die Ewigkeit geschaffen. Benno Simma arbeitet mit Acryl und Collage und thematisiert den „Schneeballeffekt“, was in die Wirtschaft und Finanzwelt führt, aber auch als die überwältigende Kraft der täglichen Ereignisse gelesen werden kann. Wie schon gesagt: Schnee weckt viele Emotionen, Gedanken, Vorstellungen. Die Beiträge sind deshalb sehr abwechslungsreich, es gibt durchaus ästhetische Momente, aber sie regen auch zum Nachdenken an.Simon Terzer, Ohne Titel, 2020-21, FotoarbeitUnd was haben sie Gemeinsames?

Ich habe den Eindruck, dass sie sich Sorgen machen um die Zukunft der Welt, der Natur. Die Klimakrise kommt stark zum Tragen, auch in jenen Arbeiten, die eigentlich keinen direkten Bezug dazu haben. Wenn Sophie Eymond die Schönheit eines gefrorenen Wasserlaufs einfängt, oder Susanne Burchia die Stille einer verschneiten Stadt, dann sehe ich dahinter stets die Aufforderung, diese Schönheit zu bewahren. Sehr präsent ist auch das zwinkernde Auge, sprich die Ironie. So behandeln die Fotos von Simon Terzer den Schnee als eine Art Dodo der Wetterphänomene, den wir bald nur noch im Museum zu sehen bekommen. Das deutsche Künstlerduo Gregor Passens/Torsten Mühlbach geht in gleich mehreren Arbeiten den Weg des Humors, ebenso Felix Tschurtschenthaler, der sich seine eigenen Erfahrungen als Ski- und Bergführer zunutze macht, um auf die Folgen des Massentourismus hinzuweisen. Vermutlich ist die Ironie oft wirksamer als so mancher Klimagipfel. Generell sollten wir uns selbst nicht allzu ernst nehmen und stattdessen den Ernst der Lage erkennen. 

Die Ausstellung „SNOWY! – Kunst-Schnee | Neve art-ificiale“ mit Susanne Burchia, Sophie Eymond, Michael Fliri, Jörg Hofer, Gregor Passens/Torsten Mühlbach, Benno Simma, Simon Terzer, Felix Tschurtschenthaler, organisiert vom Verein Kubatur wird am Freitag, 10. Februar um 19:00 in der Laechlergalerie am Krausplatz 2 in Kastelruth eröffnet und ist bis 26. Februar 2023 zu sehen (16:30–18:30, samstags auch 10:00–12:00). Am 18. macht Kuratorin Adina Guarnieri um 10:00 eine Führung.

Fotos: (1) Benno Simma, Schneeballeffekt II, 2023, Acryl; (2) Felix Tschurtschenthaler, Schneegarantie, 2016, Holz; (3) Simon Terzer, Ohne Titel, 2020-21, Fotoarbeit.

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