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January 12, 2023
Cosa ci insegnano le Alpi 12. Design, arte, cultura: Hubert Kostner
Emanuele Quinz
Für die vierte Episode des zweiten Teiles unserer Serie treffen wir den Künstler Hubert Kostner. Geboren ist er 1971 in Brixen und lebt in Kastelruth. Nach seiner Studienzeit an der Akademie der Bildenden Künste in München verbrachte er einige Zeit in Madrid und Peking. Seine Werke wurden in internationalen Museen und Galerien, wie MUSEION Bozen, MAM Contemporary Art Gallery Wien und Salzburg, Biennale di Venezia, Mart Rovereto, Galleria Civica Trento, Museum Liaunig, Ursula Blickle Stiftung, Kunst Meran und Galerie der Künstler*innen München, ausgestellt.
Welche Beziehung hast du zu den Alpen?
Ich lebe seit 50 Jahren in den Alpen. In den Dolomiten. Der Schlern, mein Hausberg, ist der westlichste Berg mit Dolomitstein. Ihn sehe ich jeden Tag. Beim Frühstück, beim Mittagessen und beim Abendessen. Meine Frau, die ich seit 20 Jahren kenne, hat ein Hotel auf der Seiser Alm. Dort endet jeder Blick, der die Weite sucht, an einem Berggipfel. Lang- und Plattkofel, Tofane, Sellastock, Geislergruppe, Marmolada, Rosszähne, Schlern, Ortler, alle von dort aus sichtbar. Immer endet der Blick am Ende des Horizontes an einem Gipfel der Alpen. Also ist es in erster Linie eine visuelle Verbindung, die ich zu den Alpen habe. Aber mit dem Älterwerden erkenne ich auch, dass die Verbindung viel weiter reicht, als das Auge erkennen mag. Ich würde behaupten, es ist auch eine kulturelle, geschäftliche und emotionale Beziehung.
Kannst du eine Geschichte, eine persönliche Erinnerung, ein Gleichnis, eine Anekdote mit Bezug zu den Alpen erzählen?
Als Bub war ich im Sommer einige Male für eine Woche auf der Almhütte meines Onkels. Das Trinkwasser mussten wir damals in Blechkübeln von der Quelle holen, es gab keinen Strom und wir schliefen im Heu. Unsere Aufgabe war es, bei der Heuernte zu helfen und die Kühe zu versorgen. Ein Hirte in meinem Alter war auch dort, und auch mein Cousin. Auf der Suche nach spannenden Spielen fiel uns eines Tages folgendes ein: Wir machten im Herd mit frischem Heu Feuer, schlossen den Abzugskamin am Herd und spielten, wer es länger in der vollkommen zugenebelten Hütte aushalten könne, ohne die Tür zu öffnen und Frischluft zu atmen. Das Spiel wurde durch das hektische Eintreffen meines Onkels, der die Hütte von weitem im Vollbrand wähnte, abrupt beendet. Auf dieser Hütte hatte ich aber auch das erste Mal Heimweh. Ein bedrückendes Gefühl, das stark mit den Alpen, zumindest bei mir, in Verbindung steht. Nachher hatte ich dieses Gefühl nirgends mehr auf der Welt. Vielleicht hängt das aber auch mehr mit dem Kind-Sein zusammen als mit dem Ort.
Was hast du von den Alpen gelernt?
Was ich gelernt habe, ist mir vielleicht nicht so genau bewusst, da mir die objektive Distanz dazu fehlt. Ich schätze, dass ich von den Alpen gelernt habe, dass es Grenzen gibt, die relativ schnell erreicht sind. In Verbindung mit dem physischen und psychischen Leben im Alpenraum. Gerade dieses Bewusstwerden der eigenen Grenzen provoziert in mir eine weitere Erfahrung, die sich daraus ableitet: die Akzeptanz der Grenze und die daraus hervorgehende Zufriedenheit mit meinem Inneren. Ich fühle mich zufrieden, wenn ich meine Grenzen erfahre und mir bewusst geworden ist, dass ich diese Grenze nicht überwinden kann. Mir ist aber bezüglich des Lernens gerade eben auch etwas Kurioses eingefallen – und zwar etwas, das ich von den Alpen nicht lernen konnte: das Geradeaus-Gehen. Die Alpen lassen es nicht zu.
Was lehren uns die Alpen?
Anschließend an die philosophische Überlegung des Geradeaus-Gehens könnte ich daraus eine Schule des Denkens ableiten: Die Alpen lehren uns, dass wir nicht geradeaus gehen können und sollen, dass alles im Leben ein Auf und Ab ist. Mit Hindernissen, die akzeptiert werden sollen, und mit Wegen, deren Ziel oftmals nicht direkt ersichtlich ist. Die Alpen sind für mich somit eine Schule des Denkens und des Sehens, in den Alpen sehe ich, um es sehr einfach auszudrücken, dieses aus Stein geformte Denkmodell in hoher ästhetischer Qualität.
Was würde aber ein Denker sagen, der in der Wüste lebt? – Ich nehme an, er könnte länger geradeaus schauen und auch gehen und hätte somit einen anderen Horizont vor sich, der andere Gedanken zulässt.
Künstlerisch gesehen lehren uns die Alpen in ihrer vertikalen Ausdehnung den raumgreifenden Blick, die Möglichkeit, immer auch die andere Sichtweise zu wählen. Der Alpenraum hat somit im Vergleich zur Ebene immer zwei Achsen, die vertikale und die horizontale; beide Achsen stehen immer in dynamischen Bezug zueinander. Daraus ergibt sich ein sehr spezielles Erleben und Sehen von Raum.
Berge tauchen in deinen Arbeiten häufig auf, entweder als dargestellte Objekte (ich denke zum Beispiel an „Weiße Berge, tote Täler“, 2009) oder als Orte für ortsspezifische Installationen – wie im Fall des Projekts Sasmujel (realisiert für das Festival Transart 2019). Wie kam es zu diesem letzten Projekt?
Die Idee zu Sasmujel kam mir vor über zehn Jahren. Der Berg „fesselt“ mich, ich fessle zurück. Der Bergsteiger steigt und sichert mit Hilfe eines Seils. Seile machen und machten es den allermeisten Alpinisten erst möglich, Routen zu klettern. Seile sind das wichtigste Hilfsmittel am Berg und als solches waren und sind sie essentiell für das „Erleben“ der Berge. Seile sind die einzige soziale Komponente beim Bergsteigen, sie verbinden die Bergsteiger bei ihrem Tun. Im weitesten Sinne sind wir bereits im Mutterleib über eine seilartige Verbindung, nämlich der Nabelschnur, mit unserer Außenwelt und mit dem Rest der Welt verbunden.Auch die Umsetzung des Projektes war nur über Seilschaften möglich. Im Alleingang, Jahre vorher, hatte ich die nötigen Genehmigungen bei den Gemeinden nicht erhalten, in Verbindung mit Transart und des anstehenden Jubiläumsjahres „150 Jahre Erstbegehung Langkofel“ hat es dann mit der Umsetzung geklappt.
Eine andere Arbeit von dir nutzt die Alpen als Bühne für eine Performance, ein Video (Blauer Ball, 2002), in dem ein Ball zu sehen ist, der sich über die Seiser Alm bewegt. Kannst du uns etwas über dieses Projekt erzählen?
Ein blauer Ball aus Kunststoff mit ca. 170 cm Durchmesser wurde von Freunden und mir auf einen Berggipfel getragen. Dort füllten wir ihn mit Luft. Dann brachte ich ihn ins Rollen. Beeinflusst von naturwissenschaftlichen Gesetzen (Schwerkraft, Fliehkraft usw.) und den vor Ort existierenden geologischen Bedingungen suchte sich der Ball seine Geschwindigkeit und seinen Weg. Ganze drei Minuten und zwanzig Sekunden lang beschreibt er seine Linie in der Landschaft. Für mich ein Versuch, alpine Landschaft neu und skulptural sichtbar zu machen. Nicht alleine im Atelier, sondern mit Freunden und an der frischen Luft.
In anderen Arbeiten – ich denke da vor allem an Miniaturmodelle – bringst du Berge ins Museum. Warum?
Miniaturmodelle ermöglichen epische Zugänge zu alpinen Landschaften. Sie ermöglichen es, interessierten Menschen Berge einfach und spielerisch zu sehen. Auch denen, die im sonstigen Leben nie in die Berge gehen würden oder nie dort waren. Miniaturmodelle haben etwas Harmloses, Sympathisches; sie verbergen die schlimmen Seiten eines Dinges, zeigen immer die Variante, die sicher ist. Dann ist da auch noch die Möglichkeit der distanzierten Sicht auf ein Ding – das ist eine gute Möglichkeit, eine Sache zu begreifen. Diese Eigenschaften von Miniaturmodellen erscheinen mir in Bezug auf das Thema Berg reizvoll. Das Museum erscheint mir also der richtige Ort für diese Möglichkeiten, da es sich um Denkräume handelt, die für solche Gedanken gebaut wurden.
Gibt es hinsichtlich deiner Beziehung zu den Alpen Arbeiten, die eine Rolle für dich spielen? Arbeiten von anderen Künstlern, Autoren oder historischen Persönlichkeiten?
Walter Niedermayr hat mit seiner fotografischen Arbeit an alpinen Orten Ende der neunziger Jahre zur geistigen Stimulation meiner Gedankenwelt in meiner Studienzeit beigetragen. Roman Signer mit seinen Arbeiten spielt eine Rolle. Das Buch „Deutsche am Nanga Parbat“ von Fritz Bechtold. Die Bücher von Reinhold Messner sicherlich auch in gewissem Maße. Luis Trenker vielleicht. Der Film „Der Weisse Rausch“ von Arnold Fanck und dessen Fotos. Aber auch Sol LeWitt, Richard Long, Alfons Walde oder auch Stephan Huber, um nur einige zu nennen, die mir spontan einfallen. Und dann gibt es da noch die unzähligen Fotografen und Kreativen im Dienste der vergangenen hundert Jahre der Tourismusindustrie, sie sind ebenso prägend und wichtig für meine Sicht auf die Alpen wie die vorher genannten, bekannten Persönlichkeiten.
Wenn du deine Position zusammenfassen müsstest, warum sind die Alpen so zentral für deine künstlerische Forschung? Weil sie für dich eine Heimat darstellen oder weil sie auf eine universelle Landschaft hinweisen?
Weil ich in den Alpen die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe.
Artworks:
1) ?, 2013, 90×50 m, im Rahmen von smach
2) agner, 2012, 100 m2 Installation, Dolomitgestein, 1.600 mt Kletterseil, Foto: Giacomo de Doná
3) Sasmujel (Im Rahmen von transart 19), 2019-2020, ortsspezifische Kunstinstallation mit, 10.500 mt Kletterseil, Foto: Tiberio Sorvillo
4) tyrol, 2007, verschiedene Grössen (80-100 cm), mixed media
5) an der bahn, 2008, 170x120x50 cm, mixed media
Visual Design: Studio Babai
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