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January 11, 2023

Expressing your personality

Susanne Barta

In den letzten Wochen bin ich immer wieder nach Styling-Tipps gefragt worden. Und es hat mir großen Spaß gemacht, Outfits zusammenzustellen, ein bestimmtes Teil zu stylen. Der persönliche Stil, der eigene Ausdruck ist ja ein thematischer Dauerbrenner. Kaum eine*r kommt darum herum, sich dazu Fragen zu stellen. Der Druck der Modeindustrie ist gewaltig, der soziale Druck der Gesellschaft – der, in der wir leben und der, in die wir uns hineinträumen – ist vielschichtig. Die meisten würde ich sagen sind „lost in translation“. Also verloren darin, aus all den Bildern, Vorgaben, vermeintlichen Regeln, Trends und Wünschen das herauszuholen, was ihnen und ihrem Leben entspricht.   

Vor kurzem hat die Fashion-Journalistin Becky Malinsky in ihrem Newsletter über den Unterschied zwischen Geschmack (Taste) und Stil (Style) geschrieben. Geschmack, schreibt sie, sei etwas umfassenderes, Stil sehr persönlich. Es kann einem etwas gefallen, aber nicht zum eigenen Stil passen. „Let’s break it down: Consider our taste as our kingdom in taxonomic rank, and our style as our individual, VERY specific species. Or in simpler terms, taste is a general category in which things you love fall into. But not everything you love needs to be something you buy, own or wear. Not everything you love will suit you. Style is more specific. It’s the things you love, that you wear (and don’t wear you) and make you feel confident and distinct.” Das finde ich sehr zutreffend.

Über Style und Styling wird sehr viel geschrieben, unzählige Youtube-Videos können konsultiert werden. Die unterschiedlichen und manchmal gänzlich konträren Dos and Don’ts sind aber eher verwirrend als hilfreich, finde ich. Modemagazine, Celebrities, Influencer*innen, Serien wie Bridgerton, The Crown, Emily in Paris und wie sie alle heißen und die Brands selbst bombardieren uns ununterbrochen mit ihren Styles und Must-haves. Seit Jahren wird uns eingebläut, nur wer die neuesten Trends trägt, ist in, chic, modern, gehört dazu, hat Erfolg. Das ziemlich ernüchternde ästhetische Ergebnis sieht man auf den Straßen.styling_2_emily in Paris (c) STÉPHANIE BRANCHU:NETFLIXPersönlicher Stil hat für mich vor allem mit Selbstreflexion und Selbsterkenntnis zu tun. Mit dem Leben, wie ich es lebe, wonach ich es ausrichte. Mit dem, was mir wichtig ist. Und ich habe selbst erfahren, je mehr ich mich mit dem, was ich trage beschäftige, desto mehr wirkt sich das darauf aus, wie ich mich kleide.

Kleidung ist wertvoll, kein Wegwerfprodukt und sollte im besten Fall ein Leben lang oder zumindest viele Jahre getragen werden. Das heißt auf Materialien, den Schnitt, die Verarbeitung zu achten, sich zu fragen ob das Kleidungsstück auch wirklich zu mir passt, wann, wie oft ich es tragen werde, wie es sich in meine Garderobe einfügt und wo und von wem es hergestellt wurde. Auch geht’s darum wie ich das Stück waschen und pflegen kann. Diese Fragen stellen sich sowohl bei einem Secondhand- als auch bei einem Neu-Kauf.styling_3+4 (c) susanne bartaDiese Jacke habe ich von meinem Sohn Konstantin und seiner Frau Francisca zu Weihnachten bekommen. BYOU  ist ein kleines portugiesisches Label, das, wie ich nachgelesen habe, nicht nur großen Wert auf inspirierendes Design legt, sondern auch auf Nachhaltigkeit. Ich habe die Jacke gleich ins Herz geschlossen, oversized mit leicht gepufften Schultern, casual channeling Chanel. Sie passt zu vielem in meinem Kleiderschrank. Hier kombiniert mit Leder-Mini und mit Jeans. Besonders freut mich, dass die beiden genau überlegt haben, was sie mir schenken, ein konventionelles Label wäre nicht in Frage gekommen. 

Persönlicher Stil hat keine Regeln. Jeder Mensch, jeder Körper, jedes Leben ist anders. Wer sich gut kennt und weiß, was zu einem passt, fällt viel weniger rein auf schnelllebige Trends, schlaue Marketingverführungen, auf Farben, Muster und Schnitte, die einem oft nicht mal stehen und schnell „aus der Mode“ sind. Das Lied kennen wir alle: Schrank voll und nix zum Anziehen auf das, was wir Lust haben.

Ende Dezember ist die große britische Designerin Vivienne Westwood gestorben. Ihre Verdienste in Bezug auf ihren Stil, ihren Mut, ihr Engagement für eine nachhaltigere und fairere Mode wurden medial entsprechend gewürdigt.  Über all das hinaus steht Vivienne Westwood für mich auch dafür, dass sie bis ins hohe Alter getragen hat, was ihr Spaß machte. Ihr Stil war farbenfroh, eklektisch, sehr cool und jenseits aller Konventionen was eine „alte“ Frau tragen darf.styling_5+6 (c) vivienne westwood:instagramPersönlicher Stil darf in meinen Augen alles. Ein gutes Selbstbewusstsein ist hilfreich, vor allem je weiter man sich vom Durchschnittsgeschmack seiner Umgebung entfernt. Natürlich gibt uns die Außenwelt immer wieder einen Rahmen vor. Bestimmte Anlässe erfordern bestimmte Outfits. Aber die eigene Note lässt sich eigentlich immer miteinbringen.

Je älter ich werde, desto mehr schätze ich die Möglichkeit mit dem, was ich trage, zu spielen, zu experimentieren. Wir verändern uns, unser Leben verändert sich, unsere Körper, das, was uns wichtig ist. Grenzen verschieben sich. Damit auch das, was wir tragen. Unsere Kleidungsstücke sind das, was wir nach außen zeigen, und sie sagen mehr über uns aus, als den meisten vermutlich klar ist.styling_7+8 (c) susanne bartaDieser Pullover von Violeta Nevenova ist nicht nur ein Einzelstück, sondern wurde auch, wie mir Violeta erzählt hat, aus Restwolle aus Brasilien gestrickt. Die Wolle kommt aus einem ehemaligen Kleinst-Betrieb, ist unbehandelt, hat also noch ihren natürlichen Anteil an Lanolin behalten, alle Verarbeitungsschritte erfolgten vor Ort. 

Ich arbeite seit über 15 Jahren auch als Coach. Arbeite mit Menschen an ihren privaten und beruflichen Themen, auch an ihrem öffentlichen Auftritt, wie sie sprechen und kommunizieren. Das möchte ich nun ergänzen um die Entwicklung des persönlichen Stils. Denn wie gesagt, der ist sehr individuell: my style is not your style. Es geht vor allem darum, in sich hineinzuschauen und Freude am eigenen Ausdruck zu entwickeln. Möglichkeitsräume aufzumachen und sich mit dem, was man trägt wohl und lebendig zu fühlen.

Wenn euch das interessiert, schreibt mir an su@susannebarta.com. Wir können maßgeschneidert an euren Themen arbeiten. Ich freue mich darauf!styling_9+10 (c) susanne bartaSeit langem suche ich nach einem passenden Overall. Vor Weihnachten traf ich franzmagazine-Macherin Kunigunde Weissenegger in einem sehr coolen „Toni“ (Arbeits-Overall) von ihrem Onkel an, kombiniert mit einem Pullunder. Da ich bereits zwei Tonis online bestellt habe, die aber bei meinem Mann landeten, da viel zu groß, hat mir Kunigunde in Bozen ein Geschäft für Arbeitskleidung empfohlen. Und da wurde ich auch gleich fündig.

Was ich mir dieses Jahr zum Thema persönlicher Stil vorgenommen habe? Mich vor allem mit dem, was ich schon in meinem Kleiderschrank habe, zu beschäftigen. Neue Kombinationen auszuprobieren, mir mehr Zeit dafür zu nehmen, mehr Farbe zu tragen und mir immer wieder klar zu machen: Loved clothes last

Fotos: (1, 3, 4, 7–10) © Susanne Barta; (2) Emily in Paris III © Stéphanie Branch/Netflix; (5, 6) © Vivienne Westwood/Instagram
(3) Jacke > BUYO, Lederrock > Zara/alt, Stiefel > Secondhand, Rolli und Schuhe > Arket;
(4) Jeans > The Bad Seeds Company;
(7) Pullover > Violeta Nevenova, Jeans > The Bad Seeds Company, Clogs > Perssons;
(8) Hose > Secondhand, Clutch > Zilla;
(9) Overall > Arbeitsbekleidung Kuntner, T-Shirt > Supreme, Seidentuch > YSL/über 30 Jahre alt, Clutch > Freitag, Loafers > Celine;
(10) Rolli > Armedangels, Pullunder > Secondhand/Kleopatra.

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