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December 14, 2022

Innovative Strickmode – C/OVER by Christine Overbeck

Susanne Barta

Kennengelernt habe ich Christine auf der Biolife. Mit ihrem ambitionierten Fashion Projekt C/OVER war sie mit dabei beim GREENSTYLE-Pop-up. Ihr schwarzes Zero-Waste-Kleid und ihre farblich sehr schönen Jacken sind mir sofort ins Auge gestochen. Christine hat an der Marangoni in Mailand studiert, danach einige Jahre bei internationalen Brands wie Moncler, Balenciaga, Daniel Andresen Antwerp, Steffie Christiaens und Outentic gearbeitet und sich dann im Rahmen eines Master-Programms an der FH-Luzern in Textildesign spezialisiert. Dort hat sie auch begonnen sich intensiv mit dem Thema Strick zu beschäftigen.

Christines Mutter ist Südtirolerin, der Vater Deutscher, aufgewachsen ist sie in München. Mit ihren vielen Südtiroler Cousins und Cousinen ist sie regelmäßig in Kontakt. Immer schon, erzählt mir Christine, habe sie den Traum gehegt, sich einmal selbstständig zu machen. 2021 hat sie, zurück in München, C/OVER gelauncht. cover_2+3 (c) christine overbeckAls ich den Stoff ihrer Jacke Drahdi (Limited Edition) auf der Biolife das erste Mal in die Hand nahm, konnte ich kaum glauben, dass das ein Wollstoff (68 % New Wool / 22 % Nylon / 10 % Polyester) ist. So ungewöhnlich fühlte sich das Material an. Darüber hinaus führt C/OVER derzeit ein Zero-Waste-Kleid, einen Zero-Waste-Rock und einen Zero-Waste-Sweater, T-Shirts aus upgecycelten Vintage-Tüchern und selbstgestrickte Wollschals. Und es gibt eine Design Kooperation mit der portugiesischen Schmuckdesignerin PIINOcover_4+5 (c) susanne bartaChristine, was fasziniert dich an Strick?

Mir gefällt, dass man vom Garn bis zum fertigen Kleidungsstück alles in einem Prozess steuern kann. Der Zuschnitt beim Nähen hat mich schon immer etwas genervt. Man zeichnet, designt, dann wird genäht, da ist auch immer viel Abfall entstanden. Ich habe begonnen, die Schnipsel einzusammeln, um daraus etwas Neues zu machen. Mir ist klar geworden, dass schon beim Entstehungsprozess von Bekleidung so viel übrigbleibt, was eigentlich ein wertvoller Rohstoff sein sollte. Das und die Faszination fürs Stricken haben dann zu meinem Projekt C/OVER geführt. Jedes Mal, wenn ich vor einer Strickmaschine stehe und das Garn auswähle, bin ich fasziniert. Denn nur durch die Bindung der Maschen und wie ich die Nadeln ansteure, kann ich eine Struktur erschaffen. Ich kann eine Form entstehen lassen und mit Materialien spielen. Diese Maschinen – ich arbeite vor allem mit Shima-Seiki-Maschinen – ermöglichen unglaublich viel. 

Wie gehst du da vor?

Ich arbeite vor allem mit Rundstrick. Das jeweilige Teil wird wie ein Schlauch gestrickt, es entsteht keine Naht. Meine Zero Waste Kleider werden so produziert. Meine Jacken hingegen auf großen Strickmaschinen. Für dieses spezielle Material, diese Technik haben mich Bettmatratzen inspiriert. Hier ist leider noch etwas Zuschnitt dabei, aber da bin ich gerade dran, dass man direkt auch in Form stricken kann. Mich interessieren all diese verschiedenen Techniken, mit denen sich unterschiedliche Oberflächen und so auch neue, überraschende Ästhetiken entwickeln lassen. Das ist ein spannendes Feld, das noch viel Potenzial bietet, ästhetisch und gestalterisch. Auch in Hinblick auf Nachhaltigkeit, da man sich in der Wertschöpfungskette viele Schritte sparen kann. cover_6 (c) christine overbeckChristine arbeitet mit verschiedenen Strickereien zusammen. Zum Beispiel mit einer Strickerei in Braga, Portugal und einer in Wien, die auch verbunden ist mit Produktionsstätten in Tschechien. Hier könnte sie auch skalieren in Zukunft, also nicht nur mit Limited Editions arbeiten, sondern höhere Stückzahlen herstellen. Alle Produktionsstätten sind zertifiziert. Die bunten Schals strickt sie selbst, auf alten Maschinen aus den 1980er Jahren.

Du arbeitest mit verschiedenen Materialien, da ist auch viel Polyamid dabei …

Mein Ziel ist es, ganz auf natürliche Materialien umzusteigen. Beim Zero-Waste-Kleid ist es noch Polyamid. Es ist schwieriger auf diesen Maschinen mit Naturfasern zu arbeiten, da sie kurzfaseriger sind und schneller reißen im Strickprozess. Bei den Jacken aus Wolle werden die Stoffe bei einer niederländischen Firma produziert, die hat sich auf diese Technik spezialisiert und das für natürliche Materialien optimiert. Mein Ziel ist es auch mit Monomaterialien zu arbeiten, also nur ein Garn einzusetzen, kein Gemisch, denn das lässt sich besser recyceln. Im Strick ist das immer noch eine Herausforderung. Die größte Herausforderung aber ist, die Materialien zu finden, die wirklich passen. Wenn ich wie beim Kleid mit Polyamid arbeite, arbeite ich mit einem italienischen Garnhersteller zusammen. Da wurde mir gesagt, dass es biologisch abbaubar sei und innerhalb von fünf Jahren auf den richtigen Landfills wieder zu Biomasse wird. Ich promote das aber noch nicht, sondern möchte mir erstmal anschauen, ob das auch wirklich klappt. In Bezug auf synthetische Materialien gibt es viel Verwirrung bei den Konsumenten, denn sie sind nicht unbedingt immer schlechter. Ich bin sehr für natürliche Materialien, aber es ist ein komplexes Thema. Jedenfalls recherchiere ich viel und setze mich intensiv mit diesen Themen auseinander.cover_7+8 (c) christine overbeckDein Design fällt auf, die schönen Details, die präzise Verarbeitung. Du hast ja bei Häuern wie Balenciaga und Moncler gearbeitet. Welche Rolle spielt die Ästhetik?

Für mich ist das Gestalterische immer noch das Hauptthema. Nachhaltigkeit ist wie ein Basic. Ich bin in meiner Ausbildung damit „aufgewachsen“, das war immer ein Thema für mich. Aber ich würde nicht mal sagen, dass es mein USP ist. Mode ist für mich etwas Sinnliches, Schönes, ganz und gar nichts Oberflächliches. Natürlich gestalten Materialien und Technik die Form auch mit.

Welche nächsten Schritte stehen an für C/OVER?

Ich habe eine Förderung der EU bekommen und lerne gerade viel über Business Development. Da arbeite ich an einem Konzept für mein kleines Unternehmen, dass sich auch finanziell lohnt. Ich möchte nicht, dass es ein Hobby bleibt. C/OVER ist ein Projekt, das sich um Textilien dreht. Der Name setzt sich aus meinem Namen zusammen, aber to cover bedeutet auch sich zu bedecken. Textilien bedecken uns ja jeden Tag, auf der Haut, im Bett, im Auto, zuhause. Mit meinem Label möchte ich Textilien mehr Aufmerksamkeit schenken, anregen, darauf achtzugeben, was einen covert.cover_9+10 (c) christine overbeckWie kleidest du dich?

Ich bin nicht so der Shopping-Typ, kaufe wenig und trage meine Sachen lange. Im Alltag kleide ich mich vor allem pragmatisch, liebe es aber mich für besondere Anlässe anzuziehen. Dabei überlege ich mir jeden Tag, worauf ich heute Lust habe. Es macht mir Spaß mich zu kleiden. Ich habe vor allem Basics, die ich gut kombinieren kann, kaufe dann aber gerne auch einige besondere Stücke in kleinen Läden, am liebsten, wenn ich auf Reisen bin. Und ich tausche gerne Kleider.

Du hast vorher gesagt, du arbeitest an einem rentablen Business Modell. Muss C/OVER dafür wachsen?

Derzeit mache ich ja Klein-Serien und merke schon, dass es auf der unternehmerischen Seite schwierig ist, finanziell durchzukommen. Damit sich das ausgeht, muss man viel verkaufen und damit komme ich in Konflikt. Da bin ich noch nicht sicher, wie ich das löse. Ich arbeite themen- und projektbezogen, nicht saisonal. Kollektion nach Kollektion raushauen möchte ich auf keinen Fall, sondern möchte zeitlose Kollektionen machen, die auch lange im Sortiment bleiben, wie das Zero Waste Black Dress. Das ist ein Klassiker. Der Weg geht also Richtung Entwicklung von Klassikern, die man dann variieren kann mit verschiedenen Materialien und neu interpretieren in der Gestaltung. Aber ich arbeite noch daran, ein nachhaltiges Business aufzubauen und Wege zu gehen, die Sinn machen. Wichtig ist mir jedenfalls die Modewelt diverser und bunter zu gestalten. Und dazu braucht es mehr kleine Labels. Mode soll wieder Mode werden und nicht nur Kleidung. cover_11 (c) Christine OverbeckChristines innovative Strickmode könnt ihr, wenn ihr in München seid, vor Ort anschauen, probieren und auch kaufen. Solltet ihr das auf der Biolife in Bozen nicht schon gemacht haben. Ihr findet C/OVER in der Ateliergemeinschaft @studioPENG, in der Rumfordstraße 38. Und natürlich online.

 

Fotos: (1, 7, 9) © C/OVER Oliver Soulas; (2, 3, 6, 8, 10, 11) © C/OVER Christine Overbeck; (2, 3) © Susanne Barta 

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