Blauer Schnipsel: Ein alter Stoff wird
neu gedacht

Lange war der blaue Schurz Erkennungsmerkmal der männlichen bäuerlichen Bevölkerung in Südtirol – heute scheint er zunehmend zur Folklore-Uniform und zum Werbegeschenk mutiert. Es gibt ihn in Museumsshops und Souvenirläden, mit Stickereien und aufgedruckten Zitaten. Aber so mancher Bauer trägt ihn immer noch täglich. Wohin also, mit diesem Fetzen Tradition?

Ein günstiger, blauer Baumwollstoff und der einfachste Schnitt: ein Rechteck ohne Seitennähte mit zwei Aussparungen an der Seite, das ist der Südtiroler Schurz. Es sind diese Aussparungen, diese viertelkreisförmigen Stoffreste also, welche Hauptdarsteller des Projektes Blauer Schnipsel wurden: Mit dem Verschnitt nämlich, suchten Andrea Righetto, Adele Buffa und Rocco Modugno nach einer Möglichkeit, scheinbar vordefinierte Muster in einen neuen Kontext zu setzen und zugleich der Verschwendung von Materialien entgegenzuwirken. Im Rahmen von Schneider-Workshops brachten sie Menschen zusammen – Generationen und Kulturen konnten sich begegnen und aus den Abfällen der traditionellen Schürze wurden mit wenigen Formen neue Design-Stücke.

Jetzt erscheint Blauer Schnipsel als Buch in der Limited-Edition-Reihe Cento bei franzLAB, unterstützt von Weigh Station, die im Rahmen ihres WS Call 2022, das Konzept Blauer Schnipsel als eines von drei Siegerprojekten auswählten. Vorgestellt wird die neue Publikation am 30. November 2022 um 18:00 im Waag +3 auf dem Kornplatz in Bozen. Mit einer nummerierten Auflage von 150 Exemplaren und signiert von den Autor*innen, ist Blauer Schnipsel – Co-generating a social fabric also bewusstes Kleinod. In der dreisprachigen Publikation mit weiteren Beiträgen von Seçil Uğur Yavuz, Aart van Bezooijen und Barbara Stocker wird klar ersichtlich, wie das Projekt angedacht und umgesetzt wurde. Ein roter Faden zieht sich durch das Spiel von Blau und Weiß. Und die grafische und fotografischen Dokumentation der Workshops macht Lust auf Handarbeit und Musterspiel. Ideen wie Blauer Schnipsel tun der Südtiroler Seele ganz gut, finde ich. Ein kleines bisschen mehr Bewusstsein für die Symbole unserer Kultur, ihre Verzerrungen, ihre Überholtheit oder Aktualität … ein Anstoß kreatives Denken hin und wieder kann Wunder wirken.Fotos: Andrea Righetto/Blauer Schnipsel