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November 21, 2022

lovers in love love love

Elisa Barison

Die klassische Mythologie ist ja nicht gerade für ihre happy endings bekannt. Schöne Menschen, eifersüchtige Götter, Sex und alle irdischen und außerweltlichen Strapazen, um diesen zu bekommen, ja, aber happy endings? Selten bis nie.

Amor und Psyche bilden hierzu eine nahezu kitschige Ausnahme, sodass jede romantische Komödie Hollywoods daneben wie ein Trauerspiel aussieht. Und keine Interpretation der antiken Liebesgeschichte – in der Neuzeit vor allem durch ihre Erzählung in den Metamorphosen des Apuleius aus dem 2. Jahrhundert beeinflusst – hat sich derartig in die Seelen (Psyche) und Herzen (Amor) der gesamten Menschheit eingebrannt, wie jene des großen Antonio Canova. Seine wohl bekannteste Ausführung des sinnlichen Moments zwischen dem blutjungen und bildhübschen, Psyche und Amor, befindet sich heute in der Abteilung Denon des Louvre in Paris. Hier pilgern täglich tausende von Menschen zur in Marmor verewigten Szene von Amor, der seine geliebte Psyche aus einem tiefen Schlaf erweckt und gerade dann vor den Augen der gerührten Betrachtenden erstarrt, als die hingebungsvolle Schönheit in seinen Armen zum Kuss bereit wäre. SUSPENSE lässt grüßen!

Diese Skulptur von Canova ist jedoch nicht die einzige seiner Interpretationen der zwei Liebenden. Durch den relativ frühen Ruhm des Bildhauers, welcher auf sein einzigartiges Talent (aber nicht nur, doch dazu kommen wir später), aber auch auf die unvergleichliche Schönheit der Skulptur zurückzuführen ist, werden diese und Canova mit ihr schnell in ganz Europa bekannt und die Anfragen an den jungen Künstler häufen sich. Die zweitbekannteste, aus der Hand des Künstlers selbst stammende Ausführung von Amor und Psyche befindet sich heute in der Eremitage in Sankt Petersburg. Doch damit nicht genug. Das Motiv und Canovas Ausführung waren so gefragt, dass er seinem Lieblingsschüler und Assistenten Adamo Tadolini das originale Gipsmodell überließ, sodass dieser weitere Replika der gefragten Szene anfertigen konnte. Gesagt, getan, brachte Tadolini, teilweise mit kleinen Änderungen, mindestens acht uns bekannte Amor und Psyche auf die Welt, wobei eine davon zurzeit und noch bis zum 27. November 2022 im Centro Trevi in Bozen zu sehen ist. 

Und bevor ich euch das happy end von Amor & Psyche erzähle, auf das ihr alle schon ganz gespannt wartet, hier noch eine kurze Info zum Bozner plot twist und somit zur Besonderheit dieser Ausstellung im Centro Trevi: Die Ausstellung heißt nicht umsonst Bozen trifft auf Canova: Die Rückkehr von Amor und Psyche. Wie viele große Meister*innen, die in ihrem Leben vom „Land, wo die Zitronen blühn“ in den Norden des heutigen Europas (oder vice versa) reisten, kam auch Canova – der aufgrund seines Talents und (wage ich zu behaupten) seiner Fähigkeit zur richtigen Zeit (Epoche) am richtigen Ort zu sein – in einer Reise gen Norden durch Bozen. Diese Durchreise sollte der Beginn einer Verbindung der Stadt mit einer der Kopien von Amor und Psyche werden, die erst durch kürzlich aufgetauchte Manuskripte im Ganzen rekonstruiert werden konnten und vom Kurator der Ausstellung im Trevi, Roberto Pancheri, zum fil rouge der Schau gemacht wurde. Zu viel soll vorweg gar nicht verraten werden, aber eines ist sicher: Dieser Twist im Hinblick auf Bozen verleiht der Ausstellung, zusätzlich zur ewigen Schönheit des Marmorliebespaares, zwei weitere Nuancen, die vom krimiartigen Zickzack eines Kunstwerkbesitzes bis zur (sehr aktuellen) Frage der Bedeutung von Replika und Original reichen.Bolzano per Canova_Ritratto del vicerè Eugenio de Beauharnais_Foto di Davide StaniUnd nun, the love story:
Psyche war eine derartig schöne Sterbliche, dass die Göttin Venus auf sie eifersüchtig war und ihren Sohn Amor deshalb zu den Menschen entsandte, um Psyche durch einen seiner Liebespfeile mit dem hässlichsten und grässlichsten aller Männer zu verheiraten. Die Aktion ging buchstäblich nach hinten los und der nichtsahnende Amor verfiel seinem eigenen Pfeil und verliebte sich unsterblich in die schöne Sterbliche. Wer hat, der kann, und Amor ließ sich Psyche vom Windgott Zephyr prompt in seinen Palast wehen, wo die beiden jede Nacht miteinander schliefen. The end? Nein. Auch wenn Psyche wahrscheinlich nichts gegen diese Situation hatte, außer vielleicht, dass ihr lover boy eine nicht unwichtige Klausel für das tägliche Liebesspiel erhoben hatte: Sie durfte niemals seine wahre Identität erfahren, weshalb sich auch der Liebesakt in dunkler Nacht erklärt. Doch die Schwestern von Psyche, laut Apuleius von Eifersucht und Neid getrieben, setzten der irdischen Schönheit die Flause in den Kopf, dass ihr Liebender vielleicht ein schreckliches Ungeheuer sei und sich deshalb nicht zeigen wolle. Erschreckt durch diese Vorstellung und getrieben von Neugier entscheidet Psyche das Geheimnis zu lüften und hält somit nach einer der Liebesnächte, als ihr Gegenüber bereits eingeschlafen war, eine Lampe an dessen Gesicht, um erstaunt (und wahrscheinlich sehr erfreut) zu erkennen, dass ihr lover boy kein Geringerer ist als der schöne Liebesgott selbst. Während Psyche im siebten Himmel schwebt, fällt ein Öltropfen der Lampe auf Amor, welcher sogleich erwacht und, heartbroken aufgrund des Vertrauensbruchs seiner Geliebten, sofort verschwindet und eine verzweifelte junge Frau zurücklässt. Psyche jedoch versinkt nicht in ihrem Kummer, sondern nimmt ihr Liebesglück in die Hand und macht sich auf zur erzürnten Gottesmutter ihres Liebhabers Venus, um diese um Verzeihung zu bitten. (Nach all den Heldenepen und hilflosen, von Drachen gefangenen Jungfern hiermit ein kurzes Shoutout für die emanzipierte und mutige Psyche). Nach guter, mythologischer Manier muss Psyche nun einen Haufen scheinbar unlöslicher Aufgaben lösen, welche sie auch in die Unterwelt führen, wo sie für Venus eine Schönheitssalbe abholen soll, über welche Venus ihr sagt, sie solle sie nie und auf gar keinen Fall öffnen. Natürlich tut Psyche genau das Gegenteil, ist sie doch eine hormongetriebene Verliebte, die sich in der Hoffnung eines Wiedersehens mit Amor schön machen will und ahnt nicht, dass die Salbe eine ganz andere Überraschung für sie bereithält: Sie verfällt in einen tiefen, todesähnlichen Schlaf, aus welchem sie schließlich nur Amor, der die schöne Psyche immer noch liebt und ihr inzwischen zur Hilfe geeilt ist, mit dem Nektar der Götter und einem Kuss erwecken kann. Exakt zu diesem Zeitpunkt hat Canova entschieden die beiden lovers zu verewigen. Und er hätte keinen besseren Moment wählen können. Nicht weil die Geschichte hier zu Ende ist, sondern weil alles, was nun folgt, effektiv einer romantischen Komödie Hollywoods ähnelt und deshalb gewollt nur mehr ganz kurz zusammengefasst wird: Amor will Psyche heiraten und fragt den big boss aka Zeus um Erlaubnis, dieser beschließt, dass damit wohl alles aufgeräumt und der bisherige Schaden behoben würde, willigt ein, Psyche, die durch den Nektar der Götter mittlerweile auch unsterblich geworden ist, wird in den Olymp aufgenommen, die beiden heiraten, großes Fest, alle happy

Die Geschichte, im übertragenen Sinn die Erzählung der Seele, welche durch die Dunkelheit wandert, um schließlich ans Licht zu gelangen, ist etliche Male und von allen großen Meister*innen aller Epochen dargestellt worden. Sogar in den Gemächern des Papstes im Vatikan befindet sich eine Darstellung des Freudenfestes und wird uns im Sinn der Vereinigung der Seele mit dem Göttlichen verkauft. Spitzbübisch, auch weil die Darstellung im Vatikan so wie die meisten anderen auch vor Sinnlichkeit nur so strahlt, wage ich dennoch zu behaupten, dass es letztlich wenige reizendere Themen gibt, als ein junges, leidenschaftliches Liebesglück zwischen zwei Schönheiten von Himmel und Erde …

Einige interessante Einblicke in die Ausstellung bietet das Centro Trevi in Form von kurzen Podcasts, zum Beispiel auf Spotify.

Fotos: Davide Stani

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