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October 24, 2022

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei

Elisa Barison

… könnte ein passender Untertitel für Paul Thuiles „Wurstfibel“ sein. Immerhin beschränkt sich der kochende Künstler und künstlerische Koch niemals auf nur 1 Wurst, auf nur 1 Buch oder auf nur 1 Versuch. „Ich wollte schon immer wissen, woraus die Sachen bestehen, wie sie zusammenhalten und funktionieren. Als Kind habe ich deshalb oft Spielzeug auseinandergenommen und neu zusammengebaut“, erzählt mir Paul bei unserem Treffen inmitten von Pflanzen und Töpfen in der Gärtnerei Schullian, wo er diesen Donnerstag, 27. Oktober, um 19:30 Uhr sein erstes (aber hoffentlich nicht letztes) Kochbuch präsentieren wird. fertige-Hauswurst_Pauls-Wurstfibel_©Franziska-Unterholzner_RaetiaPauls Wurstfibel heißt der letzte Streich des Genies, erschienen im Raetia Verlag und ab sofort überall dort, wo es gute Bücher gibt, erhältlich. Sogenannte Fibeln werden oft auch als ABC-Büchlein bezeichnet oder gelten als bebilderte Sachbücher zu diversen Themen, früher für Kinder und Schulen, oft zum Einstieg in ein Sujet. Etymologisch gesehen, so behauptet zumindest duden.de, handelt es sich um eine missverstandene oder schlecht ausgesprochene Bibel, aus welcher viele Bilder und Geschichten der ersten Fibeln stammten. Im Fall von „Pauls Wurstfibel“ treffen alle eben genannten Erklärungen zu: Einerseits ist das Buch ein ABC des Wurstmachens, es ist auf jeden Fall gut bebildert, sodass sich alle Do-it-yourself-Schritte für Wursteilige auch ohne Lesen erkennen und umsetzen lassen und, last but not least, ist es wohl auch eine kleine (Wurst)Bibel.Grossmutter Rosa Thuile mit Rekordsau_@Foto Archiv Paul Thuile_Pauls-Wurstfibel_RaetiaGanze drei Jahre lang hat Paul gemeinsam mit Helfer*innen, Student*innen (im Lehrgang Wurst, wohlgemerkt), Fotograf*innen, dem Verlag und seinen Liebsten an dieser Publikation gearbeitet. Es wurde viel gekocht und viel gekostet, wie es in Pauls Küche eben so üblich ist. Wer das Glück hat den Künstler persönlich zu kennen und schon mal bei ihm in Gargazon war, weiß, dass dieser Herr es sehr ernst meint mit der Gastfreundschaft. Vielleicht kommt das von den Gasthaus-Genen, zu denen man im Buch auch mehr erfährt. Jedenfalls breiten sich Pauls Kochkünste weit über die Wurst hinaus aus, das Prozedere ist jedoch immer dasselbe: Paul will den Dingen auf den Grund gehen. Die Menschen und Geschichten hinter den kulinarischen Traditionen interessieren ihn, weshalb die Fibel auch eine wunderbare Sammlung an Wurstrezepten bereithält, die gleichzeitig auch ein Stück Kulturgeschichte einzelner italienischer Regionen erzählt. Wursten-als-Familiensache_Pauls-Wurstfibel_©Franziska-Unterholzner_RaetiaNun, meint Paul, sei es wichtig zu erklären, warum er im Jahr 2022, auf Einladung des Verlages, ein Fleischkochbuch herausgibt: Er ist sich der Konsequenzen des weltweiten Fleischkonsums durchaus bewusst, ist er doch selbst auch noch Bauer und stolzer Besitzer von noch stolzeren Hühnern. Gerade deshalb sind ihm geschlossene und natürliche Kreisläufe wichtig. Das Wurstmachen war immer schon ein Weg, um die weniger edlen Teile der Tiere zu verarbeiten und haltbar zu machen. Die Schweine, die in Pauls Würsten landen, kennt er nicht nur beim Namen, sondern weiß auch um ihr artgerechtes und glückliches Leben. Ebenso die Hühner, um welche er sich tagtäglich liebevoll kümmert. Kurzum und in den Worten der wunderbaren Nora, die Frau in Pauls Leben: Die beiden haben sich dazu entschieden, Fleisch zu essen und daher selbst für die Haltung, Verwertung und Pflege der Tiere aufzukommen. Diese Symbiose erinnert an vergangene Zeiten, in denen der Mensch sich nicht als Gegensatz zur Natur empfand – aber auch dazu, mehr in der Wurstfibel.Risotto-al-tastasal_Pauls-Wurstfibel_©Franziska-Unterholzner_RaetiaPaul Thuiles erstes Kochbuch ist also genauso, wie es der Bastler und Tüftler selbst auch ist: vielseitig, voller Überraschungen und mit allen Tricks gewappnet. Es gibt im Buch den direkten Einstieg in zehn Schritten zur hausgemachten Wurst, für jene, die gleich zum Punkt kommen wollen oder hungrig sind. Dann gibt es Geschichten und Hintergründe zu den Erinnerungen von Paul an seine Kindheit (und die Bedeutung, welche die Wurst für seine Mutter und Großmutter damals hatte). Außerdem gibt es Rezepte und Hintergründe zu mehreren Wurstvarianten. Dabei spricht Paul immer wieder von life hacks und hat jede Menge Tipps: Er probiert und studiert, macht Fehler und probiert wieder, nur damit ihr zu Hause schlussendlich die besten Resultate erhalten könnt und viel Freude damit habt. Ist das nicht nett von ihm? Paul teilt eben gerne, das wissen auch die Freunde, Kolleg*innen und vielen Menschen, die schon mal in den Genuss seines Brotes, seines (berühmt berüchtigten) Panettones oder einer Hauswurst gekommen sind. Weitere Fibeln und Kostproben aus Pauls Mastermind und Küche folgen hoffentlich bald …Paul Thuile beim Faschingsumzug 1965_@Foto Archiv Paul Thuile_Pauls-Wurstfibel_RaetiaFotos: (1) Abbinden, Pauls-Wurstfibel © Franziska Unterholzner; (2) Fertige Hauswurst; Pauls Wurstfibel © Franziska Unterholzner/Raetia; (3) Grossmutter Rosa Thuile mit Rekordsau © Fotoarchiv Paul Thuile, Pauls Wurstfibel, Raetia; (4) Wursten als Familiensache, Pauls Wurstfibel © Franziska Unterholzner/Raetia; (5) Risotto al tastasal, Pauls Wurstfibel © Franziska Unterholzner/Raetia; (6) Paul Thuile beim Faschingsumzug 1965 © Fotoarchiv Paul Thuile, Pauls Wurstfibel, Raetia.

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