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October 19, 2022

Zeitlos, klassisch mit Twist: Dagmar Gruber und DAMA studio

Susanne Barta

Es ist wirklich erfreulich, was sich in Sachen nachhaltiger und fairer Mode so alles tut in Südtirol. Besonders erfreulich ist, dass immer mehr Designer*innen dazukommen, für die die ausgefahrenen Modebusiness-Spuren nicht (mehr) passend sind und die ihre eigenen Wege gehen möchten. Vor kurzem habe ich hier mit der in Bozen lebenden bulgarischen Designerin Violeta Nevenova gesprochen, die sehr eigenwillige und hochwertige Einzelstücke macht. Und erinnert ihr euch an Johanna Finger, die in ihrem Artelier nicht nur entwirft, sondern auch Kleidungsstücke „rettet“?  Heute möchte ich euch die junge Designerin Dagmar Gruber vorstellen.Dama_2 (c) Dama studioDagmar hat an der renommierten Modeschule ESMOD in München und China studiert. Nach Design-Erfahrungen bei internationalen Brands wie Proenza Schouler und Ralph and Russo gründete sie vor kurzem in Bozen ihr Label DAMA. Gemeinsam mit einer zweiten Schneiderin produziert sie fast alle Stücke vor Ort. Nähen hat Dagmar während ihrer Ausbildung gelernt und in einem Atelier in Wien, wo sie zuständig war für die Schnitte. Gerade ist sie von ihrer ersten Messeteilnahme auf der White in Mailand zurückgekommen. Wir treffen uns in ihrem Studio, auf einer Kleiderstange hängt die erste Kollektion: weich fallende Hemden, Hosen, Blazer, Shorts, Tops und Kleider, die man vermutlich nicht mehr ausziehen möchte, elegant und gleichzeitig bequem. Auf dem Holztisch liegt die Farbtafel für SS23: Cream, Taupe, Midnight, Lavender, Lime und Rose. Im Raum nebenan wird emsig genäht.DAMA studio 3+4 (c) Dama studio_Stefania_ZanettiDagmar, was hat dich dazu motiviert DAMA zu gründen?

Es war schon immer mein Traum irgendwann mein eigenes Label zu haben. Die Pandemie hat das beschleunigt, da ich früher als geplant nach Südtirol zurückgekommen bin. Ich arbeitete zunächst für die Brand Zilla und konnte interessante Einblicke bekommen, was es heißt, ein kleines Label von Bozen aus zu betreiben. Nebenbei habe ich schon begonnen Entwürfe zu machen, für Freunde zu nähen. Seit Februar konzentriere ich mich nun ausschließlich auf den Aufbau meiner eigenen Marke.

Eine junge Designerin hat mal zu mir gesagt, „wer heute ein neues Label gründet, kann gar nicht anders als Nachhaltigkeit zum Thema zu machen“. Wie ist das bei dir?

Ich produziere fast alles hier im Studio, bei Bedarf arbeite ich auch mit einigen anderen Schneiderinnen zusammen. Mir ist wichtig, dass alles so lokal wie möglich bleibt. In meiner Arbeit für internationale Brands habe ich gesehen, wie absurd Designprozesse zum Teil ablaufen, welche Distanzen da zurückgelegt werden. Eine Zeichnung zum Beispiel wird nach China geschickt, dann kommt der erste Prototyp, etwas wird verändert, dann wird er wieder zurückgeschickt und so geht das mehrfach hin und her. Bis ein Kleidungsstück überhaupt produziert wird ist es schon x-Mal zwischen Amerika und China hin- und hergereist. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, die Distanzen auf ein Minimum zu beschränken. In einem zweiten Moment wird es dann darum gehen, auch bei den Materialien noch mehr auf zertifizierte Stoffe zu setzen. Mit einigen arbeite ich bereits, aber die anderen sind noch nicht zertifiziert. Das ist ein Prozess, der nur Schritt für Schritt gelingt. Vor allem am Anfang stellt sich die Kostenfrage unweigerlich. Aber ich schaue genau darauf, dass die Stoffe zumindest alle in Italien produziert wurden. Bisher habe ich nur mit Reststoffen gearbeitet, aber für die erste Kollektion, mit der ich nun auch auf einer Messe war, musste ich sicher sein, dass ausreichend Stoff vorrätig ist. Gerade arbeite ich an einigen Stücken für die bevorstehende Veranstaltung von Oberrauch Zitt „Live your values“, da habe ich wieder Reststoffe verwendet. DAMA studio 5+6 (c) Dama studioWie würdest du deinen Designstil beschreiben?

Für mich ist es wichtig, nicht irgendwelchen Trends nachzulaufen, sondern auf möglichst zeitlose Designs zu setzen. Klassisch mit einem Twist würde ich es beschreiben. Die Stücke können das ganze Jahr über getragen werden, viele Jahre lang und die meisten Teile sind miteinander kombinierbar, auch kollektionsübergreifend. Ich mag Volumen, auch weil ich selbst gerne weitere Sachen trage. Trotzdem soll es feminin sein. Ich lege auch Wert darauf, dass Handarbeit dabei ist, alte Techniken verwendet werden wie Stickerei oder Smocking. Mir ist auch wichtig, dass die meisten meiner Stücke für verschiedene Altersgruppen funktionieren. Einige Teile sind one size und lassen sich entsprechend anpassen, die anderen gibt es in allen gängigen Größen. Und natürlich fertige ich auch auf Maß an.

Gibt es in deinen Augen bereits genügend nachhaltige und faire Modeangebote, die auch für stilbewusstere Frauen attraktiv sind?

Das ist gar nicht so einfach. Nicht wenige nachhaltige Brands schauen in meinen Augen noch zu öko aus. Brands, die mir wirklich gefallen, fallen mir da nicht so viele ein. Wirklich schockierend aber ist für mich, dass viele große Modeunternehmen noch kaum etwas im Bereich Nachhaltigkeit tun. Und leider kaufen die meisten auch nur, was ihnen gerade gefällt. Da gibt es noch viel zu tun. Wenn man heute durch Bozen geht, findet man fast nur mehr austauschbare Modeketten.Dama_7 (c) Dama studioWie kleidest du dich?

Ich trage viele alte Kleidungsstücke von meiner Mutter, Tante und Oma. Auch Secondhand mag ich gerne. Aber alles, was ich selber machen kann, versuche ich in der Zwischenzeit selbst zu nähen und möglichst wenig Kleidung zu kaufen. 

Wie schaut das in deinem Freundeskreis aus?

Vor zehn Jahren während des Studiums haben wir natürlich auch zu Fast Fashion gegriffen. Außer in Großstädten gab es damals noch nicht so viele Secondhandshops. Mittlerweile sind die meisten bewusster und kaufen sich lieber nur ein Teil, aber dafür ein schönes, in guter Qualität und möglichst gut produziert. Da hat sich schon einiges verändert in den letzten Jahren.DAMA studio 8+9 (c) Dama studio_Stefania_ZanettiDu warst im September das erste Mal mit deiner Kollektion auf einer Modemesse, auf der White in Mailand. Wie ist es gelaufen?

Ich bin sehr froh, dass es geglückt ist, dabei zu sein, man muss sich ja bewerben. Es war eine interessante Erfahrung. Aber leider ist mir dort auch aufgefallen, dass es den meisten Buyers ziemlich egal ist, wo und wie etwas produziert wird. Das fand ich traurig. Ich konnte aber neue Kontakte knüpfen und bin jetzt in Gesprächen mit einigen Leuten. Mal sehen, ob dann auch etwas bestellt wird. Alles in allem war ich mit dieser Messe aber nicht so happy und bin gerade beim Überlegen, wie ich weitermache, also welche Messe(n) für mich in Frage kommen könnten in Zukunft. Ich möchte es auf jeden Fall im Februar in Paris auf der Tranoï versuchen. Das Land Südtirol gewährt für die erste Teilnahme an einer Messe Beiträge und das möchte ich nochmals probieren.Dama_10 (c) Dama studioDagmar Gruber hat ihr Studio am Kornplatz 4 in Bozen. Alle weiteren Infos über DAMA findet ihr online. Die Veranstaltung „Live your values. Designed with sustainability in mind” findet am 21. Oktober 2022 ab 16 Uhr bei Oberrauch Zitt unter den Bozner Lauben statt. Neben DAMA sind u. a. auch Patternhouse, Zilla, Rockverliebt und Adele Buffa Upcycling mit dabei. 

Fotos: (1, 2, 5, 6, 7, 10) © DAMA studio/Dagmar Gruber; (3, 4, 8, 9) © Stefania Zanetti für DAMA studio 

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