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September 9, 2022

Gedankenspiel zu „Schwerer als das Licht“ von Tanja Raich

Verena Spechtenhauser
Kunigunde Weissenegger

Lieblingsfarbe, Elixier, Unglück bringend, an der Grenze zu ultraviolett, beruhigend, Mischergebnis – Metamorphose, Transition und Verwandlung implizierend. Diese Farbe … dieser Ton … Ist dies das Licht, in das diese Welt – eine Welt – einmal getaucht sein wird – kann? Lila liegt es vor mir. Und war, seit es den Weg zu mir gefunden hat, in den letzten Wochen ein steter Begleiter. Es grinst vom Nachtkästchen neben meinem Bett oder zwinkert aus der Tasche über meiner Schulter. Auch die Blättchen, die scheinbar zart, unbeschwert und leicht über das Cover segeln, verstören beim zweiten Blick wohl eher, als dass sie beruhigend wirken, besonders dann, wenn sie auf den Innenseiten allein oder zu zweit sogar Kapiteltitel „rahmen“.

… verstörend, ein wohl treffender Ausdruck um „Schwerer als das Licht“ zu beschreiben. Und es fallen mir noch viele weitere Adjektive zu diesem Roman ein: bedrückend, exotisch, paranoid, gehaltvoll, saftig, intensiv. Ich habe mich beim Lesen sehr oft gefragt: Wo hören die Gedanken auf und wo fängt die Realität der Protagonistin an? Befinden wir uns wirklich in einem tropischen Dschungel oder begehen wir eine Wanderung im Kopf einer Unbekannten? 

Wer spricht hier? Zu mir? Zu wem, zu was, wozu überhaupt? Nichts ist eindeutig. Weder Geschichte, noch Ort, noch Zeit. Die Gefühle, die dieser neue Roman von Tanja Raich bei mir auslöst, tun sich schwer. Ich hab mir versprochen, ihn abermals zu lesen. Bin aber noch am Überlegen, ob ich das gleich oder erst ein Weilchen später machen sollte …

Ich lese Bücher kein zweites Mal, es gibt so viele Inhalte und Gedanken von Autor*innen, die ich noch entdecken möchte, und doch kann ich den Impuls verstehen. Denn am Ende der 190 Seiten stand auch bei mir das Gefühl, bei einem nochmaligen Lesen zwischen den (Wort)-Stämmen und Lianen dieses Waldes noch jede Menge an Inhalt zu erfragen, wenn ich nur tief genug hinein spüre.

„Im Roman beschäftige ich mich mit Sicherheit und Angst, Macht und Ohnmacht, es ist ein Spiel mit der Wirklichkeit, mit der Erinnerung, mit der Zeit, ein Ausloten von Grenzen, die Suche nach dem Fremden, das nicht draußen zu suchen ist, sondern vielmehr festsitzt in uns und ausbricht, sobald die Angst Überhand nimmt.“ Diese Umschreibung von „Schwerer als das Licht“ gab mir Tanja Raich 2019 – ihr erster Roman Jesolo war gerade bei Blessing erschienen, als ich sie für franzmagazine interviewen durfte. Der Arbeitstitel damals: Inselfestung. Spannend, dachte ich. Und irgendwie so anders als das, womit sie sich gerade im Roman „Jesolo“ beschäftigt hat.

2019! Sie schreibt an diesem Buch seit drei Jahren. Drei Jahre geistert eine Idee im Kopf herum, werden Sätze besprochen, diskutiert, verworfen, neu gebaut. Für mich bedeutet das, jeder Punkt, jeder Absatz, jede Wiederholung, jedes Wort ist in diesem Buch genau da abgedruckt, wo wir ihn, sie und es vor uns sehen. … Präzision ist auch Tanja Raichs Job als Programmleiterin und Lektorin beim Verlag Kremayr & Scheriau. 

Nun, da ich auch dieses zweite Buch von ihr gelesen habe, weiß ich: Auf den ersten Blick haben beide Bücher nichts miteinander zu tun, auf den zweiten Blick mehr, als man am Anfang glauben möchte. 

Da, schon wieder dieser zweite, nochmalige Blick und ich werde das Gefühl nicht los, die Bedeutung und Wirkung ihrer Worte bis ins Letzte verstanden zu haben. Hibiskus [der], die unvergängliche Blume, steht für Entschlossenheit und Durchhaltevermögen. Languren [die], Totengeister, Schattengeister der Verstorbenen. Hirsch [der], in vielen Religionen das Symbol für den sterbenden und wideraufstehenden Gott. … wer weiß, ob ich den allerletzten Satz des Romans jemals mit „Ja“ beantwortet haben werde … und beim Zuklappen fällt mir noch auf, dass das Buch unter dem Schutzumschlag (unschuldig?) weiß ist …

 

Tanja Raich tourt mit „Schwerer als das Licht“ gerade durch die Welt und macht auch in Südtirol und Tirol Halt:
11. September 2022, 11:00 Uhr, Kränzelhof, Gampenstraße 1, Tscherms
13. September 2022, 20:00 Uhr, Vinschger Literaturtage, Bibliothek, Mals
17. November 2022, 19:00 Uhr, Literaturhaus, Innsbruck, mit Elisabeth R. Hager
19. November 2022, 10:30 Uhr, Bibliothek, Laas, mit Sabine Gruber und Anne Marie Pircher
Hier stehen alle ihre Termine. 

 

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