Fashion + Design > Fashion

August 31, 2022

„Es ist unsere Aufgabe, das Bestmögliche zu tun“ – Ruth Oberrauch

Susanne Barta

Wir sitzen zum Gespräch im Garten des Bivac, das Bistro von Salewa ist ein beliebter Treffpunkt in Bozen Süd. Ruth Oberrauch hat viel zu erzählen, ich habe viele Fragen. Ruth ist nicht nur Gründerin des Bergsportlabels für Frauen LaMunt, sie ist auch die Sustainability Managerin der Oberalp Gruppe. Und sie ist die Tochter von Oberalp-Gründer und Salewa-Mastermind Heiner Oberrauch.

LaMunt wurde 2020 vorgestellt – dazu erschien auch ein Post auf franzmagazine –, letzten November gab es die erste kleine Kollektion im E-Shop, der offizielle Launch im Handel erfolgte im Februar 2022. Es braucht immer Mut, ein neues Label auf den Markt zu bringen, auch wenn es im Schutz einer großen Gruppe vermutlich etwas leichter geht. Interessant ist, dass LaMunt bereits die zweite Südtiroler Sportmarke ist, die ihren Fokus auf Frauen richtet. SHER macht das für den Radsport, LaMunt richtet sich an bergbegeisterte Frauen. Der Name unterstreicht das, LaMunt bedeutet Berg auf Ladinisch und ist im Gegensatz zum Deutschen weiblich.lamunt_2+3 (c) LaMuntLaMunt präsentiert sich frisch und sportlich-elegant. Wenn man die – auch farblich – sehr schön gestalteten Kataloge der nächsten Kollektionen durchblättert, wird sofort klar: Hier wird mit sicherer Hand hochwertige und stilvolle Sportbekleidung entwickelt. Ebenso auffallend: die Transparenz, mit der kommuniziert wird. Für jedes Produkt ist aufgelistet, aus welchen Materialien es hergestellt wurde, in welchem Land, ob die Fabrik zertifiziert ist, wie es mit der Chemical Compliance aussieht, mit Animal Welfare und einigem mehr. lamunt_4 (c) LaMUntLaMunt positioniert sich als Premiummarke. Nachhaltigkeit war von Anfang an Teil der Brand-DNA. Der Launch sei erfolgreich gewesen, erzählt Ruth, es gab gutes Feedback von den Händlern. Erhältlich ist LaMunt in ca. 50 ausgewählten Geschäften in Italien, Schweiz, Österreich, Deutschland und Polen. Und natürlich online. 

Ruth hat bereits einige Stationen im Familienunternehmen durchlaufen. Nach dem Studium und ersten Arbeitserfahrungen war sie für Marketing und später für den Bereich HR bei der Oberalp Group verantwortlich, baute die CSR- Abteilung des Unternehmens auf und erarbeitete die Nachhaltigkeitsstrategie für die Gruppe. Oberalp wurde 2021 bereits zum 6. Mal als Leader Betrieb der Fair Wear Foundation ausgezeichnet.lamunt_5 (c) susanne bartaRuth, Sportbekleidung auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten, scheint ein Trend zu sein. Fehlte da bisher ein entsprechendes Angebot?

Früher hat man von „shrink and pink“ gesprochen, also das Männerteil einfach kleiner und pinker gemacht. Auch wenn es in der Sportbranche mittlerweile einen stärkeren Fokus auf die Bedürfnisse von Frauen gibt, ist es immer noch etwas anderes, ein Produkt ganz spezifisch für Frauen zu entwickeln. Wir haben uns daran gewöhnt, wie Bergsportmode auszusehen hat: laute Farben, Colour-Blocking und gerade Schnitte. Ich selbst bin in den Bergen unterwegs, seit ich denken kann, aber ich konnte mich mit dem gängigen Angebot nie so ausdrücken, wie ich das sonst gerne mache. Mein Anspruch mit LaMunt war es, eine Kollektion zu entwickeln, die einerseits technische Materialien und Performance gewährleistet, andererseits weniger laut ist und Finesse hat.
Für mich geht es bei LaMunt aber auch um ein Gefühl. Ich nenne es “Mountain Me-Time”. Sich bewusst Zeit nehmen für sich selbst. Das ist auch ein Aspekt von Nachhaltigkeit. Jeder braucht den Moment, in dem er abschalten kann. Wir wollen Menschen dazu inspirieren, ihre Me-Time in der frischen Luft, in den Bergen, bei Bewegung zu verbringen. lamunt_6+7 (c) LaMuntDu hast bei LaMunt von Anfang an, soweit möglich, auf nachhaltige Materialien und Prozesse gesetzt. Gerade im Outdoor-Bereich ist das nicht einfach. Welche Herausforderungen stellen sich da bei euch?

Ich habe im Unternehmen ja auch die Rolle als Nachhaltigkeitsbeauftragte im Executive Board und habe mich schon viele Jahre intensiv mit dem Thema beschäftigt. Jetzt vor allem auf strategischer Ebene, operativ ist Alexandra Letts zuständig. Im Bereich Nachhaltigkeit gibt es viele Herausforderungen. Ich glaube auch, dass es nicht „eine“ Nachhaltigkeit gibt. Ein Beispiel: Wenn man aus der Perspektive der Circular Economy auf das Thema schaut, macht es Sinn recycelte Materialien zu verwenden. Wenn man den Blickwinkel Microplastics einnimmt, wissen wir, dass auch recycelte Materialen Microplastics absondern. Deswegen muss man konkret schauen, welcher der bestmögliche Zugang ist. Das mag je nach Produktgruppe und Markenversprechen anders sein. Wichtig ist, sich immer die Frage zu stellen, welchen positiven Beitrag man leisten und welchen negativen Impact man vermeiden kann. 

Welche Kriterien sind für LaMunt wichtig?

Für LaMunt haben wir zwei Basis-Kriterien festgelegt, die alle unsere Produkte erfüllen müssen. Neben diesen Must-Haves gibt es dann noch die On-Top-Kriterien. Das ist aufgebaut wie ein Haus. Erstes Kriterium ist Social Compliance. Da geht es vor allem um Arbeitsbedingungen in unserer Supply Chain. Von Tag 1 an hat LaMunt nur mit Unternehmen gearbeitet, die von der Fair Wear Foundation oder gleichgestellten Betrieben auditiert wurden. Und schon im ersten Jahr haben wir den Fair Wear Leader Status erreicht. Zweites Must-Have-Kriterium ist die Chemical Compliance. Wir verwenden Materialien die von bluesign® oder OEKO-TEX® zertifiziert wurden. Wenn das nicht möglich ist, wenden wir unsere eigene, sehr strikte Chemical Compliance Policy an.
On Top muss jedes LaMunt Produkt mindestens ein weiteres Kriterium erfüllen. Die drei zusätzlichen Nachhaltigkeitsaspekte sind: natürliche Materialen – zum Beispiel Merino Wool-Tencel, Modal Cotton Jersey, Cashmere Modal – recycelte Materialien oder Materialien, die ausgestattet sind mit einer PFC-freien DWR (durable water repellency). PFCs sind Chemikalien, die als Beschichtungen verwendet werden, um die Funktionsbekleidung wasserabweisend zu machen. LaMunt arbeitet mit PFC-freien DWR-Alternativen. Viele Produkte erfüllen auch zwei oder drei Kriterien. Wir fassen all diese Bemühungen unter „LaMunt Cares“ zusammen. lamunt_8 (c) oberalpDas Dachgeschoss des „LaMunt Cares“-Hauses bauen wir noch. Da geht es darum, den Lebenszyklus unserer Produkte zu verlängern. Heute sind noch wenige und ausschließlich neue Produkte am Markt, aber wir arbeiten daran, entsprechende Care and Repair Services anbieten zu können. Sehr wichtig ist für mich auch, dieses ganze Haus transparent zu kommunizieren. Also genau zu erzählen, was wir machen und vor allem wie wir es machen.Ich habe mir den Sustainability Report der Oberalp Gruppe 2021 angesehen. Als Gruppe habt ihr in diesem Bereich bereits viele Erfahrungen gesammelt und arbeitet mit wichtigen Partnern zusammen. Wie weit kann man sich auf deren Ergebnisse verlassen? Wie viel Vertrauen, wieviel Kontrolle braucht es?

Es hängt immer davon ab, wie viel Expertise man selbst im Haus hat. Im Bereich Social Standards und Fair Labour ist die Zusammenarbeit mit der Fair Wear Foundation eine perfekte Ergänzung. Sie hat das Knowhow und die Leute, die die lokalen Bedingungen und Akteure kennen. Die Audits in den Fabriken erfolgen alle drei Jahre. Unser eigenes Team – Einkauf und Qualitätskontrolle – pflegt hingegen ständigen Austausch. Unsere Qualitätssicherung ist für jede Kollektion mehrere Wochen in den Produktionsstätten vor Ort, kann sich ein Bild machen und hat auch die Aufgabe zu kontrollieren. Wir verlassen uns also nicht nur auf die Audits, sondern setzen auch unser eigenes Knowhow und unsere Beziehungen ein. Genauso verlassen wir uns nicht nur auf Labels wie bluesign®, sondern haben unsere eigene Chemical Policy. Wir testen alles, was nicht zertifiziert wurde; stichprobenartig auch Materialien und Produkte, die zertifiziert wurden. Natürlich können wir als Unternehmen nicht zu 100 % Expertise aufbauen, aber man muss soviel Bescheid wissen, um kritisch hinterfragen zu können.lamunt_9 (c) salewaGreenwashing ist leider eine Realität. Die Marketingabteilungen der Unternehmen nehmen den Mund oft recht voll. Wie siehst du das?

Ich tu mich mit dem Begriff Greenwashing schwer. Zunächst muss man mal definieren, was das heißt, denn der Begriff bedeutet für jeden etwas anderes. Natürlich wird manchmal dicker aufgetragen, als dahintersteht. Aber jeder kleine Schritt, den ein Unternehmen unternimmt, ist ein Schritt. Wir alle haben eine Verantwortung, Ressourcen und Menschen zu schützen. Und es ist unsere Aufgabe, das Bestmögliche zu tun. Das kann aber auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen. Zum Beispiel sicherzustellen, dass Produkte nicht so schnell „alt“ werden, sondern in neue Kollektionen integriert werden. Diesen Ansatz verfolgen wir mit all unseren Marken. Wir planen Kollektionen so, dass sie über mehrere Jahre funktionieren. Da tut sich der Sport vermutlich leichter als die Mode. Ein anderes wichtiges Thema ist die Circular Economy. Auch da gibt es verschiedene Bausteine. Nicht alle wird man sofort erfüllen können. Aber man muss anfangen, daraus lernen und weiter gehen. Wir kommen nicht weiter, wenn man schon alles perfekt haben möchte, bevor man etwas tut. Natürlich muss das Ziel 100 % sein. Aber der Weg dorthin besteht aus vielen Schritten.lamunt_10+11 (c) LaMuntWas sind hier die nächsten Schritte mit LaMunt?

Wir arbeiten gerade an neuen Technologien, um zirkuläre Businessmodelle zu entwickeln. Als Füllmaterial verwenden wir bereits recyceltes Cashmere, das ist Abfall aus der Modeindustrie, die Schnittreste werden eingesammelt, aufgefasert, neu verarbeitet und für unsere Jacken verwendet. Wir arbeiten auch daran, unsere eigenen Abfälle aus der Produktion zu verwenden. Ich möchte hier noch mehr investieren in neue Lösungen.lamunt_12 (c) salewaLaMunt ist ein kleines Label in einer großen Gruppe. Agiert ihr da auch wie eine Art Lab?

Ja, ich glaube schon. Wenn man eine Marke neu aufbaut, hat man die Möglichkeit, Dinge anders zu machen, als wenn man bereits 50 Jahre Geschichte im Rucksack mitträgt. 

Oberalp hat bereits zum 5. Mal den Leader Status der Fair Wear Foundation zuerkannt bekommen. Versteht ihr euch als Vorbild?

Das Schöne an unserer Branche ist, dass es einen sehr offenen Austausch gibt, auch zwischen Mitbewerbern. Bei Nachhaltigkeitsthemen ist das besonders wichtig. Wir tauschen Erfahrungswerte aus und gehen auch Probleme gemeinsam an, bündeln unsere Ressourcen und versuchen als Industrie Lösungen zu finden.lamunt_13 (c) LaMunt

Ich habe LaMunt-Leggings aus Econyl und ein Top aus recycelten Materialien ausprobiert. Beides trägt sich sehr angenehm. Tolles Detail: Die Länge der Leggings lässt sich ganz einfach selbst anpassen, die Anleitung zu „Tailor it yourself“ ist mit dabei.

Und wenn ihr etwas tiefer in die Nachhaltigkeitsaktivitäten von Oberalp hineingehen wollt, schaut in das (digitale) Oberalp-Handbuch, wo es um Unternehmensverantwortung, bewussten Konsum und einen ressourcenschonenden Umgang mit Produkten geht. Lohnt sich!

Fotos: © (1–4, 6, 7, 10, 11, 13) LaMunt; (5) © Susanne Barta; (8) © Oberalp; (9, 12) © Salewa

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Related Articles

Archive > Fashion