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July 15, 2022
Act II & III or The (not so) Unexpected Return of Emanuel Gat to Tanz Bozen
Elisa Barison
Am Mittwoch, 13. Juli 2022, wurde die 38. Ausgabe von „Tanz Bozen Bolzano Danza“ unter dem Motto „No Limits“ eröffnet. Den Auftakt machte die Podiumsdiskussion „Zwischen Tanz und Sport – Der Mensch, ein performatives Wesen“ im Salewa Headquarter in Bozen, gefolgt von Rachid Ouramdanes „Corps extremes“ und einem „Outdoor Dance Floor“ von Salvo Lombardo im Kapuzinergarten. Wer so klug war teilzunehmen, weiß nun, wo die Messlatte für die kommenden Aufführungen liegt. Wer aus irgendeinem Grund auch immer nicht dabei war: expect the unexpected!
Grenzen ausloten und überschreiten, so das Motto des heurigen Festivals. Ein kreativer Ansporn, dem einige Choreograph*innen und Meister*innen des zeitgenössischen Tanzes schon seit Jahren nachgehen. Unter ihnen, einer wie keiner: der israelische Choreograph Emanuel Gat, der bereits 2016 mit seinen beiden Kultstücken „Sacre“ und „Gold“ zu Gast in Bozen war und damals wohl einen guten Eindruck als Grenzüberschreiter hinterlassen hat. In „Sacre“ wagt er es zu Igor Strawinskys „Sacre du printemps“ Salsa zu tanzen, in „Gold“ legt er eine von Glenn Gould 1977 erstellte Radiodokumentation und die von letzterem interpretierten „Goldberg-Variationen“ von Bach übereinander und schafft eine fesselnde Choreographie dazu.
Dieses Mal kommt Emanuel Gat mit einer ganz frischen Produktion nach Bozen, die im Rahmen des Tanzfestivals am 21. Juli im Stadttheater in Italien zum ersten Mal aufgeführt wird: Act II & III or The Unexpected Return of Heaven and Earth. Ganz in seinem grenzenlosen Element nimmt Gat hier die Musik Puccinis aus der Oper „Tosca“ – im Fall der verwendeten Aufnahmen interpretiert von keinen Geringeren als Maria Callas, Carlo Bergonzi und Tito Gobbi – und macht damit eben genau das, was niemand von uns sich wohl erwarten würde.Auch nicht zu verpassen: die vom Festival in Auftrag gegebene Performance „Il Parco“, die am 19. Juli um 20:00 Uhr im Kapuzinergarten gezeigt wird. Es handelt sich um eine ortsbezogene Performance, die Emanuel Gat mit den Teilnehmer*innen des Projekts BeInternational (Siegerprojekt der vom italienischen Kulturministeriums ausgerufenen Ausschreibung Boarding Pass Plus) schaffen wird. Was wir uns davon erwarten können und wie Emanuel Gat zu Puccinis Tosca kam, erzählt er im Interview.
Kannst du uns den kreativen Prozess beschreiben, in dem dieses Stück entstanden ist?
Diese Arbeit ist in gewisser Weise ein Produkt der Pandemie. Im Januar 2021, nach einer weiteren Absage von Aufführungen unserer vorherigen Produktion „LOVETRAIN2020“, die wir nur ein paar Monate zuvor uraufgeführt hatten, haben wir die Phase der abgesagten Vorstellungen in eine zweiwöchige Residenz verwandelt. Nachdem wir gemeinsam zwei Wochen isoliert in einem geschlossenen Theater verbracht haben, war dieses Stück geboren. Ich denke, dieser Kontext verleiht ihm eine ganz eigene Stimmung, die sich von meinen anderen Arbeiten unterscheidet.
Wo liegt der unerwartete Teil und sind Himmel und Erde am Ende ein und derselbe Ort?
Die gesamte Entstehung dieses Stücks war unerwartet. Ich hatte nicht geplant, ein neues Werk so kurz nach der Entstehung des vorherigen zu schaffen. Daher fühlte es sich ganz anders an, als der übliche Prozess in der Planung einer neuen Produktion.
Was die Notion von Himmel und Erde betrifft, so war dies wirklich ein Produkt des Stückes selbst. Ich hatte das nicht a priori festgelegt oder angestrebt, doch im Lauf der Entstehung wurde mir klar, dass sich diese Dualität im Stück sehr stark manifestiert. Das Werk hat zwei Teile: Ersterer baut auf den zweiten Akt der Oper „Tosca“ von Puccini auf und der zweite Teil auf den dritten Akt derselben. Sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht sehr deutlich voneinander und ich konnte Parallelen zur Vorstellung von Himmel und Erde, dem Geistigen und dem Konkreten usw. erkennen.Du hast für dieses Stück die historische Aufnahme der Oper, gesungen von Maria Callas, Carlo Bergonzi und Tito Gobbi, ausgewählt. Was können Opernliebhaber*innen und Fans dieser drei Ikonen von der Aufführung mitnehmen?
Ich habe genau diese Aufnahme von „Tosca“ gewählt, weil ich einen persönlichen Bezug dazu habe. Vor mehr als 20 Jahren, habe ich in einem Werk von Havier De Frutos getanzt, das zum zweiten Akt von „Tosca“ in derselben Aufnahme entstanden ist. Nachdem ich zu dieser Aufnahme geprobt, getanzt und sie tausende Male gehört habe, ist eine intime Beziehung entstanden. Es fühlt sich für mich so an, wie ein Treffen mit einem alten Freund.
Schwer zu sagen, wie Opernliebhaber*innen auf mein Werk reagieren werden. Es bricht nämlich mit allen üblichen Codes diese Musik zu inszenieren. Die einzelnen Rollen, Situationen usw. sind nicht wirklich identifizierbar, obwohl die Choreografie und die Bühnenaktion in enger und direkter Beziehung zur Musik und den universellen und menschlichen Themen der Oper stehen. Ich denke, es kommt darauf an, inwieweit die Zuschauer*innen bereit sind, Gewohnheiten loszulassen und sich für neue Seh- und Hörweisen zu öffnen.
Tosca gilt als Puccinis dramatischste Oper. Glaubst du, dass Emotionen der Punkt sind, an dem sich Musik und Choreografie treffen?
Musik und Choreografie treffen sich an allen möglichen Stellen. Und ich denke, jede Zuschauerin und jeder Zuschauer verbindet die beiden auf seine eigene Art und Weise. Für mich ist das eine sehr persönliche Sache, und ich überlasse es den Zuschauer*innen, ihren Weg zwischen den beiden zu finden.
Wird es beim Stück „Il Parco“ einen ähnlichen Ansatz geben? Was können wir uns erwarten?
Ich weiß noch nicht genau, was ich für das Projekt im Park machen werde, da ich immer erst darauf warte, die Tänzerinnen und Tänzer kennenzulernen, mit denen ich arbeiten werde, bevor ich mit dem Prozess beginne. Was mich interessiert, ist stets ein Ergebnis des Austauschs, den ich mit einer bestimmten Gruppe von Tänzer*innen habe, also werde ich es wissen, wenn ich anfange : )
Alles Fotos (c) Julia Gat: (1, 3) Act II & III or The Unexpected Return of Heaven and Earth; (2) Emanuel Gat
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