Music

May 6, 2022

Florian Horwath – die andere Definition von Perfektion

Kunigunde Weissenegger

Konzert, Führung, Konzert, Performance, Ausstellung, Ausstellung, Film, Collage, Dance. Mammamia – nein, nicht das Motto der heurigen Ausgabe, sondern vielmehr ein Ausruf der Be- und Ver-Wunderung. Thema ist nämlich „COOKIE. Take a moment to review your privacy preferences“. Machen wir doch gleich, nicht ganz freiwillig, absichtlich und sicherlich mit gerunzelter Stirn. Zum zehnten Mal (Gratulation!, das Jahrzehnt ist geschafft!) ruft die Innsbruck International in die Tiroler Landeshauptstadt. Für 16 Tage + heutigem Eröffnungsabend versammelt die Biennale bis 22. Mai 22 an zeitgenössischen und historischeren Orten Künstler*innen mit großen, schönen Namen von näher und ferner.

Eröffnet wird heut Abend um 21 H beim II Office am Marktplatz mit einem DJ-Set. Von Florian Horwath. Wenn mensch die Geschichte desselben kennt oder von mir aus auch recherchiert, kann das nur als pures Kalkül (oder gute Kuratierung) bezeichnet werden. Er lebt heute in Berlin, mit Familie, arbeitet als Komponist, Musiker, Schreiber, Filmschaffender, Drehbuchautor, Schauspieler, Designer, Kurator und Familientherapeut. Aufgewachsen ist er in Innsbruck, aufgelegt hat er einst im Prometheus, für die II kehrt er zurück … 

Innsbruck, Berlin, Innsbruck … wie sieht ein Soundwalk durch die beiden Städte aus? 

Innsbruck: Berge, Klirren, Enge, weiter Blick, dicht.
Berlin: weit, voll, eigenartig, überraschend, ungewiss, freundlich.

Florian-Horwath_Foto-Ingo-Pertramer

Zu dir: Du der Opening Act bei der II – was wird ineinander fließen … welche Töne schleppst du an …?

Heut Abend lege ich auf und das ist eigentlich das, was mich seit meinen musikalischen Anfangsunternehmungen – im Prometheus in Innsbruck – begleitet – dieses Auflegen. Daran werde ich direkt anknüpfen, es wird Tanzmusik aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Orten geben. 

Du der Komponist, Musiker, Schreiber, Filmschaffende, Drehbuchautor, Schauspieler, Designer, Kurator … was hast du noch nicht und was steht noch an?

Ich habe nicht das Gefühl, dass noch irgendetwas offen ist. Diese Frage habe ich mir, ehrlich gesagt, noch nie gestellt, weil sich die Dinge entwickelt und ergeben haben oder quasi aus mir herausgewachsen sind. Nicht irgendwie, sondern: Sie sind aus mir herausgewachsen. Vielleicht wächst nochmal was anderes aus mir heraus, schauen wir mal … Die Dinge haben jedenfalls alle miteinander zu tun und sind verschiedene Ausformungen desselben Ursprungs. 

Und was ist dieser Ursprung?

Gute Frage. Eben der Ursprung.

Was zählt ist der Moment, meinst du … – wie meinst du das? 

Die Aufgabe als künstlerisch tätiger Mensch ist es, einfach zuzuhören – dem Moment zuzuhören und offen zu sein, und möglichst lange dieses Bewertungsschema, das irgendwann automatisch kommt, hinauszuzögern. Denn das verschiebt und verschleppt und vernebelt den Moment, um den es geht, und dann ist es oft nur mehr Attitüde als ursprüngliche Energie. Das ist es, worum es mir im besten Fall geht. 

… und du verachtest Perfektion …?

Ich verachte Perfektion überhaupt nicht, mich interessiert sie nur nicht. Ich finde es wunderbar, mir manchmal etwas anzuschauen oder anzuhören, wo ich mir denke, das ist perfekt. Es gibt auch Dinge, die perfekt und mit Seele gefüllt sind. Es ist vielmehr eine Frage der Definition von Perfektion. Bei mir ist, möglicherweise aus meiner Geschichte und aus meinem Sein heraus, mit Perfektion meistens etwas Enges verbunden. Perfektion kann sich ergeben, dadurch dass man etwas macht, aber wenn man diese Perfektion anstrebt, dann, finde ich, kriegt sie meistens etwas Totes und die Lebendigkeit geht verloren. Ich finde, Perfektion ist kein Kriterium in der Kunst. Wer darf überhaupt behaupten, was wann perfekt ist? Perfekt ist es dann, wenn es funktioniert, wenn es ankommt, es sich durch die Haut in die Seele bohrt. Das wäre eine andere Definition von Perfektion. 

Gratulation auch (jetzt ist die Gelegenheit dazu) zum Österreichischen Filmpreis 2021 für die Beste Filmmusik für Evi Romens „Hochwald“! … und apropos „senza“: Ohne was könntest du nie sein …?

Danke für die Gratulation, es ist sehr schön, diesen Preis gewonnen zu haben. … senza … vielleicht ist die Antwort eh schon im Lied enthalten … Der spontane Hintergrund des Liedes für „Hochwald“ ist ja die Aneinanderreihung von halb italienischen oder danach klingenden und vielleicht auch tatsächlich italienischen Wörtern, wie zum Beispiel gelato. – Also, ohne Eis könnte ich tatsächlich nicht sein, ich liebe gelati. Auf jeden Fall könnte ich nicht ohne meine Familie sein, einfach weil das der Ort der größten, gemeinsamen Wachstumsmöglichkeiten ist. Und der Ort, wo man sich wirklich anschauen kann, wer man ist und wer man sein könnte – wer man vielleicht auch nicht sein möchte. Das Lernpotenzial innerhalb der Liebe einer Familie ist unendlich, teilweise auch das Schmerzpotenzial – aber das sind ja zwei Seiten derselben Medaille.

… und dein Lieblingssound im Moment …?

Ich hab mir oft die neue „Shout Out Louds“-Platte angehört. Und Billy Joel.

… vielleicht treffen wir uns ja auf dem Konzert ersterer im Juni in Berlin oder schon heut Abend in Innsbruck on the dance floor …

Foto: Florian Horwath (c) Ingo Pertramer

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