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April 20, 2022

High Fashion meets Sustainability – die Stylistin Claudia Hofmann

Susanne Barta

Claudia Hofmann fällt auf. Sie ist groß, sehr gut gekleidet und strahlt eine gelassene Selbstsicherheit aus. Sie hat Modedesign studiert, für verschiedene Magazine und Brands gearbeitet und ist als Fashion Stylistin, Fashion Consultant und Creative Director erfolgreich. Claudia hat 2004 die erste eCommerce-Plattform in Deutschland Stylebop co-gegründet und ist Co-Founderin des Fashion Council Germany. Kennengelernt habe ich sie in München, Claudia war Teilnehmerin eines Panels auf der GREENSTYLE Conference, das ich moderierte. Noch in lebendiger Erinnerung ist mir ihr Styling für die Neonyt Show in Berlin 2020, wo sie nachhaltige Labels aus aller Welt zusammenbrachte, jetzt im Januar gestaltete Claudia die Neonyt-Installation in Frankfurt mit großartigen Looks zu den Fokusthemen „Air, Water, Circularity und Social“. High Fashion und nachhaltige Modewelt gehen nicht zusammen? Die Schnittstellen, die Claudia immer wieder sichtbar macht, können für beide Vorbild sein.Neonyt, Neonyt S:S 2019Claudia, für viele junge, modeinteressierte Menschen ist Fashion Styling ein Traumberuf. Was sollte man denn da mitbringen?

Ein großes Modeinteresse muss natürlich da sein. Eine Ausbildung im Design- und Schnittbereich hilft. Weil man als Stylistin, nicht nur, wie viele denken, Kleidungsstücke toll kombiniert, sondern auch Passform verstehen muss. Im Sinne von: Wie sitzen die Teile an Models, Tänzern, Schauspielern, an verschiedensten Body-Types? Dafür braucht man ein umfassendes Modeverständnis, nicht nur einen guten Geschmack. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Auch bei den Stylisten hat jeder seinen Geschmack, seine persönliche Handschrift und Expression.

Eine Freundin hat mal in einem Gespräch zu mir gesagt: „Die Stylisten sind leider selten berühmt, aber sie sind es, die sich in dem ganzen Chaos auskennen. Auswählen ist eine Kunst.“ Werden Stylisten unterschätzt?

Ja, und man sieht es auch schon an den vielen Titeln, die sich Stylisten geben, um ihre Funktion zu beschreiben: Fashion Director, Creative Director, Fashion Consultant usw. Als Stylist muss man das große Ganze sehen. Für Modemagazine zum Beispiel kreiert ein Fashion Stylist das Thema für das Editorial, definiert oftmals auch neue Trends und setzt es gemeinsam mit Photographen, Hair- & MakeUp-Stylisten und Art Direktoren um. Stylisten sind wie ein Motor. Es wir oft unterschätzt, was sie alles verantworten. Neben der Professionalität, braucht es auch das Gespür für das, was in der Gesellschaft gerade passiert. Stylisten setzen den Zeitgeist um. Mich interessiert immer sehr, was als Nächstes wichtig wird und wie ich das als Erste umsetzen kann. Claudia HofmannDu hast für die Neonyt nachhaltige Looks gestylt. Für mich war das ein tolles Beispiel dafür, wie gut nachhaltige Mode aussehen kann, wenn sie entsprechend in Szene gesetzt wird …

Ich komme aus der High Fashion, habe lange für große nationale und internationale Zeitschriftenverlage gearbeitet und kann auf einen vielfältigen Erfahrungshintergrund zurückgreifen. Ich war viele Jahre auf allen wichtigen Modenschauen, in Paris, Mailand, London und New York. 2004 habe ich Stylebop co-gegründet, der erste große Multibrand-High-Fashion-Online-Shop in Deutschland. Hier war ich neben meiner Creative-Director-Position auch für den Einkauf verantwortlich. Dadurch habe ich schon 2004 nachhaltige Brands gescoutet und kuratiert. High Fashion ist meine Welt, Nachhaltigkeit interessiert mich aber schon lange und ich habe diese Entwicklung immer aufmerksam verfolgt. Als visueller Mensch stellte ich dabei fest, dass es zwar viele tolle nachhaltige Marken und Produkte gibt, dass es aber an der Umsetzung und Inszenierung fehlte, um damit auch das modeinteressierte Publikum zu begeistern. Deshalb war meine Idee für die erste Neonyt Editorial Show vor vier Jahren, das Thema Nachhaltigkeit wirklich neu zu inszenieren und aus der Fashion-Perspektive zu zeigen.Neonyt, Neonyt Installation A:W 2022Hat sich das Müsli-Image der nachhaltigen Mode schon wirklich verändert?

Da hat sich auf jeden Fall schon einiges verändert in den letzten Jahren. Aber die nachhaltigen Brands können noch viel Hilfe gebrauchen bei der Mode-Credibility. Nachhaltig sein heißt nicht, dass man still und leise und vor allem beige sein muss. Man kann auch laut sein und sich nach außen attraktiv darstellen. Da auch die High Fashion Brands immer mehr in die Nachhaltigkeit gehen müssen, wird da vieles verschwimmen. Daher mein Appell an die nachhaltigen, fairen Brands: eine eigene Fashion Identity kreieren und dazu ein visionäres Brand-Konzept umsetzen.

Wie beurteilst du die Anstrengungen der Industrie in Bezug auf Nachhaltigkeit und Transparenz? Greenwashing ist ja doch eine gängige Praxis …

Durch den Green Deal der EU, die kommenden neuen Regelungen, muss sich die Industrie ändern. Für Unternehmen, die nicht nachweisen können, dass sie nachhaltig produzieren, wird es in Zukunft schwierig. Ich finde es richtig, dass die Industrie zu diesen Regulierungen gezwungen wird. So wird es dann auch für die Endkonsumenten einfacher, herauszufinden wie und wo ein Kleidungsstück produziert wurde. Übrigens schön zu sehen, dass sich die neuen Generationen, Millennials und GenZ viel bewusster und selbstverständlicher mit Nachhaltigkeit beschäftigen.Es wird ja geraume Zeit dauern, bis zumindest einige Gesetze auf den Weg gebracht werden. Ist es realistisch, dass sich eine Industrie, die auf ständiges Wachstum setzt, zunächst selbst beschränkt?

Das größte Problem der Mode-Industrie ist die Überproduktion. Die Modeindustrie muss sich umstellen! Zum Beispiel indem nur „on demand“ produziert wird. Da bekommen die Konsumenten auch Eigenverantwortung, im Sinne von „was brauche ich wirklich?“ und „wo kaufe ich ein?“. Es gibt tolle Secondhand-Plattformen, da sollte man sich umschauen. Ich selbst kleide mich schon lange nicht mehr nach Trends. Ich hebe Sachen auf, pflege sie und trage sie über viele Jahre. Als Stylistin kann ich daraus auch ein Trendthema machen.

Wie würdest du deinen Stil beschrieben?

Ich habe meinen eigenen Stil über die Jahre entwickelt. Ich würde sagen „Uniform chic und extravagant“. Für mich ist es wichtig, gut angezogen zu sein, es muss cool aussehen und praktisch sein. Wenn ich zum Beispiel für ein Shooting in einer Außen-Location in der Natur arbeite, kann ich nicht in High Heels erscheinen. Ich probiere auch gerne neue Labels, Trends und Materialien aus. Das Wichtigste für mich ist die Qualität der Produkte. 

Ist es möglich, bei deinen Editorials auch nachhaltige Brands zu integrieren?

Die High Fashion Brands bleiben gerne unter sich und denken da leider immer noch sehr konservativ. Ich breche das gerne auf. Es ist Teil meiner Arbeit, High Fashion und nachhaltige Brands neu zu zeigen, sie zu mixen. Die Mode muss sich da umgewöhnen und ihr eigenes System neu definieren.c_hofmann_8 #KENDALLforABOUTYOU_Look-1_Photography-Zoey-Grossman_Creative-Direction-Donald-Schneider-Studio 

Du arbeitest mit Models wie Kendall Jenner oder Anna Ewers. Vor kurzem hast du mit Kendall eine Kollektion entwickelt. Wieviel kannst du da an solchen neuen Zugängen einbringen?

Für die „Kendall for About You“-Kollektion habe ich als Fashion Consultant eng mit Kendall gearbeitet. Bezüglich Nachhaltigkeit haben wir mit dieser Kollektion auch ein paar gute Steps machen können. Zum Beispiel konnte ich About You überzeugen, dass bei der Färbung der Lederteile keine Chrom-Technik verwendet wurde. In meiner Position als Fashion Consultant habe ich die Möglichkeit einiges einzubringen. Mein Anspruch ist immer zu schauen, was man in Bezug auf Nachhaltigkeit umsetzen kann. Auch bei den Influencern und Models selbst tut sich einiges. Wobei man verstehen muss, dass sie über ihre Aufträge bezahlt werden. Einige arbeiten aber auch nur mit nachhaltigen Brands. Das wird sicher noch mehr kommen.

Du bist Co-Founderin des Fashion Council Germany, die Initiative hat den Anspruch, „die deutsche Mode- und Designlandschaft für eine visionäre, technologische & nachhaltige Zukunft in einem globalen Markt zu stärken“ …

Unter dem Motto „Was kann ich für die Mode machen, was kann ich zurückzugeben?“, habe ich mit meinen Mitstreiterinnen das Fashion Council ins Leben gerufen und über die Grenzen hinaus etabliert. Ich bin stolz darauf, dass wir es geschafft haben, hier ein starkes Statement für Nachhaltigkeit zu setzen. Ich sehe uns da auch in der Verantwortung, die Mode aktiv zum Besseren zu verändern. Dazu haben wir unter anderem verschiedene Förderprogramme und Weiterbildungen etabliert.c_hofmann_12 Greenstyle ConferenceDie Mode wird digitaler, Virtual Fashion ist gerade in aller Munde. Wie stehst du als Stylistin dazu?

Der Beruf Stylistin verändert sich durch das Metaverse. Klar ist, die Phänomene Virtual Fashion und Metaverse werden bleiben. Diese neue Welt ist auch eine Chance, sich zu etablieren, nicht nur für Designer und IT-Leute, sondern auch Stylisten werden Wege finden, Dinge auf neue Weise zu kuratieren. Aber ich denke, man wird auch immer zurückkombinieren in die reale Welt. Denn wir leben ja in einer realen Welt.

 

Fotos: (1) Kendall Jenner for About You © Photographer Zoey Grossman; (2, 3) © Neonyt, Neonyt S/S 2019; (4) © Claudia Hofmann, Shooting Vorbereitung: Olafur Eliasson für Handelsblatt Magazin; (5) © Claudia Hofmann, Shooting Vorbereitung für die Präsentation „FCG X H&M Fellowship Programm“ in Paris; (6, 7) Neonyt Installation A/W 2022 © Neonyt/Photographer Joachim Baldauf; (8) Kendall Jenner for About You © Photographer Zoey Grossman;  (9) Greenstyle Conference Oktober 2019.

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