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February 9, 2022

Milano Unica – eine Textilmesse macht sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Susanne Barta

Es war mein erster Besuch einer Textilmesse. Gemeinsam mit Marius Romen, Bozner Designer und Produktmanager, bin ich einen Tag durch die Milano Unica gestreift, er selbst geht seit 30 Jahren auf die Messe. Das war für mich sehr interessant, denn Marius kennt die meisten Brands, ich kenne kaum welche, der Stoff- und Accessoires-Bereich ist hochspezialisiert, sich da zurechtzufinden ist nicht einfach. Mich hat ein Blick in diese Welt interessiert, auch um ein wenig besser zu verstehen, wohin sich die Stoffherstellung entwickelt. Gerade im Stoffbereich entscheidet sich ja vieles in Bezug auf eine verantwortungsvollere Produktion und Weiterverarbeitung. Woher kommen die Garne, wie, wo und von wem werden die Stoffe hergestellt, welche Materialien, welche Farben verwendet? Susanne Barta @ Milano Unica 2+3

Zu sehen waren die Trends für die Saison Frühling/Sommer 2023 im Bereich High-End-Textilien und Accessoires. 343 Aussteller zeigten in Mailand ihre Angebote, davon war der überwiegende Teil aus Italien. Die Milano Unica gehört mit der Premiere Vision in Paris zu den wichtigsten internationalen Textilmessen. „Made in Italy“-Textilien sind nachgefragt, größte Export-Märkte sind China-Hongkong, Frankreich und Deutschland, laut aktuellem Report des Confindustria Moda Research Center. Italien ist der zweitgrößte Hersteller in Europa, nach Deutschland. Das wusste ich nicht. Auch wenn pandemiebedingt Marktschwankungen und zum Teil empfindliche Einbrüche zu verkraften waren, erhole sich die italienische Textilindustrie zusehends. Die wirkliche Herausforderung aber bestehe darin, junge Menschen entsprechend auszubilden, um nicht nur die Produktion des „Made in Italy“ zu fördern, sondern auch „Made and Educated“ in Italy.Susanne Barta @ Milano Unica Foto_4

Die Menge an Textilien und Accessoires war ziemlich überwältigend. „Brauchen wir das wirklich alles?“ „Wollen wir das wirklich alles?“ Diese Fragen stellten sich mir unweigerlich. Die Vielfalt der Stoffe, Farben, Muster und Techniken war aber auch beeindruckend. Unglaublich, was man so alles herstellen kann! Ganz offensichtlich auch: Nachhaltigkeit/Sostenibilità ist auf der Milano Unica kein Randthema mehr, sondern zieht sich durch. Jedes Jahr nehme nicht nur der Blick auf nachhaltige Produktionsweisen und Materialien zu, sondern auch das Angebot, sagt mir Marius. Susanne Barta @ Milano Unica Foto_5

Das Konzept der aktuellen Ausgabe lief unter dem Titel „MU Hotel“ und wird bestimmt durch drei Perspektiven, drei Visionen: ECORESORT, ECOYACHT und ECOPALACE. Gleich am Eingang wurden die Besucher mit den entsprechenden „Tendenze“ begrüßt. Frühling und Sommer 2023 werden skizziert als die erste richtige Saison nach der Pandemie, sie soll uns einen „neuen“ Zugang zu einem „neuen“ Leben ermöglichen, der vor allem auch durch nachhaltige Praktiken charakterisiert wird, die sich dann auch in den Textilien, die im Design und in der Mode eingesetzt werden, widerspiegeln sollen. Hier setzte die Messe auf die bewährte Zusammenarbeit mit „Filo“ https://filo.it/filo-a-milano-unica-3/, Filo beteiligte sich an der Tendenze Area mit einem Angebot von ausschließlich nachhaltigen Garnen. Im Rahmen des Projekts „FiloFlow. Virtuos process of sustainability” wurden die Textilien der am Projekt teilnehmenden Aussteller in ihren Nachhaltigkeits- und Transparenzergebnissen entlang der Lieferkette bewertet bzw. beschrieben. So konnte man sich gleich orientieren, wer, was, wie macht.

Susanne Barta @ Milano Unica 6+7

Großes Thema natürlich auch Packaging. Schöne Lösungen gibt’s da! Der „Renner“ der Messe war eine recycelte Tasche von eco shopper.

Susanne Barta @ Milano Unica 8-9

Interessant auch die Innovation Area mit einem Schwerpunkt auf Outdoor- und Activewear. „Noch nie war Nachhaltigkeit für Hersteller von funktionalen Stoffen so wichtig“, schreibt etwa das deutsche Branchenblatt „TextilWirtschaft“. Spannend auch die Fokus-Auftritte „Korea Observatory“ und „Japan Observatory“. Vor allem die Qualität der japanischen Denims hat mich begeistert. Man sieht es den Stoffen an, fühlt es beim Angreifen und kann auch nachlesen, wie viele Ressourcen hier in Forschung und Entwicklung gesteckt werden, auch im Hinblick auf nachhaltige Praktiken. Susanne Barta @ Milano Unica Foto_10

Was bringt uns nun die Saison SS 23? So ganz klar wurde mir das nicht. Gefühlt gab es alles: kräftige Farben, Pastelltöne, viel Glam/Glitzer/Pailletten, einige Erdtöne, wilde Muster und Prints, auch zurückhaltende Prints, Embroidery, Spitze, Crochet … Wer die genaue Farbpalette mit Pantone-Angaben haben möchte, muss kräftig dafür zahlen. Klar aber scheint zu sein, dass die Zeit der Zurückhaltung, des Minimalismus vorbei ist und sowohl bei Texture, Prints und Farben wieder richtig was los ist. Die Zeitschrift Textilwirtschaft bietet in ihrem Special „Fabrics. Spring 2023“ die Einteilung der Keytrends in „Nature+“, „Graphic Power“ „Pastell Flirt“ und „Glam Bam“ an.

Susanne Barta @ Milano Unica 11+12

Alles in allem ein sehr interessanter Tag. Und da ich gerne Leute beobachte und was sie so tragen, kann ich auch in dieser Hinsicht sagen: Auf Mailand ist Verlass, denn es waren wirklich nicht wenige sehr ansprechend gekleidete Menschen unterwegs. Inspirierend war das.

Wie ernsthaft und konsequent dann nachhaltige und faire Praktiken in der Textilproduktion umgesetzt werden, lässt sich von außen schwer nachvollziehen. Das Bemühen scheint da zu sein, auch die Einsicht, dass das Thema nicht mehr weggeht. Dass man aber bei „Made in Italy“ ganz genau hinschauen muss, könnt ihr zum Beispiel im kürzlich geführten Gespräch mit Oscalito-CEO Dario Casalini nachlesen. Susanne Barta @ Milano Unica 13+14

Alle Fotos: Susanne Barta

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