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February 1, 2022

Blaumachen mit Simon Platter

Kunigunde Weissenegger

Architektur und Bildhauerei, Grafik und Druck, Fotografie und Musik, Kulturen, Natur und Landwirtschaft – so könnten seine Interessen und Leidenschaften, beruflich wie privat, zusammengefasst werden. Simon Platter ist einer jener Zeitgenossen, die Zeit genießen – im weitest möglichen Sinn dieses Wortes, mit jeglichen Synonymassoziationen, wohlgemerkt – und damit wären wir auch schon beim Anlass dieses Interviews. Doch zunächst noch einige weitere Einblicke …

Den Architekturabschluss hat der Laaser 2016 in Graz gemacht. Nach dem Studium ist er in den Vinschgau zurückgekehrt: „Es war eigentlich nicht geplant hier zu bleiben, ich bin dann aber nicht wieder losgekommen.“ Damals hat er sich von der Architektur eine Auszeit genommen und bei Siegfried Höllrigl in der Offizin S. in Meran ein Praktikum gemacht: Für einen intensiven Monat ist er in die Welt der Typographie und Druckgrafik eingetaucht – und dem Alltag entflohen. Seit 2017 ist er selbständig vor allem in den Bereichen Innenraumgestaltung und Möbeldesign tätig. Seit 2019 arbeitet er als freier Mitarbeiter für den Künstler Manfred Alois Mayr. Immer wieder setzt er gemeinsam mit dem Kollektiv AU-Workshop nahe Budapest kleinere Projekte um.Simon Platter Wood (c) Simon PlatterObwohl Simon Platter vorwiegend am Computer und auf Papier gestaltet, „braucht“ er auch das Arbeiten mit den Händen und konkreten Materialien. Das hat ihn auch dazu bewogen, von 2019 bis 2021 nebenbei den Lehrgang für Freie Steinbildhauerei an der Berufsfachschule für Steinbearbeitung in Laas zu besuchen und abzuschließen: „Das Material Marmor, das sozusagen vor meinen Füßen lag, hat mich schon länger fasziniert. Darum habe ich die Gelegenheit, die sich mit dem Lehrgang geboten hat, am Schopf gepackt.“

Ebenso wichtig ist für ihn die Arbeit mit und in der Natur: „Ich gestalte seit 2020 zusammen mit meiner Freundin Elisabeth ein größeres Stück Land, wo wir auf ökologische Weise verschiedenes, samenfestes Gemüse anbauen. Am Hof des Greiterhauses versuchen wir nach den Prinzipien des Market Gardenings sinnvoll mit Boden und Ressourcen umzugehen und hochwertige, gesunde Lebensmittel zu erzeugen. Hier haben wir noch einiges vor, Ideen sind am Entstehen …“blau machen 010 Jürgen Eheim

Und nun zurück zum Anlass dieses Interviews: Zurzeit sind Simon Platters Arbeiten gemeinsam mit jenen von Mirijam Heiler und Lilian Polosek bis 5. Februar 2022 in der StadtGalerie Brixen zu sehen. Die von Elisa Barison für den Südtiroler Künstlerbund kuratierte Ausstellung trägt den Titel „Blau machen – Un ritorno al dolce far niente“, beschäftigt sich mit Zeit und schlägt den Besucher*innen eine Auszeit – von Konsum, Erlebnis, Effizienz, Produktivität, Selbstoptimierung, whatever – vor. Verweilen ist das Motto, Nichtstun die Devise, Langeweile Konzept. Die Grauen Herren von „Momo“ haben hier null Chance. 

Simon, mit welchen Materialien arbeitest du bevorzugt? Warum?

Die Frage bezüglich Materialien finde ich besonders interessant. Es gibt kein Material, mit dem ich bevorzugt arbeite. Mein Interesse liegt vielmehr darin, verschiedenste Materialien zu begreifen. Jedes Material hat bestimmte Eigenschaften, bestimmte Qualitäten, Stärken und Schwächen, nur wenn man diese kennt, kann man mit den Materialien auch „materialgerecht“ umgehen und damit arbeiten.  
Spannend finde ich auch das Arbeiten mit unkonventionellen Materialien. Darunter verstehe ich jene, die für bestimmte Zwecke gedacht und gemacht wurden, dann aber auf andere Weise eingesetzt werden können.
Allgemein finde ich Materialien interessant, die altern können. Materialien, die sich mit der Zeit, durch Verwitterung und/oder Gebrauch verändern, eine Patina bilden und somit eine Geschichte erzählen können.
Im Gegensatz dazu finde ich Materialien, die vorgeben ein anderes Material zu sein, eher abstoßend. 

Welche Themen beschäftigen dich und fließen in deine Arbeiten? 

Neben der Materialität als Thema, beschäftigt mich auch die Verarbeitung: Was ist mit bestimmten Materialien möglich und was nicht? Welche Möglichkeiten bieten verschiedenste handwerkliche oder maschinelle Bearbeitungen, Oberflächen, Farben etc.? All das fließt in meine Arbeit ein. 
Als freier Mitarbeiter des Künstlers Manfred Alois Mayr lerne ich immer wieder die Sicht auf genau diese Dinge zu schärfen. 
Ein anderes, für mich wichtiges Thema ist die Nachhaltigkeit oder vielmehr die Resilienz. In Anbetracht der vielen Krisen, in denen unsere Gesellschaft sich im Moment befindet, allen voran die Klimakrise, ist es wichtig, Lösungen in den verschiedensten Bereichen zu erarbeiten. Ich komme aus einer Familie mit landwirtschaftlichem Kontext. Auch deshalb interessiere ich mich sehr für die Frage, wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen kann. Neben meiner Arbeit als „Gestalter“ baue ich daher zusammen mit meiner Partnerin Elisabeth gerade ein landwirtschaftliches Projekt auf. Im Zentrum steht zurzeit die Gemüsevielfalt, die wir ökologisch, möglichst ressourcen- und bodenschonend anbauen.Lisi + Simon Greiterhaus Laas (c) Simon PlatterWas hast du für die Ausstellung in der StadtGalerie Brixen produziert? 

In Brixen habe ich mich zusammen mit der Kuratorin Elisa Barison und den beiden Künstlerinnen, Mirijam Heiler und Lilian Polosek mit dem abstrakten Thema „Zeit“ auseinandergesetzt. Es war mir wichtig, den Raum als solchen zum Ausgangspunkt zu nehmen und mit der vorhandenen Raumsituation zu arbeiten. Einfache, monotone Absperrgitter, wie man sie von Baustellen kennt, habe ich so im Raum positioniert, dass die langgezogene Galerie zum Warteschlangen-Parkour wurde. Die Besucher*innen werden dadurch „gezwungen“, ähnlich wie in Einkaufshäusern oder „Freizeit“-Parks unserer Konsumgesellschaft, den vorgegebenen Umweg zu nehmen. An den Wänden sind die Werke der Künstlerinnen positioniert, und werden dadurch anfangs nur nebenbei wahrgenommen. Die Warteschlangensituation lenkt zunächst eher von den Werken ab und führt die Besucher*innen zum „scheinbaren“ Ziel, einem Nebenraum der Galerie. Dort werden sie gebeten, den mit einem Vorhang verhüllten Raum, einzeln zu betreten. Was sich dort verbirgt und ob es die Erwartungen erfüllt, bleibt offen. Wieder geht es hier darum, den Raum zum Inhalt zu machen. Die Leere des Raums wird mit blauem Licht unterstrichen und bietet – im besten Fall – Raum für Zeit. Danach findet man vielleicht die Ruhe, um sich mit den Werken der Künstlerinnen auseinanderzusetzen.blau machen 001 Jürgen Eheim

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Und wie lief die Ausstellung bis jetzt, wie waren die Reaktionen? 

Die Frage könnte hier vielmehr lauten: Wer hat sich wirklich ZEIT für die Ausstellung genommen und sich mit dem Thema auseinandergesetzt? Die Reaktionen waren verschieden. Es gab meines Wissens sehr positive Resonanz, aber natürlich auch kritische Stimmen.

Fotos: (1, 2, 4) Simon Platter; (3, 5, 6, 7) Jürgen Eheim

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