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January 19, 2022

Fair und erfolgreich: die Weltläden in Südtirol

Susanne Barta

Ich erinnere mich noch gut als Jugendliche in den ein oder anderen Weltladen gegangen zu sein, ich erinnere mich vor allem an die Gerüche nach Sandelholz und Patschuli. Mein Stil war damals eher „alternativ“, den heiß geliebten dunkelblauen, bestickten indischen Fransenrock habe ich einem solchen Laden gekauft. Mein Stil hat sich verändert, aber auch die Weltläden haben sich verändert. 

Während in anderen Ländern zunehmend Weltläden schließen, kommen in Südtirol immer wieder neue hinzu. Insgesamt gibt es 16 Geschäfte, 13 sind in dem gleichnamigen 2013 gegründeten Netzwerk verbunden, koordiniert wird es von Brigitte Gritsch. Vor 42 Jahren, erzählt sie mir, wurde in Brixen der erste Weltladen Italiens eröffnet. Die Weltläden in Südtirol sind eine Erfolgsgeschichte. Das mag wohl am Engagement der Betreiber*innen liegen, am vielfältigen Angebot und auch an den Standorten mit einer guten Mischung zwischen Stadt und Land.

Brigitte Gritsch kümmert sich im Netzwerk um Bewusstseinsbildung und die Weiterentwicklung der Idee der Weltläden, den Verkauf macht jeder Laden eigenständig. Auch im Bereich der nachhaltigen Bekleidung sind die Weltläden aktiv, die eigene Modelinie von altromercato wurde eine Zeitlang sogar von der Designerin und späteren Fashion-Revolution-Italia-Koordinatorin Marina Spadafora designt. © Brigitte Gritsch Weltladen Südtirol 02Die Textilindustrie ist leider eine sehr ausbeuterische Industrie. Selten wird ein Lohn bezahlt, von dem die Arbeiter*innen leben können. In den Ländern des Globalen Südens (aber nicht nur!) sind sie auch oft ungeschützt, dürfen sich nicht organisieren, einfachste Sicherheits- und Hygienevorschriften werden nicht beachtet oder es gibt sie erst gar nicht. Die Liste lässt sich fortsetzen. Umso wichtiger, dass es Initiativen wie den fairen Handel/altromercato gibt, die Licht ins Dunkel der Lieferketten bringen. 

Brigitte, sind die Weltläden damals aus einem aktivistischen Antrieb entstanden?

Sicherlich, der Weltladen ist nicht nur ein Verkaufspunkt. Mittlerweile findet man viele Produkte auch im Supermarkt, aber dort bekommt man keinen Zugang zu den Geschichten. Hinter jedem Produkt stehen Menschen, stehen Geschichten. Und die erzählen wir in den Weltläden, viele schöne und positive Geschichten. Bei konventionellen Produkten liegen die Lieferketten meist ziemlich im Dunkeln und oft geht das auch mit Ausbeutung einher, egal ob im Lebensmittel- oder Bekleidungssektor. Für die nicht sehr schönen Geschichten muss man gar nicht weit weg gehen, da kann man auch in Italien bleiben, vermutlich gibt es sie auch bei uns. Ausbeutung passiert überall. Im fairen Handel hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, seit 2015 sprechen wir auch vom „domestic fair trade“, also vom lokalen fairen Handel. 

Das heißt, vor allem transparente Lieferketten sind wichtig für euch?

Der faire Handel ist klar definiert, Transparenz ist eines der Kriterien. Insgesamt gibt es zehn Kriterien (Anmerkung: siehe unten) und ein Siegel- und Garantiesystem. Diese Kriterien sind von allen einzuhalten. Transparenz ist die einzige Möglichkeit, die Produkte wirklich zurück verfolgen zu können.Weltladen © Susanne Barta 03+04Auch im Bereich nachhaltiger Bekleidung habt ihr einiges anzubieten …

Nicht alle Weltläden führen Textilien, das hängt von ihrer Größe ab, aber Accessoires haben die meisten. Ein großes Angebot an Bekleidung gibt es in Bozen, Brixen, Klausen, Neumarkt, Sand in Taufers, Meran und Lana. Über einige Importeure bieten wir Mode von verschiedenen Projekten und Marken an, zum Beispiel Anukoo, eine Marke von EZA Österreich, die vorwiegend in Indien von Creative Handicrafts produziert wird, die Modelinie von altromercato, das Strickprojekt Wipalla aus Bolivien, das Straßenkinder unterstützt, Progetto Quid und auch einige lokale Marken. 

Auch sonst seid ihr im nachhaltigen Modebereich aktiv, engagiert euch im Rahmen von Fashion Revolution, seid auf der Ecotex in Klausen …

Wir organisieren auch immer wieder Modeschauen um die verschiedenen Kollektionen vorzustellen. In der Zwischenzeit geht es ja wirklich um Fashion, nicht nur um soziale Projekte. Auch für die Produzenten ist das wichtig, alle möchten Kleidung produzieren, die schön ist und den Leuten gefällt. Niemand kauft heute nur etwas, weil es gut produziert wurde, das reicht nicht. Wir möchten zeigen, wie schön die Produkte sind, und erzählen die Geschichten dazu.© Brigitte Gritsch Weltladen Südtirol 05Wie kleidest du dich selbst, was ist dir wichtig?

Dadurch, dass ich mich seit vielen Jahren mit diesen Thematiken auseinandersetze, kaufe ich bestimmte Sachen erst gar nicht. Fast Fashion geht nicht. Ich kaufe wenig, am liebsten, wenn ich unterwegs bin, da schaue ich, was es so an Secondhand gibt oder ich kaufe faire Mode, auch für lokale Designer*innen interessiere ich mich. Meine Sachen trage ich lange und kombiniere sie immer wieder anders. Ich bin mit wenig zufrieden. Klar, Kleider machen Leute, aber nicht nur, da muss man schon auch dahinter schauen.

 

Vor kurzem habe ich wieder mal in einen der Weltläden geschaut und einige sehr hübsche Sachen gesehen. Schön, dass es diese Initiative(n) gibt!© Susanne Barta 06+07

Und hier auch die zehn Grundsätze des fairen Handels:
1. Grundsatz: Chancen für wirtschaftlich benachteiligte Produzenten schaffen
2. Grundsatz: Transparenz und Rechenschaftspflicht
3. Grundsatz: Faire Handelspraktiken
4. Grundsatz: Faire Bezahlung
5. Grundsatz: Keine ausbeuterische Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit
6. Grundsatz: Versammlungsfreiheit, keine Diskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit
7. Grundsatz: Gute Arbeitsbedingungen
8. Grundsatz: Aus- und Weiterbildung
9. Grundsatz: Förderung des Fairen Handels
10. Grundsatz: Schutz der Umwelt

© Susanne Barta 08 

Fotos: (1, 2, 5) © Brigitte Gritsch Weltladen Südtirol; (3, 4, 6, 7, 8) © Susanne Barta

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