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December 23, 2021

Angelus Loci: Die Engel von Anton Hofer

Verena Spechtenhauser

„Kunst sollte kein Luxus, sondern ein persönliches Bedürfnis des Menschen sein.“ (Anton Hofer)

Der Südtiroler Ausnahmekünstler, Grafiker, Architekt und Designer Anton Hofer (1888–1979) erschuf im Laufe seines Lebens ein vielseitiges und umfassendes künstlerisches Werk, das von Bildern in Kohle und Aquarellen über Textilkunst bis hin zu Geschirr, Schmuck und Exlibris reichte. Eine kleine, aber wirklich sehenswerte Ausstellung von Reproduktionen der Jugendstil-Engel des Bozner Multitalents ist im Rahmen des Kunstprojektes Angelus Loci bis 6. Jänner 2022 im Kaffeehaus des Stadt Hotel am Waltherplatz zu sehen. 

Klare, feingliedrige Linien, spielerische Ornamente, starke, leuchtende Farben in Kombination mit Gold und eine filigrane formvollendete Ästhetik. So zeigen sich die vier Jugendstil-Engel von Anton Hofer an den Wänden des Hotel Stadt dem Publikum und brechen in ihrer Leichtigkeit mit den pompösen Engelsdarstellungen aus Barock und Biedermaierzeit. Ausgesucht und zur Verfügung gestellt hat die Reproduktionen Sylvia Hofer, die Enkelin und profunde Kennerin von Anton Hofer und seinem umfassenden Werk, das in seiner Bandbreite und seinem Abwechslungsreichtum wohl Seltenheitswert hat.Anton Hofer_Engel 3„Mein Großvater war ein bedächtiger Mensch, der mit seinem inneren Auge sah. Durch seine Engelsdarstellungen zieht sich eine Leichtigkeit, die bezeichnend für seine gesamten Arbeiten ist. Seine Textilentwürfe, Bilder und Möbel drängen sich dem Betrachter niemals auf, sondern lassen Luft zum Leben,“ beschreibt Sylvia Hofer die Kunst ihres Großvaters, während sie die Reproduktionen betrachtet. 

Im Stadthotel zu sehen sind unter anderem ein  Ausschnitt aus dem Rauchmantel (Pluviale) des Marienornates in Klosterneuburg mit dem Anton Hofer bereits als Student 1910 einen ungewöhnlich großen Erfolg verbuchen konnte, als er den Wettbewerb für ein Pontifikalornat gewann, den das Stift Klosterneuburg ausgeschrieben hatte. Das Engelsmotiv findet sich auf einem weißen, kleingemusterten Grundstoff mit applizierter blauer Seide und bestickt mit Metallfäden wieder: „Dieser Marienornat erregte damals großes Aufsehen“ erzählt Sylvia Hofer „und ist ein herausragendes Beispiel des Jugendstils“. Daneben zu sehen sind ein Ausschnitt aus dem Mittelstück des Antependiums des Marienornates in Klosterneuburg sowie ein Textilentwurf ausgeführt von der Wiener Seidenweberei Flemmichs Söhne (1912) und ein weiterer textiler Entwurf.Anton Hofer_Engel 4„In seiner Wiener Zeit hat mein Großvater das Motiv der Engel ziemlich oft übernommen und es gibt noch einige Werke mehr. Ich kann mich erinnern, dass mich die klassische Schönheit und Eleganz, die stilisierten Federn der Flügel, die Feinheit von Händen und Füßen, die seine Engel auszeichnen, schon als Kind fasziniert hat“, erinnert sich Sylvia Hofer zurück. Dass die Jugendstil-Engel von Anton Hofer bis dato noch nie in Form einer Ausstellung zu sehen waren, ist eigentlich erstaunlich. Denn es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass die zwischen 1910 und 1912 entstandenen Engelsdarstellungen einen einzigartigen Stellenwert für die hiesige Kunstgeschichte bedeuten, auch weil Anton Hofer, der unter anderem auch Gründungsmitglied des Südtiroler Künstlerbundes war, bis heute der einzige Südtiroler Vertreter dieser Kunstströmung ist. 

Aber wie kommt ein Südtiroler Bauernsohn dazu, sich als Künstler dem Wiener Jugendstil zu widmen? „Das war vor allem der Verdienst meiner Urgroßmutter Rosa Hofer, einer einfachen, aber sehr gescheiten Bauersfrau aus Deutschenofen, die nach dem Tod ihres Mannes mit ihrem Sohn Anton nach Bozen gezogen ist und sehr früh seine Begabung erkannt hat. Sie hat ihm den Besuch der Fachschule in Bozen und später der höheren Staatsgewerbeschule in Innsbruck ermöglicht. Anschließend spielte sich das Leben meines Großvaters für viele Jahre in Wien ab. Als er im Jahr 1908 sein Studium an der dortigen k.k. Kunstgewerbeschule – der heutigen Hochschule für Angewandte Kunst – begann, befand sich die Metropole an der Donau am Höhepunkt eines sprießenden kulturellen Lebens, das als Wiener Moderne in die Analen Europas einging“, beschreibt Hofer die Stimmung der damaligen Zeit. So belegte Anton Hofer von 1908 bis 1912 unter anderem die Meisterklasse in Malerei bei Koloman Moser, einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Kunst- und Stilentwicklung in Wien und Mitbegründer der Wiener Secession. Anton Hofer_Foto_Frontal„Noch in Wien heiratete er 1919 meine Großmutter May Ottawa, die er an der Akademie kennengelernt hatte und die sich selbst später einen Namen als Künstlerin mit ihren Werken in Emaille und Bildteppichen aus Stoffapplikationen machte.“

Die Rückkehr nach Bozen war für das Künstlerehepaar nicht einfach. May Hofer kam in ein ihr völlig fremdes Land und musste sich in Südtirol erst einleben. Anton Hofer setzte der provinzielle Kunstgeschmack zu, denn er stieß anfänglich mit seiner Kunst auf völliges Unverständnis. Als Architekt, Maler und Designer konnte er schließlich Fuß fassen, wobei seine Aufmerksamkeit besonders dem qualitativ hochwertigen Kunsthandwerk galt. „Mit der Weberei Ulbrich in Bruneck verband meinen Großvater über einen langen Zeitraum hinweg eine fruchtbare Zusammenarbeit. Seine Entwürfe für Tischdecken werden auf Bestellung bis heute gefertigt. Die Fülle an Mustern variiert von streng geometrischen Linien über weich verlaufende Ornamente zu abstrahierten Naturelementen – alle geprägt durch eine wohl überlegte Farbwahl,“ so Sylvia Hofer.Hochzeitsanzeige_May und Anton Hofer_1919

Als Anton Hofer nach Bozen zurückkehrte lebte er viele Jahre am Waltherplatz Nummer 8 und hatte dort auch sein Atelier. „Meine Erinnerungen an die Besuche in seinen Arbeitsräumen sind durchwegs glückliche und es war spannend, wenn er eine neue Zeichnung oder einen neuen Entwurf zeigte. Allerdings wollte er nie zu lange abgelenkt werden, was durchwegs respektiert wurde, denn sonst lief man Gefahr, freundlich aber bestimmt hinauskomplimentiert zu werden. Auch deshalb freue ich mich besonders, dass nur einige Häuser weiter, im Stadthotel, nun seine Engel zu sehen sind“.1919_May und Anton Hofer_auf Stuhl_BozenDie Ausstellung „Die Engel von Anton Hofer“ ist Teil des Kunstprojektes Angelus Loci und bis 6. Jänner 2022 im Kaffeehaus des Stadt Hotel am Waltherplatz zu sehen. Das von der Stadt Bozen in Auftrag gegebene Projekt „Angelus Loci“ hat das Büro für Kommunikation franzLAB in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsamt Bozen kuratiert und umgesetzt.

Fotos: (1) franzLAB/Martina Ferraretto; (2–5) Sylvia Hofer

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