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October 25, 2021

Elias Hirschl zu seinem „hochaktuellen“ Roman

Brigitte Egger

Vor gut zwei Wochen war der Schriftsteller Elias Hirschl im Literaturhaus am Inn zu Gast. Eine etwas eigenartig aufgewühlte Stimmung war an jenem Abend im zehnten Stock des Veranstaltungsgebäudes zu vernehmen – einige der Gäst:innen haben offensichtlich unmittelbar vor ihrem Lesungsbesuch noch die ZIB-Spezial-Livesendung geschaut. Die brandneuen Nachrichten? Der österreichische Bundeskanzler ist in eine korrupte Inseraten-Affäre verwickelt, ihm droht der Rücktritt. Einen geeigneteren Termin für die Lesung aus seinem neu erschienenen Roman „Salonfähig“ hätte sich Elias Hirschl wohl nicht aussuchen können. „Jetzt geht dein Marketing für deinen Roman aber echt zu weit“, habe der 27-jährige Autor im Zug nach Innsbruck eben noch die Nachricht von einem Freund erhalten. Der Protagonist seines politisch-satirischen Romans ist nämlich dem mittlerweile Ex-Kanzler Sebastian Kurz nachempfunden. „Timing-mäßig ist es die absurdeste Lesung, die ich bisher hatte“, meint Elias Hirschl bei der Begrüßung des Publikums.

Literaturhaus am Inn – Gabriele Wild + Elias Hirschl

Der Roman spielt im Milieu einer fiktiven rechtskonservativen Partei, genannt „Mitte Österreich“. Deren Spitzenkandidat, der junge Julius Varga, scheint in den Augen des namenlosen Ich-Erzählers perfekt zu sein. Um zu werden wie Varga, übt er vor dem Spiegel „authentisches“ Auftreten und überzeugende Rhetorik ein. Autor Elias Hirschl beschäftigt sich bereits seit Jahren mit Mechanismen des NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) und psychologischen Machtstrukturen in politischen Parteien, die er in „Salonfähig“ überspitzt zum Vorschein bringt. Grotesk erscheinen die Figuren, wie eine Parodie der gesamte politische Zirkus – verfolgt man aber parallel dazu die österreichischen Nachrichten, scheint das Ganze gar nicht einmal derartig übertrieben dargestellt zu sein. Ein Roman, der uns vor Augen führt, dass die Realität zuweilen absurdere Geschichten schreibt, als wir sie in fiktionalen Büchern oder Filmen finden.   

Wir haben uns schließlich zu fragen getraut, wieviel des Protagonisten eigentlich in Elias Hirschl steckt und den Autor gebeten, zu ausgewählten Zitaten aus seinem Buch Stellung zu nehmen:

Nach dem Aufwachen habe ich den Traum sofort in einem Notizbuch dokumentiert. Julius sagt, Tagebuchführen hat einen positiven Effekt auf das Gedächtnis, das Reflexionsvermögen, macht einen sich selbst als menschliches Individuum bewusster und hebt allgemein den IQ. (S. 7.)

Wie sieht das bei dir aus – notierst du gelegentlich deine Träume und interpretierst du diese auch? Führst du ein Tagebuch?

Nein. Eine Betreuerin aus meinem Zivildienst hat mal den schönen Satz gesagt: „Ich erleb tagsüber schon so viel Blödsinn, das brauch ich nicht auch noch in der Nacht.“ Meine Träume sind meistens extrem banal, wie so ein Vorzeigetraum aus der freudschen Psychoanalyse, das brauch ich dann wirklich nicht jede Nacht.
Tagebuch führ ich aber seit kurzem wieder, aber eher so im drei bis vier Wochen-Abstand – einfach mal alles zusammenschreiben, was so passiert ist. Das leite ich dann immer mit „Was bisher geschah“ ein und dann liest sich das wie so ein kleines Star-Wars-Intro.

Tirol wird aufgerufen, dessen Vertreter erwartungsgemäß ein Lokal in den Innsbrucker Viaduktbögen vorschlägt, was Tumult bei der Wiener Fraktion auslöst, denn wenn die Bögen eine adäquate Möglichkeit darstellen, könne man ja auch gleich in so ein linksversifftes Lokal am Gürtel gehen […]. (S. 20.)

Du bist ja immer wieder mal zu Besuch in Tirol. Verschlägt es dich da ab und zu auch in die Innsbrucker Bögen? Welches ist dein Lieblingslokal dort?

Ja, ich bin extrem gern in Innsbruck und vor allem in den Bögen. Ich merk mir leider sehr schlecht Namen und sag dann einfach immer: „Geh ma zum Gürtel“, wenn ich einen der Bögen mein. Ich hab sehr nette Erinnerungen an ein Lokal wo es „Apfelstrudel“ als Shot zum Trinken gab. Aber keine Ahnung, wie das hieß. Meistens zieht man dann ja eh von einem zum nächsten.

Wenn ich an dem Bettler vorbeigegangen bin, habe ich ihm deshalb immer zwanzig Cent zugesteckt und mich dann später dafür mit einem Stück Sachertorte im Hotel Sacher belohnt, damit sich eine Gewöhnungsreaktion einstellt. Man muss sich das gute Handeln antrainieren, hat schon Aristoteles gewusst! (S. 35.)

Denkst du, dass Aristoteles damit Recht hat? Probierst du das auch selber aus?

Aristoteles hat minimal damit Recht gehabt, dass man sich das gute Handeln antrainieren muss. Da gab’s ja zwei verfeindete Schulen, z. B. in Bezug auf Gewalt an Tieren: Die eine Schule hat mit der „Katharsis“ argumentiert, also dass es einen kathartischen Effekt hat, wenn ich beispielsweise einen Hund verprügle, dann ist die aggressive Energie aus mir raus und ich werd nicht mehr gewalttätig Menschen gegenüber, und die andere Schule hat mit der Gewohnheit argumentiert und gesagt: Naja, wenn ich einen Hund verprügle, dann gewöhn ich mich ja ans Verprügeln, bau da Hemmschwellen ab und verprügle demnächst auch einen Menschen. Da stimme ich Aristoteles und der letzteren Position zu. Der Protagonist im Buch übersteigert das Ganze natürlich ins Furchtbare, weil’s ihm absolut nicht um die Person geht, der er zwanzig Cent zusteckt, sondern nur darum, ihn als Mittel zum Zweck zu benutzen, um sich selbst als Person aufzuwerten.

Ich habe das früher als lästig und unnötig empfunden: Smalltalk führen […]. Es ist auch nicht so, dass ich nichts Interessantes zu erzählen gehabt hätte, aber durch meine Nervosität ist mir einfach nichts eingefallen. Und dann geht man alleine nach Hause, und es fallen einem all die guten Antworten ein, um sich beliebt zu machen, um bei den Menschen einen bleibenden positiven Eindruck zu hinterlassen […]. (S. 60.)

Wie stehst du zu Smalltalk? Mit welchem Thema würdest du in ein Smalltalk-Gespräch einsteigen und mit welchem verjagt man dich am Schnellsten?

Ich hasse Smalltalk, aber noch viel mehr hasse ich aufgezwungen Big-Talk oder wie das heißt, wenn man dann als Gag „haha, ich hasse Smaltalk auch, reden wir doch lieber gleich darüber, was du so vom Leben nach dem Tod hältst“, weil, like, oida lass mir halt bissl Zeit, ich kenn dich nicht und will jetzt fix nicht mit dir über meine größten Ängste reden. Dann lieber gepflegt zwanzig Minuten über das Wetter reden, das kann ja unter Umständen eh ganz angenehm sein. Schlimmster Gesprächseinstieg ever ist aber ungefragtes Feedback zu Auftritten.  

Die Sonne ist untergegangen und ich bin schon völlig besoffen, als ich am Ring in das Taxi steige und irgendein Lied von den Imagine Dragons läuft, die ich nur deshalb kenne, weil Moni die unbedingt auf dem Frequency sehen wollte. Katharina Kathi Baumgartner fragt, ob man das lauter stellen kann […]. (S. 157.)

In deinem Buch häufen sich popkulturelle Referenzen, insbesondere zu Musik – von Indie, Rechtsrock, Black Metal bis zu Helene Fischer. Hast du in deinem Roman auch Bands angeführt, die du selber gerne hörst?

Ich liebe die Punk-Band „Franz Fuexe“, die ja auch sehr prominent im Buch erwähnt wird. Zu meiner Freude hat sich der Sänger grad bei mir gemeldet. Sie freuen sich sehr über die Erwähnung im Buch. Ansonsten gibt’s eine lange, extrem unangenehme Stelle im Buch, wo der Protagonist jemandem ewig lang die „Pixies“ mansplained. Da steckt natürlich meine eigene Liebe zu den Pixies und zu Kim Deal drin, auch wenn ich das wirklich niemandem so furchtbar aufzwingen würde, wie beschrieben.

Wann warst du das letzte Mal beim Frequency Festival?

Ich war noch nie am Frequency und werde nie am Frequency sein, weil ich Festivals mit Campen nicht aushalte.

Ich mache mir einen Espresso mit meiner Leva-Semiautomatik und schalte den Fernseher ein, um die 9-Uhr-Nachrichten zu schauen, aber es ist schon 17 Uhr, also schaue ich die 17-Uhr-Nachrichten. (S. 192.)

Das Kaffeetrinken ist ein sich-wiederholender Moment in „Salonfähig“, sehr häufig bereitet sich die Hauptfigur einen Espresso zu. Mit welcher Zubereitungsart trinkst du deinen Kaffee am liebsten?

Immer unterschiedlich: Ich hab eine relativ billige Pad-Maschine, aber auch eine Espressokanne und einen Plastik-Kaffeefilter für Filterkaffee. Kann mich da nie ganz entscheiden, trinke aber relativ viel davon.

Und bist du ein Mensch, der täglich konsequent und mit Leidenschaft die innen- und außenpolitischen Nachrichten verfolgt?

Ja, ich schau eigentlich täglich Nachrichten, meistens österreichische und deutsche, die amerikanischen konsumier ich dann in verdünnter satirischer Form. Mein Lieblingsnachrichten-Outlet ist die Facebook-Seite von „Radio Taiwan International – German“. Da gibt’s im Grunde nur positive, liebe Nachrichten darüber, dass irgendwer in Taiwan eine entlaufene Katze gefunden hat, oder dass jetzt wieder das Mondfest ansteht und die Leute deshalb Mondkuchen kaufen, oder dass ein neuer KFC in Taipeh eröffnet hat. Und dann alle paar Wochen kommt plötzlich eine super aggressive Meldung über chinesische Kampfflugzeuge, die in den taiwanesischen Luftraum eingedrungen sind. Liebs.

Salonfähig - Elias Hirschl (c) Leonhard Hilzensauer:Zsolnay

Fotos: (1+3) Elias Hirschl (c) Leonhard Hilzensauer/Zsolnay; (2) Gabriele Wild + Elias Hirschl (c) Literaturhaus am Inn.

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