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September 14, 2021

„In sie hineinschlüpfen, in alle Details“ – Romina Pleschko, Tumler-Literaturpreis-Nominierte

Ben Ratschiller

Seit der Zeit, zu der ich als pubertierender Bücherwurm ganze „Harry Potter“-Bände in einer Nacht verschlungen habe, sind einige Jahre ins Land gegangen, und heutzutage, mit 35–45-Stunden-Woche und tausend Verpflichtungen, ist das Lesen mehr (zwar wichtiges) Hobby als Lebensinhalt. Trotzdem fällt mir hin und wieder ein Buch in die Hände, das ich am Stück verschlingen muss, weil ich es einfach nicht wieder weglegen kann.

Genau so ein Buch ist der Debütroman von Romina Pleschko, „Ameisenmonarchie“. Zwar vereinfacht die fehlende Einteilung in nummerierte oder benannte Kapitel das Durchlesen in einem Zug durchaus erheblich, doch auch abgesehen davon sind es ihr beobachtend-ironischer Schreibstil und die skurrilen, aber irgendwie auch bekannt vorkommenden, identifizierbaren Figuren, die mich in ihren Bann gezogen haben.

Das Buch zu beschreiben, ohne gleich die halbe Handlung zu verraten, ist schwer. Der ganz normale Wahnsinn in einem Mehrparteienhaus in der Großstadt, gewürzt mit kuriosen Begebenheiten und unterschwelliger, aber teils beißender Sozialkritik. Eine gesunde Mischung aus Vorabend-Sitcom und psychologischer Feldstudie, mit dem einen oder anderen plot twist, den ich hier nicht verraten darf. Ein richtiger Genuss, auch – oder gerade – beim zweiten Mal (eine Eigenart von mir, um, mit der ganzen Geschichte im Hinterkopf, Hinweise auf spätere Geschehnisse in früheren Kapiteln zu erspähen).

Anlässlich ihrer Nominierung für den heurigen Franz-Tumler-Literaturpreis habe ich Romina Pleschko einige Fragen stellen dürfen, die sie mir gern ausführlich beantwortet hat. Sie freue sich zudem schon auf Laas, das gute Essen und das Bergpanorama, was die lähmende Nervosität vor Lesung und Verleihung und das Chaos der Anreise mehr als wettmachen dürfte. Nun denn: 

Hallo Romina, zuerst einmal vielen Dank für das Interview und Glückwunsch zur Nominierung! Wie geht es dir? 

Dankeschön! Mir geht es ausgezeichnet, ich übertünche gerade die steigende Nervosität mit altmodischem Aktionismus, indem ich mir z. B. einen Stadtplan von Laas ausgedruckt habe (und bemerkt, dass eine Orientierung vor Ort eventuell auch ohne nicht so schwer wäre …) und die perfekte Proviant-Einkaufsliste für die Anreise zusammenstelle.Romina Pleschko

Hattest du vor deiner Nominierung für den Franz-Tumler-Literaturpreis schon davon gehört/gelesen? War dir der Vinschgau und Laas im Speziellen schon ein Begriff?

Ich kannte den Franz-Tumler-Preis schon, den fantastischen Roman „Vater unser“ der letzten Gewinnerin Angela Lehner habe ich ungefähr zeitgleich zur Preisverleihung gelesen. In Südtirol war ich hingegen noch nie, ich freue mich schon sehr auf Laas und die Veranstaltung. 

Wie kam es zu dem Titel Ameisenmonarchie? Spontane Eingebung oder tiefgehende Bedeutung?

Ein inspirierendes Bild aus den Anfängen meiner Arbeit war die Struktur eines Ameisenhügels, mit all seinen Bewohnern, wie in einem Zinshaus. Die Königin wohnt im Dachgeschoss, funktional deponiert zur Reproduktion.

Deine Charaktere sind, mit all ihren Marotten und Gedankengängen und Eigenheiten, so detailliert gezeichnet, dass ich mich fühle, als könnte ich ihnen in Kopf und Seele schauen wie Herb Senior in die Geburtskanäle seiner Patientinnen. Gibt es reale (zumindest teilweise) Vorlagen in deinem Leben? (Keine Angst, du musst keine Namen nennen.)

Ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis und großes Interesse an den unterschiedlichsten Menschen, aus meiner Zeit als Schauspielerin ist mir auch die Eigenschaft verblieben, dass ich keine Distanz zu meinen Figuren habe, sondern eher in sie hineinschlüpfe, in alle Details. Die realen Vorbilder aus diesem quasi jahrzehntelang angesammelten Menscheneintopf herauszufiltern, schaffe selbst ich nicht mehr eindeutig!

Was machst du nun nach so einem fulminanten Debüt als Romanautorin? Ruht man sich erst einmal darauf aus oder ist das nächste Manuskript schon in der Schublade und wartet auf seinen Moment? 

Ausruhen wäre herrlich! Ich habe zwischen den Lockdowns und dem Homeschooling auch einige Bücher zu diesem Thema überflogen, kam aber real nie dazu, bin also halbgebildete Theoretikerin. Momentan arbeite ich an einem neuen Projekt, es gestaltet sich leider aufgrund der Weltlage bisher um einiges schwieriger als erhofft, das kontinuierliche, ungestörte Arbeiten ist im letzten Jahr unmöglich gewesen.

Ich hätte noch viele Fragen, aber für einen Großteil müsste ich die Handlung des Buchs spoilern, das tue ich den Leser*innen nicht an. Deshalb eine letzte freche Frage, die auf den ersten Blick nicht viel Sinn ergibt (also: holt euch das Buch!): Wo geht Magdalena hin? Weiß man das überhaupt? 

Ich glaube, sie kauft sich einen Mayonnaise-Salat. Eine denkbar ungünstige Unterlage für die schlechten Nachrichten, die sie noch erwarten … 

Romina Pleschko liest am 17.09.2021 um 14:30 H im Josefshaus in Laas aus ihrem Buch; die Preisverleihung findet daraufhin um 19:00 H in der Markuskirche statt. Seid dabei!

Fotos: (1) Romina Pleschko (c) Nadine Studeny; (2) (c) Nadine Studeny

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