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May 5, 2021

Ich bin verdächtig zufrieden mit meiner Arbeit – Handweber Herman Kühebacher

Susanne Barta

Eine gute Freundin hat mich vor einigen Jahren zu ihm gebracht, ich war begeistert. Die Webstühle, der Weber, der immer barfuß unterwegs ist und mit glänzenden Augen von seiner Arbeit erzählt, die Garnrollen und Stoffe, die wunderschönen Tücher, Decken, Schals … Herman Kühebacher betreibt seine Werkstatt, die auch Geschäft ist, in Niederdorf im Pustertal.

Die Faszination für das Handwerk habe er von seinen Irland- und Schottland-Fahrten mitgebracht, erzählt Herman. Dort sei auch seine Liebe zu Dudelsack, Schwegel und Flöte entstanden, seit vielen Jahren spielt und singt er mit der bekannten Südtiroler Folkgruppe Titlá. Mit dem Weben begann Herman zunächst nebenbei, am Abend nach der Arbeit, 1994 machte er sich als Weber selbstständig. Das meiste habe er sich selbst beigebracht, erzählt er.

Herman Kühebacher (c) Susanne Barta Foto_2+3

Herman, wenn du über deine Arbeit sprichst, leuchten deine Augen. Was gefällt dir so gut daran?

Das Weben ist ja eine sehr monotone Arbeit, wochenlang macht man die gleiche Bewegung, aber damit habe ich kein Problem. Ich hatte früher alle möglichen Jobs, habe am Bau gearbeitet, bei der Forst, war langjähriger Abspüler in Hotels, habe Liftbügel bedient, aber ich bin nie gerne am Montag zur Arbeit gegangen. Auch wenn ich nie so wenig verdient habe wie als Weber, gehe ich immer gerne in meine Werkstatt. Das Leben ist unberechenbar, was ich in der Werkstatt tue, ist berechenbar. Ich weiß, was ich tue und was herauskommt. Beim Leben kann man sich alle Haxen ausreißen, aber es ist wie ein Würfel, vielleicht hat man schon viermal einen Einser gewürfelt und denkt, jetzt stünde mir mal ein Sechser zu, aber dann kommt wieder ein Einser. Dem Würfel ist es egal und das Schicksal fragt nicht, was, wem zusteht. Deswegen habe ich diese Arbeit richtig schätzen gelernt. Es könnte finanziell auch noch um einiges enger werden, bevor ich überhaupt auf die Idee kommen würde, es zu lassen. Aber andere Weber, die von der Handweberei leben können, kenne ich keine.

Herman Kühebacher (c) Foto_4

Du machst Decken, Hand- und Badetücher, Teppiche, Schals … Welche Rolle spielen die Materialien, mit denen du arbeitest?

Es ist wichtig, mit eiserner Disziplin darauf zu schauen, womit man arbeitet. Ich arbeite nur mit Materialien, die sauber und nicht verschnitten sind. Normalerweise sind die Rohstoffe, die man kauft, immer irgendwie behandelt, es ist Ethylen drin oder Paraffin. Auch die Baumwolle spielt für mich keine Rolle, denn der Anbau, auch der biologischen Baumwolle, ist immer eine Sauerei. Wir kaufen Baumwolle aus Ländern, wo es eh schon wenig Wasser gibt, der größte Lieferant ist zum Beispiel Usbekistan – das Austrockenen des Aralsees hat auch mit den Monokulturen der Baumwolle zu tun. Oder Ägypten, Türkei, die Südstaaten der USA … Die Baumwolle als Material stimmt für mich einfach nicht.
Wenn ich mit Edelfasern arbeite, schaue ich darauf, dass sie so weit als möglich auch ethisch sauber sind. Das klingt vielleicht kitschig, aber es sollte in jeder Hinsicht stimmen. Daher wechseln die Materialien mit denen ich arbeite. In der Zwischenzeit habe ich einige Händler, die wissen, was ich brauche, und wenn sie was Passendes haben, rufen sie an.
Meine pflanzlichen Fasern sind Leinen und Hanf. Der Hanf ist jetzt wieder interessant geworden, er war einige Zeit in Mode und deshalb zu teuer, in der Zwischenzeit stimmt der Preis wieder halbwegs. Leinen ist für einen Pusterer ein wichtiges Material, da es hier eine lange Tradition hat. Bei den tierischen Fasern verwende ich lokale Wolle, bei den Edelfasern Kaschmir, Alpaka und Merino, wenn ich sie von zertifizierten Spinnereinen bekomme. Wenn ich „lokale Wolle“ sage, kommt das meiste davon aus der Provinz Belluno. Ich habe das Glück, mit einer Spinnerei zu arbeiten, die noch nach der alten Methode Wolle verarbeitet. Heute wird Schafwolle meist viel zu heiß gewaschen, das löst das Lanolin, das natürliche Wollfett, heraus und der Spinnmeister fettet dann wieder mit Paraffin auf. Lanolin ist ein zähes Wachs, Paraffin ein leichtes Öl, aber ein Erdölprodukt. Man kann so viel schneller verspinnen als mit der rohen Wolle. Ich bin für jedes Jahr unserer Zusammenarbeit dankbar und hoffe, dass es diese Kooperative noch lange gibt.Herman Kühebacher (c) Foto_5

Das heißt, deine Produkte wechseln, je nachdem, welche Materialien zur Verfügung stehen?

Genau. Wenn ich ein Material bekomme, überlege ich mir, was ich daraus machen kann. Früher habe ich genau umgekehrt gearbeitet. Heute bin ich froh, wenn ich sauberes Material bekomme.

Wie läuft das mit dem Färben?

Gefärbt werden nur hochwertige Materialien wie Seide und Kaschmir und zwar pflanzlich, sonst arbeite ich mit den Farben, die die Natur hergibt. Beim Leinen ist das das typische beige, die Wolle kommt von schmutzig weiß bis braun. In den meisten Textilien ist soviel Zeug drin, Schwermetalle, Chemikalien … meine Textilien könnte man essen.

Wissen die Kunden deine Arbeit und die Hochwertigkeit der Materialien zu schätzen?

Die meisten Weber haben in den letzten Jahren zugemacht. Ich dachte mir zunächst, jetzt habe ich keine Konkurrenz mehr. Aber so einfach ist es nicht. Denn die Kunden vergleichen die Arbeit mit industriellen Preisen und das geht natürlich nicht. Deswegen funktioniert für mich auch Online-Verkauf nicht. Die Kunden müssen hierherkommen, die Stoffe angreifen, fühlen, ich erzähle ihnen die Geschichten der Materialien … Das funktioniert nur direkt. Auch mit Wiederverkäufern ist es schwierig, da sie so viel draufschlagen. Meine Preise sind knapp berechnet und ein Wiederverkäufer muss den Preis zahlen, den Private zahlen, und dann wird’s teuer. Ab und zu arbeite ich mit Hotels zusammen, der Trend zu Produkten der Umgebung nimmt zu. Das ist gut für mich, denn dann liegen in den Hotels auch meine Folder auf und ab und zu kommen so neue Kunden zu mir.

Herman Kühebacher (c) Foto_6

Wie ging es dir in der Pandemie, da war ja kaum direkter Kundenkontakt möglich?

Ich habe immer gearbeitet, aber das Geschäft war lange zu. Finanziell ging es irgendwie, gearbeitet habe ich sogar besser, weil ich nicht unterbrochen wurde von Kunden, die kommen „solo per curiosità“. Ich habe keine teuren Maschinen, keine Angestellten. Wenn man wirtschaftlich nicht weit oben ist, dann kugelt man auch nicht weit hinunter. Ich beobachte bei einigen, dass sich eine Art des Wirtschaftens entwickelt hat, die ich nicht schätze. Im Tourismus zum Beispiel: Alle drei Jahre werden fast neue Zimmer wieder herausgerissen, nur um Schulden zu haben und wenig Steuern zu zahlen. Das sind kapitalistische Auswüchse. Für mich kann ich sagen, ich bin verdächtig zufrieden mit meiner Arbeit.

Herman Kühebacher (c) Susanne Barta Foto_7+8

Wir haben in den letzten Jahren einige Male was bei Herman gekauft. Handtücher, einen Teppich und zuletzt einen Bettüberwurf. Es sind Stücke fürs Leben. 

Kunigunde von franzmagazine hat mir einen link geschickt von einer Handweberei in Müstair. Die Tessanda wurde 1928 gegründet und ist die größte von ganz wenigen professionellen Handwebereien in der Schweiz, die überlebt haben. Auch hier wird von Hand auf hölzernen Webstühlen gewoben, die Tessanda ist ein reiner Frauenbetrieb mit 17 Mitarbeiterinnen, einige davon aus Südtirol. Schön, dass dieses Handwerk weitergeht. 

Fotos: (1+2) © Susanne Barta; (3–6) © Herman Kühebacher; (7+8) © Susanne Barta

 

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