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April 15, 2021

Ein Märchen für Erwachsene: „Space Dogs“ beim BFFB 2021

Florian Rabatscher

Wir schreiben das Jahr 2021 (das immer noch von der Corona-Pandemie überschattet wird). Unser gesamter Alltag dreht sich fast ausschließlich um diesen klitzekleinen Virus, was es umso schwieriger macht, dieser Realität zu entfliehen. Um doch kurz in andere Welten einzutauchen, ist es immer noch am besten entweder ein Buch zu lesen, Musik zu hören oder sich einfach von einem guten Film fesseln zu lassen. Gemeinsam können wir diese Dinge zwar im Moment nicht genießen, aber trotzdem lassen sich die verschiedenen Kulturinstitutionen nicht ganz davon aufhalten und kommen über das World Wide Web einfach zu uns nach Hause. Auch das Bolzano Film Festival Bozen beschreitet neue Wege in diesen schwierigen Zeiten und bringt das Festival via Online-Streaming der Filme von 14.–18. April direkt in eure vier Wände. Die Kinosäle bleiben zwar geschlossen, aber das OK-Team selbst sieht die diesjährige Online-Version nicht als Notlösung, sondern als Chance, neue Wege in der Kulturvermittlung zu beschreiten und die neuen Formen in Zukunft mit den gewohnten zu verbinden. Auch die Filmauswahl ist wieder einmal alles andere als gewöhnlich, weshalb man darunter das ein oder andere Schmuckstück findet, das man ansonsten wahrscheinlich nie gesehen hätte. Eines dieser Exemplare möchte ich euch jetzt ganz besonders ans Herz legen.

Es gibt diese Filme, die dich, nachdem du sie gesehen hast, anders als vorher zurücklassen. Natürlich wurde das schon oft gesagt, aber bei „Space Dogs“ von Elsa Kremser und Levin Peter (also nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kinderfilm) ist das wirklich so. Ich kann nur sagen: So etwas habe ich meinen ganzen Leben noch nicht auf dem Bildschirm gesehen. Der Film beginnt wie eine Hollywood-Weltraum-Saga und man hört die Stimme des russischen Schauspielers Alexey Serebryakov: Wie in einem Märchen erzählt er die Geschichte der streunenden Hündin Laika, die 1957 als erstes Lebewesen mit dem sowjetischen Forschungssatelliten Sputnik 2 ins All geschickt wurde und dabei kümmerlich ums Leben kam. Dabei wird auch die Legende aufgegriffen, dass Laikas Geist zur Erde zurückgekehrt sei und seitdem durch die Straßen von Moskau streife. Und genau den Spuren dieses Geistes folgt der Dokumentarfilm sozusagen und wir begleiten echte Streuner durch Moskaus Vorstädte und erleben die Welt aus ihrem Blickwinkeln.

Klingt äußerst bizarr und fast schon unglaublich, aber irgendwie hat es der Kameramann Yunus Roy Imer hingekriegt, diese Hunde zu begleiten, ohne sie zu stören. Sie blicken nie in die Kamera und man fühlt sich als Zuschauer*in so, als ob man selbst ein Straßenhund wäre. Aber vor allem merkt man auf beeindruckende Weise, dass der Mensch eben nicht das eine Wesen schlechthin auf dieser Erde ist, denn es gibt noch viele andere auf diesem Planeten, mit denen man zusammenlebt und denen auch mehr Respekt entgegen gebracht werden sollte. Zwar hört man hier und da die Stimme des Erzählers, ansonsten wird aber nicht viel gesprochen. Trotzdem ist es eine Geschichte voll von Treue, Brutalität und eben diesem anderen Blick auf uns Menschen. Dieser wird auch noch besonders durch das manchmal eingeblendete, schockierende Filmmaterial aus der Ära der sowjetischen Raumfahrt bestärkt. Wirklich nichts für schwache Nerven, wenn man sieht, wie diese Tiere behandelt wurden. Aber auch die restliche Geschichte über das raue Leben der Straßenhunde ist nichts für Zartbesaitete. Ja, durch die Musik und die Erzählerstimme wirkt es zwar wie ein Märchen, aber das Leben eines streunenden Hundes hat bei Weitem nichts mit zauberhaften Disney-Klassikern wie „Susi und Strolch“ zu tun. Wäre Strolch real, würde er auf den Straßen Moskaus nicht lange überleben. – Bei der Szene, wo der Hund einfach so eine Katze tötet, (die übrigens sehr lange dauert,) musste ich kurz wegschauen. Dieser Film ist einfach echt, und obwohl man die meiste Zeit bloß Hunde auf Nahrungssuche beobachtet, zieht er dich in seinen Bann. Ich empfehle auch diesen Film in völliger Ruhe anzusehen, da er einem viel Raum lässt, um sich wieder einmal die gute alte Sinnfrage des Lebens zu stellen. Ich verspreche euch, solche Bilder habt ihr wahrscheinlich noch nie gesehen.

Fazit: Ein bizarres Erlebnis. Ich liebe Filme, die dich mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend zurücklassen. Wer also immer noch meint, dass wir gerade ein Hundeleben führen, wird nach diesem besonderen Streifen anders denken. Am Ende fragt man sich wirklich, was eigentlich spaciger ist: Das Weltall oder unsere Welt, in der wir leben. 

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