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April 14, 2021

„Es braucht eine klare Vision“ ­– Lisi Tocca, nachhaltige Gamechangerin

Susanne Barta

April ist Fashion-Revolution-Monat. Anlass, mit der Südtiroler Unternehmerin Elisabeth „Lisi“ Tocca über ihre innovative Textil-Brand und ihr neues Circular-Economy-Projekt zu sprechen. Lisi hat CORA happywear 2014 mit dem Anspruch gegründet, neben Nachhaltigkeitsaspekten, auch auf ein anderes Konsummodell zu setzen. Heute blickt sie auf sieben spannende, zum Teil auch schwierige Jahre zurück, indenen es ihr gelungen ist, die (Kinder-) Bekleidungsbranche ein Stück weit nachhaltiger zu gestalten. Wie das geht? Das erzählt sie uns hier.CORA happywear Foto_1

Lisi, wieso wolltest du damals einen neuen Wind in die (Kinder-) Bekleidungsbranche bringen?

Mir ging es vor allem darum, Menschen zu sensibilisieren, wie wir mit Kleidung umgehen und wie wir konsumieren. Dazu haben wir mit Müttern zusammengearbeitet, die unsere nachhaltige Bekleidung in ihren Wohnzimmern verkauft und gleichzeitig über das Thema informiert haben. Mittlerweile wurde dieses Modell erweitert Richtung Cross-Channel und wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen. Mir ist damals auch bei mir selbst aufgefallen, dass Kleidung viel zu wenig wertgeschätzt wird, im Sinne von „was nichts kostet, ist nicht viel wert“. Das ist eine ungesunde Einstellung, für die Umwelt und auch für uns selbst. Das heißt nicht, dass unsere Produkte deshalb teurer sind, um die Leute zu bremsen, aber wenn man sich einmal die komplexe und aufwendige Wertschöpfungs-Lieferkette der meisten Textilien anschaut und jeder Teil dieser Kette entsprechend berücksichtigt und wertgeschätzt wird, dann kann es nicht sein, dass ein T-Shirt so viel kostet wie ein Cappuccino.

Von Anfang an ging es bei deinem Start-up darum, so innovativ wie möglich zu arbeiten. Was macht ihr anders?

Ich bin keine Fashionista, Mode interessiert mich nur am Rande. Ich möchte Neues schaffen, dabei nachhaltig sein und das, was heute nicht gut läuft, besser machen. Einiges ist uns da auch gelungen in den letzten Jahren. Wir haben zum Beispiel als erste Marke einen Baby-Body aus Eukalyptusfaser entwickelt, der nicht nur antibakteriell und sehr hautfreundlich ist, sondern auch viel weniger Ressourcen verbraucht. Diesen Body haben wir dann so weiterentwickelt, dass er von 0 bis 2 Jahren getragen werden kann. Im Durchschnitt (ver-) braucht man für ein Baby über 100 Bodys in dieser Zeit, die meisten landen alle zwei Monate im Textilmüll. Mit unserem Body kann man, wenn man möchte, mit fünf Stück zwei Jahre lang auskommen.
Seit einem Jahr arbeiten wir an einem neuen Projekt, das diesen Herbst gelauncht wird. Wir ermöglichen damit unseren Kund*innen, Baby-Bekleidung zu leasen. Das ist nicht nur für die Umwelt besser, sondern hilft Eltern auch weniger auszugeben für sehr gute Qualität. Unsere Produkte zu leasen kostet um vieles weniger, als wenn man die Babybekleidung neu kaufen würde. Jeden Monat zahlt man ein bestimmtes Fixum, je nachdem welches Paket man wählt und in welchem Leasing-Zyklus das Produkt ist. Dann gibt man es wieder zurück, die Stücke werden gereinigt und kommen wieder in Umlauf. Nach dem letzten Leasing-Zyklus wird die Kleidung entweder verschenkt oder geshreddert und als Füllung für andere Produkte verwendet, immer mit dem Anspruch, Textilmüll zu reduzieren. Wir sind gerade in einer umfangreichen Test-Phase, die Prozesse sind komplex und zum Launch muss alles klappen. Ich freue mich schon auf die Umsetzung, dieses Kreislaufwirtschaftskonzept liegt mir sehr am Herzen.CORA happywear Foto_3

Was braucht es, um als Unternehmerin immer vorne mit dabei zu sein?

Eine große Dosis Idealismus, Neugier und Durchhaltevermögen. Was ich gelernt habe: Manches braucht Zeit, es geht nicht immer so schnell, wie ich das möchte. Aber man muss wohl die Welt verbessern wollen, sonst fängt man sowas gar nicht erst an. Ich möchte Spuren hinterlassen, nicht als Lisi Tocca, aber mit dem, was ich tue für uns alle. Der Name CORA kommt vom italienischen coraggio, ohne Mut geht´s natürlich auch nicht. 

Corona hat die Textilbranche hart getroffen, wie ist es euch ergangen?

Trotz Pandemie und Lockdowns ist es für uns gut gelaufen, 2020 war sogar eines unserer besten Umsatz-Jahre. Ich führe das auch darauf zurück, dass Corona einige Menschen zum Umdenken bewegt hat. Nachhaltigkeit ist zu einem sehr konkreten und spürbaren Thema für Konsumenten geworden. Meine größte Herausforderung ist immer noch, wie wohl für die meisten Unternehmer, die Balance zwischen Kosten und Planung gut hinzukriegen. Ich muss ja viele Monate im Voraus entscheiden, was wir für die nächsten Kollektionen produzieren und diese Kosten lassen sich im Nachhinein nicht mehr bremsen. Egal, ob es einen Lockdown gibt oder nicht, die Ware wird produziert und das Geld ist ausgegeben. Damit richtig zu liegen und überleben zu können, auch wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, das ist und bleibt eine Herausforderung.

Lisi Tocca - CORA happywear

Hättest du damals gewusst, was auf dich zukommt, würdest du nochmals gründen?

Auf jeden Fall. Ich habe so viel gelernt, wie zuvor in all meinen 15 Arbeitsjahren bei größeren Betrieben nicht. Es war natürlich nicht immer einfach, dafür aber umso lehrreicher.

Wie schauen die nächsten Schritte aus?

Es gibt schon sehr konkrete weitere Ideen. Sie sind mit Patenten verbunden und liegen gerade bei Anwälten, um zu schauen, wie wir sie am besten schützen können. Man kann sie durchaus als Gamechanger-Ideen bezeichnen. Mal sehen, was daraus wird.

Im Textil- und Modebereich zu arbeiten gilt für Viele als Erfüllung ihres persönlichen Traums. Neue Brands werden auch laufend gegründet, nicht alle sind erfolgreich. Was sollte man bedenken, wenn man sich in eine so kompetitive Branche begibt?

Es braucht eine klare Vision, was man machen möchte. Das ist der Motor, der einem immer wieder Energie gibt, auch bei Rückschlägen. Dann braucht es Wetterfestigkeit, denn Rückschläge gibt es immer und man muss am Tag danach wieder aufstehen und schauen, was man machen kann, um sein Projekt zu retten. Wichtig ist, sich soviel als möglich mit Leuten zu besprechen, die Erfahrung haben. Zuhören und lernen wollen, Arroganz hat keinen Platz im Business. Nur indem man teilt, sich austauscht und helfen lässt, geht es weiter. Im Sektor der Nachhaltigkeit ist es besonders wichtig, sich zusammenzutun, Talente zu bündeln und gemeinsam etwas zu erreichen.

CORA happywear Lisi Tocca

Heute führt CORA happywear Baby-, Kinder-, Damen- und auch Herren-Basic-Bekleidung. In Italien ist das Unternehmen bereits gut aufgestellt, jetzt soll der deutsche Markt erobert werden. Und seit einem Jahr gibt’s das eigene Geschäft in der Vintler Gasse in Bozen. Das Unternehmen wächst, so wie ein Unternehmen wachsen sollte: Schritt für Schritt und die Schritte nur so groß, wie man imstande ist, sie zu machen. 

Ich trage CORA Basics seit Jahren, mein Favorit aus der neuen Kollektion ist der unglaublich bequeme und dabei sehr coole schwarze Jumpsuit aus Bio-Baumwolle und Leinen. 

Das „CORA happywear“-Circular-Baby-Bekleidungs-Projekt wird im Herbst gelauncht. Gerade entsteht dazu eine Landing Page und wenn ihr noch mehr wissen möchtet darüber, könnt ihre euch direkt bei CORA informieren. Weitere Artikel featuring CORA: Pioniere der nachhaltigen Mode in Südtirol, hier gibt’s auch was und auch hier.  

Fotos: CORA happywear
Campain SS 2021 Franziska Unterholzner

 

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