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April 13, 2021

„Junge Menschen sind einsam“: Christoph Waldboth behind the scenes

Eva Rottensteiner

Heute wird in Bozen der Filmkunst gehuldigt. Von 13. und 18. April 2021 heißt es wieder Bolzano Film Festival Bozen, coronabedingt eben online. Das bunte Programm  beinhaltet 12 Wettbewerbsfilme, Filme der Reihe Made in Südtirol, Kleinsprachen DOC und Beiträge weiterer lokaler Künstler*innen. Die Filmschule Zelig präsentiert außerdem ein Doku-Special zum Gedenken an die 2020 verstorbene Filmemacherin Valentina Pedicini. Auch der Nachwuchsfilmemacher Christoph Waldboth (*1996) ist mit seinem Kurzfilm „Junge und Mädchen“ nach 2018 mit „Opfer“ zum zweiten Mal mit an Bord. Nach dem Kunstgymnasium Bozen hat er sich für das Film- und Fernsehen-Regie-Studium in München entschieden und lebt mittlerweile als freischaffender Filmemacher und Autor in Wien. 

Dein Kurzfilm ist in Schwarz-Weiß und ohne Dialoge. Warum eigentlich?

Filme entstehen bei mir zunächst im Kopf. „Junge und Mädchen“ war in meiner Vorstellung immer schon schwarz-weiß. Das war also gar keine Frage. Anders sieht es bei den Dialogen aus. Die ursprüngliche Fassung sah eine Reihe von Voice-Over-Monologen vor, die auch aufgenommen wurden. Im Schnitt zeigte sich jedoch, dass das gesprochene Wort fehl am Platz war, und ich entschied mich, ganz darauf zu verzichten. Außerdem wird in unserer Gesellschaft ohnehin viel zu viel geredet und zerredet, anstatt durch Blicke und stumme Zwischenmenschlichkeit zu kommunizieren.

Deine anderen Kurzfilme haben teilweise etwas Surreales, (Alp)traumhaftes an sich. Ist das der Stil, den du verfolgen möchtest?

Der Surrealismus begleitet mich seit meinen frühesten filmischen bzw. künstlerischen Anfängen, wenngleich ich mich mit der Zeit immer mehr einem magischen Realismus angenähert habe. Das heißt, ich erzähle Geschichten, die zwar an sich in der Realität verankert sind, aber durch traumartige Erzählweisen die Grenzen der uns bekannten Welt aushebeln. Andererseits finde ich die Realität in ihrer Banalität sehr viel alptraumhafter als die magisch angehauchten Geschichten, die ich erzähle.

In einem anderen Interview hast du mal erzählt, dass du Lars-von-Trier-Fan bist. Nicht alle feiern ihn für sein provokantes, gewalttätiges Werk. Wie siehst du das?

Lars von Trier ist in meinen Augen einer wichtigsten zeitgenössischen Filmemacher. Er hat in seinem Werk immer wieder innovative Ansätze aufgezeigt, man denke etwa an „Dogville“ oder „Dancer in the Dark“ oder natürlich auch an sein Dogma95 Manifest. Die Gewalt, die immer wieder Teil seiner Filme ist, funktioniert nie bloß um der Schauwerte Willen. Vielmehr zeigt sie anschaulich die Konsequenz menschlichen Verhaltens. Ich finde es wichtig, dass Kunst provoziert, und ich finde es gut, dass es immer wieder gelingt, und sich Menschen darüber echauffieren. Nur so kann die Diskussion nach außen, und noch viel wichtiger, die Diskussion nach innen, mit dem eigenen Ich, gelingen.

In dem Interview erzählst du auch, dass du Geschichten über junge Menschen erzählen möchtest. Welche Themen müssen deiner Meinung nach noch erzählt werden?

Dass ich Geschichten über junge Menschen erzähle, ist ganz unbewusst geschehen. Es liegt wahrscheinlich einfach daran, dass ich selbst noch jung bin und diese Lebensrealität am besten kenne. Ich denke, das wichtigste Thema in Bezug auf die Jugend ist das der Einsamkeit. Viele junge Menschen sind einsam, doch es wird nicht darüber gesprochen. Es ist ein Tabu. Wobei ich sogar behaupten würde, alle Menschen sind einsam. Und am meisten jene, die vorgeben, es nicht zu sein, und die sich mit vielen anderen Einsamen umgeben, um sich selbst zu vergessen. Das ist der Moment, an dem die Einsamkeit der Menschen am deutlichsten zum Vorschein kommt. Ein anderes Thema, worüber viel zu wenig erzählt wird, ist beispielsweise das der häuslichen Gewalt. Sowohl das als auch die Einsamkeit sind Gegenstand meines nächsten (noch nicht finanzierten) Films.

Welchen Hürden begegnet man als Nachwuchsfilmemacher?

Filme kosten Geld, das ist ein Fakt, den man leider akzeptieren muss, wenngleich sie nicht so viel kosten müssten, wie oft dafür ausgegeben wird. Als junger Mensch hat man in der Regel nicht die finanziellen Mittel, um einen Film zu produzieren. Deshalb hofft man, bei Förderungen oder Produktionsfirmen auf Hilfe zu stoßen. Leider sieht die Realität aber völlig anders aus. Die Gremien, Institutionen und ganz allgemein, die Verantwortlichen in ihren Bürosesseln scheinen kein Interesse daran zu haben, neue, junge, innovative Stimmen zu fördern. Vielmehr greift man auf das Altbekannte zurück, auf das Etablierte, und hat Angst, Experimente zu wagen. Alles, was inhaltlich oder formal unbequem sein könnte, wird abgewiesen. Alles, was nicht bereits Rang und Namen hat, wird mit Skepsis betrachtet.

Christoph Waldboth (c)

Du hast bereits zwei Romane geschrieben. Worum geht’s?

In meinem aktuellen, also zweitem Roman geht es um Vieles, unter anderem um die bereits erwähnte Einsamkeit. Sieben Menschen streunen unabhängig voneinander durch eine nächtliche, traumartige Stadt. Möglicherweise kreuzen sich ihre Wege. Mehr möchte ich noch nicht verraten. Über den ersten Roman, der aktuell von Grund auf überarbeitet wird, möchte ich noch nicht sprechen, nur so viel, es geht um den Tod. Beide Romane sind jedoch zum jetzigen Zeitpunkt unveröffentlicht und ich hoffe, ich finde einen Verlag, der gewillt ist, einem jungen Autor einen Platz an der Sonne zu geben.

Inwiefern fließt dein Kunst- und Literatur-Background in deine Filme ein?

Ich bin der Meinung, dass das Kino bzw. der Film die komplexeste aller Kunstformen ist, da in ihm ja alle anderen zusammenkommen. Bild, Ton, Text, Musik, Licht, Schauspiel und so weiter. Deshalb fließt alles, was ich an Erfahrung in der Literatur oder in der Kunst im Allgemeinen sammle, in die Filme ein. Dazu gehört auch mein kunstgeschichtliches Wissen, das sich vor allem in der Wahl der Bilder niederschlägt. Das führt zu einer gewissen Ästhetik, die man pittoresk nennen könnte, und die ich sehr mag, aber leider viel zu selten im zeitgenössischen Kino wiederfinde.

>> Hier geht’s zum übrigen Programm des Bozner Filmfestivals und hier gibt es eine Anleitung, wie man seine Tickets kaufen kann. Das Festival eröffnet am 13. April Punkt 20 Uhr online mit „Wanda, mein Wunder“ der Schweizer Regisseurin Bettina Oberli. Alle weiteren Filme sind im Zeitraum vom 14. bis 18. April 2021 online verfügbar – leider nur in Italien. Am 14. April talkt Christoph Waldboth mit anderen Local Artists Lisa Maria Kerschbaumer, Christoph Waldboth, Matthias Keitsch, Sebastian Longariva, Massimiliano Gianotti und Stefano Lisci zum Thema. 

Es moderiert: Angelika König

Credits: Christoph Waldboth

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