Wie Clemens Tschurtschenthaler versucht, die Zeit festzuhalten

„Siehst du den Ofen hier?“ Clemens Tschurtschenthaler steht in der VENT Gallery und zeigt mir seine und Felix Dennhardts aktuelle Ausstellung. Ich kann ihn sehen und vor allem auch hören. Es knistert. Doch das Geräusch kommt, wie ich später erfahre, nicht von echtem Feuer, sondern von einem Lautsprecher, der mit dem Rohr eine klangliche Resonanz erzeugt. Nach einiger Zeit sind Songfragmente des 80er Songs „Heat of the Moment“ von Asia zu hören. Es ist noch kurz vor dem nächsten Lockdown in Wien und ich nutze jede Gelegenheit zu einem Atelier- und Museumsbesuch. Heute höre ich dem Künstler Clemens Tschurtschenthaler aus Meran zu, der schon seit seinem Studium der Medienkunst an der Angewandten in Wien lebt und schafft.
Sag mal Clemens, wie kam es eigentlich zur Idee der aktuellen Ausstellung „Heat of the Moment“?
„Heat of the Moment“ soll einen Moment bezeichnen, von dem aus sich Dinge, Beziehungen, Material und so weiter verändern. Vielleicht sagt oder tut man in solchen Augenblicken etwas, was einem später leid tut … oder auch nicht. Auf jeden Fall verändert sich in so einem Moment meistens Einiges. Felix hat mich vor ein paar Wochen ziemlich spontan gefragt, ob ich mit ihm in der VENT Gallery ausstellen möchte. Nach zwei, drei Gesprächen sind wir auf „Heat of the Moment“ als Ausstellungstitel gekommen. In der Galerie steht ein Ofen, der bei Ausstellungen normalerweise im Abstellraum versteckt wird. Dieser Ofen hat uns auf die Grundidee gebracht. Felix hat beschlossen, ihn in seine Installation zu integrieren, und ich habe Objekte aus Stahl und Wachs produziert, die Momente der Veränderung in eine Körperlichkeit übersetzen. Prozesse der Veränderung bzw. die Spuren einer Umformung sind in meinen Arbeiten oft von Bedeutung. Mit dem Umformen durch Hitze – Material zwischen heiß und kalt, flüssig und hart – habe ich in letzter Zeit experimentiert und gearbeitet. Hat also gut gepasst. Meine Arbeiten tragen oft die Geschichte ihrer Entstehung in sich. Die Einladung kam recht kurzfristig, deshalb waren die letzten Wochen ziemlich intensiv. Lustigerweise wurde dadurch auch der Arbeitsprozess verdichtet – heat of the moment halt.
Zeit und Bewegung und wie sich beides auf den Raum auswirkt, sind wiederkehrende Thematiken in deiner Kunst. Was fasziniert dich daran?
Die Welt ist immer in Bewegung, alles um uns verändert sich permanent und nichts steht still. Herbert Grönemeyer hat anscheinend gesungen: „Stillstand ist der Tod“ [gerade gegoogelt], aber auch im Tod dreht sich die Welt weiter und Körper verwesen, werden zu was Neuem. Nur der Geist hat vielleicht das Ende erreicht. Wer weiß das schon. Ich versuche in meinen Arbeiten oft, Momente festzuhalten oder zu markieren. Ein offensichtlich vergebliches Vorhaben, aber der Versuch an sich interessiert mich und erzeugt spannende Situationen und Resultate. Manchmal schaffe ich mir bestimmte Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Prozesse der Veränderung abspielen. Dazu kommt dann noch der Zufall, der in jedem Veränderungsprozess eine Rolle spielt. Die Spuren, die von solchen Aktionen bleiben, erzeugen in der Betrachtung neue Narrative und neue Zeitlichkeiten, die vom Geschehen erzählen, es aber auch wieder verzerren.
Du hast für die aktuelle Ausstellung mit Felix Dennhardt zusammengearbeitet. An welcher Schnittstelle trifft sich eure Kunst?
Wir haben zusammen studiert und uns ein Atelier geteilt. Schnittstellen ergeben sich da von ganz alleine und sind auch nicht immer die selben. Natürlich verbindet uns das Interesse an medienübergreifender Kunst, wir sitzen aber nicht da und überlegen uns, wie wir dieses und jenes am besten unter einen Hut bringen können und wo sich unsere Denkweisen überschneiden. Wir haben eigentlich erst vor Kurzem eine gemeinsame Arbeit gemacht. Letzten Sommer am Naschmarkt. Für die aktuelle Ausstellung haben wir getrennt gearbeitet und es sind zwei unterschiedliche Zugänge zum heat-of-the-moment-Gedanken entstanden, die wir einander in der Galerie gegenüberstellen. Es war ein recht lockeres Hin und Her und daraus sind interessante Dinge entstanden.
Wie wählst du deine Technik aus?
Ich wähle meine Techniken nicht bewusst aus. Es entsteht eine Grundidee, die sich dann auf mehrere Arbeiten und Techniken erweitert. Ich sehe mich irgendwo zwischen den Disziplinen und möchte mich auch nicht auf ein einziges Medium beschränken. Ich bin wahrscheinlich zu ungeduldig und sprunghaft, um mich ständig auf eine Arbeitsweise zu konzentrieren. Mich interessiert das Ausweiten einer Idee oder eines Gedankenganges auf unterschiedliche Ebenen der Wahrnehmung. Das Kombinieren von physischen, skulpturalen Arbeiten mit digitalen Medien wie Video, Sound und Co. eröffnet mehr Möglichkeiten und Blickwinkel auf die Dinge.
Mehr Wien oder mehr Südtirol?
Schnitzel vs. Knedl oder wie? Zurzeit lebe ich in Wien.
What comes next?
Neues Atelier und nächste Ausstellung im Mai im DWDS in Bregenz.
>> Die Ausstellung kann man noch bis Mitte Mai 2021 in der VENT Gallery in Wien besuchen, sobald der aktuelle Lockdown in Wien vorbei ist. Ein genaues Datum für die Finissage wird noch mitgeteilt.
Credits: (1) Luka Jana Berchtold; (2+3) „Heat of the Moment“ – Ausstellungsansicht, Philipp Pess; (4) Echoes of Now – Multimediale Rauminstallation, Clemens Tschurtschenthaler; (5) schürfen und schaufeln – 0,68 m³ Felix Dennhardt/Clemens Tschurtschenthaler, Susanne Reiterer